Oberbürgermeister Boris Palmer und der Gemeinderat haben wegen der finanziellen Lage in Tübingen Steuererhöhungen beschlossen - rückwirkend zum 1. Januar sollen Grund- und Gewerbesteuer steigen. Das bedeutet, dass Eigentümer und Unternehmen mehr Steuern zahlen müssen. Durch die Steuererhöhungen werden Mehreinnahmen von rund 7,6 Millionen Euro erzielt. Das Geld wird laut Palmer benötigt, um das Haushaltsloch zu stopfen.
Die Gewerbesteuer steigt demnach von 390 auf 405 Prozent, die Grundsteuer B steigt von 270 auf 350 Prozent. Die Grundsteuer C, die in Tübingen seit diesem Jahr auf baureife, unbebaute Grundstücke erhoben wird, bleibt bei 540 Prozent. Die Höhe der Grund- und Gewerbesteuer – bestimmt durch den sogenannten Hebesatz – können die Kommunen im Land selbst festlegen. Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der notorisch klammen Gemeinden.
Palmer: Verstehe den Ärger
Dass die erneute Erhöhung der Grundsteuer innerhalb eines halben Jahres die Eigentümerinnen und Eigentümer verärgert, verstehe er, sagte Palmer. «Angesichts der dramatischen Finanzlage der Kommunen in Deutschland – nicht nur in Tübingen – haben wir schlicht keine andere Wahl.» Ohne die Steuererhöhungen werde der Haushalt nicht genehmigt. Folge sei, dass die Stadt keine Kredite mehr aufnehmen und laufende Bauvorhaben stoppen müsste. Den neuen Haushaltsplan soll der Gemeinderat am 24. Juli 2025 beschließen. Er sieht ein Defizit von rund 24,5 Millionen Euro vor. Tübingen ist nach Baden-Baden die zweite Stadt in Baden-Württemberg, die Steuern rückwirkend erhöht.
Finanzen der Stadt sind desaströs
Bereits im Januar 2025 hatte der Tübinger Gemeinderat ein umfangreiches Haushaltskonsolidierungskonzept mit Einsparungen in Höhe von 12,4 Millionen Euro in allen Bereichen beschlossen. Da sich die Prognosen bei den Steuereinnahmen seitdem massiv verschlechtert hatten, lehnte das Regierungspräsidium Tübingen es ab, den Haushalt zu genehmigen. Palmer verhängte eine Stellenbesetzungssperre, außerdem wurden alle nicht unbedingt notwendigen Ausgaben gestrichen. Neben den Mehreinnahmen durch die Steuererhöhungen sind unter anderem weitere Einsparungen in Höhe von 8,8 Millionen Euro etwa bei Bauprojekten geplant.
Grundsteuerreform und die Folgen
Seit 2025 gilt bundesweit eine neue Grundsteuer-Berechnung. In Baden-Württemberg gilt jetzt das sogenannte Bodenwertmodell - dabei zählt die Fläche - und nicht das, was darauf steht. Kommunen können die Höhe der Grundsteuer nur über den sogenannten Hebesatz beeinflussen.
Der Hebesatz muss aber aufkommensneutral gewählt werden: Denn die jeweilige Kommune soll durch die Grundsteuerreform in etwa so viel Geld einnehmen wie vor der Reform. Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder Grundstückbesitzende die gleiche Grundsteuer zahlt wie im Jahr 2024. Durch die neuen Bewertungsmethoden können Einzelne mehr oder weniger zahlen, solange die Gesamteinnahmen der Kommune nicht steigen.