Eine der heikelsten Konfliktlinien der Corona-Pandemie verläuft ausgerechnet dort, wo die Grundlagen für die kommende Gesellschaft gelegt wird. Wie umgehen mit der Infektionsgefahr an Schulen? Wie kann man den Schülern Unterricht garantieren und gleichzeitig verhindern, dass Schulen zum Infektionsherd werden. Seit Wochen und Monaten bewegt das Thema Eltern, Lehrer und Schüler.
Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) ist in der Pandemie kräftig gefordert – doch noch immer scheinen viele Probleme ungelöst. Einige der drängendsten haben die Verantwortlichen der Schulen im Landkreis Konstanz diese Woche bei einer Videokonferenz mit der Ministerin angesprochen, zu der der Konstanzer CDU-Landtagskandidat Levin Eisenmann – weder verwandt noch verschwägert mit Susanne Eisenmann – eingeladen hatte. Es gab Stimmen der Enttäuschung, harte Kritik an Eisenmann blieb jedoch aus.
- Hybrider Unterricht: Kommt er oder kommt er nicht? Besonders nach der Bund-Länder-Konferenz zur Verschärfung der Corona-Maßnahmen am Mittwoch stehen die Schulen unter noch größerem Druck, dass zumindest ein Teil der Schüler von zuhause aus am Unterricht teilnimmt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach sich nach der Konferenz dafür aus, während Eisenmann weiter am vollen Präsenzunterricht festhalten will. Die Maßnahme, bei der etwa Klassen halbiert und abwechselnd zu Hause und in der Schule unterrichtet werden, greift Kretschmann zufolge bei mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Nach den Daten des Landesgesundheitsamts vom Mittwoch wurde diese Grenze zuletzt in den Stadtkreisen Heilbronn, Mannheim, Pforzheim und im Landkreis Tuttlingen überschritten. Doch funktioniert der überhaupt? Ein Wechselunterricht, so beklagten auch mehrere Schulleiter, würde aktuell sowohl an der technischen Infrastruktur als auch am fehlenden Personal scheitern. Ministerin Eisenmann räumte ein, „dass bei der Digitalisierung der Handlungsbedarf noch immens ist, ist nicht zu bestreiten“. Einigkeit herrschte indes, dass es dazu an den Schulen auch die erforderlichen IT-Techniker brauche, die sich um die digitale Infrastruktur entsprechend kümmern. Eisenmann betonte, weiterhin am Präsenzunterricht im Gruppen- und Kohortensystem festhalten zu wollen, bei dem ganze Klassen jeweils vor Ort unterrichtet werden und im Schulalltag aneinander vorbeigeschleust werden. Derzeit seien von den rund 67.500 Klassen in Baden-Württemberg lediglich 846 in Quarantäne, was die Ministerin als Beleg anführte, dass Schulen „keine Infektionstreiber“ seien.

- Gesundheitsschutz: Unmut herrscht derweil bei einem Teil der Grundschullehrer, dass sie von der Landesregierung keine hochwertigen FFP2-Masken zur Verfügung gestellt bekommen, wie es in höheren Stufen der Fall ist. „Wir fühlen uns vernachlässigt und viele Kolleginnen besorgen sich die Masken auf eigene Rechnung“, beklagte die Konrektorin einer Konstanzer Grundschule. Eisenmann verwies in diesem Zusammenhang auf die rechtlichen Vorschriften, dass die Maskenpflicht in den Unterrichtsräumen eben erst ab den weiterführenden Schulen gilt, nicht aber an Grundschulen. Dort sei das Tragen einer Maske eine freiwillige Entscheidung. „Aber in Einrichtungen, in denen sich auch Risikogruppen aufhalten, haben wir von Anfang an Masken zur Verfügung gestellt“, so Eisenmann. Zudem habe die Landesregierung nun ein Budget von 40 Millionen Euro freigegeben, das die Schulen nach eigenem Ermessen für „Bedarfe aus der Pandemie“ ausgeben können. Dazu gehörten etwa Plexiglasscheiben oder Belüftungsgeräte. Auf die Frage, weshalb letztere nicht in viel größerem Stil eingesetzt würden, warnte die Ministerin vor zu großen Erwartungen. „Belüftungsgeräte haben nicht die Wirkung, die mancherorts erweckt wird.“ Stoßlüften sei nach aktuellem Kenntnisstand noch immer das wirksamste Mittel für Klassenräume, jedoch mit Maß: „Es ist nicht das Konzept des Kultusministeriums, Corona durch Lungenentzündungen zu ersetzen“, sagte Eisenmann.
- Schule der Zukunft: Eine der Folgen der Pandemie ist der Schub, den die Digitalisierung an den Schulen bekommen hat. Diesen Aspekt griff auch Patrick Hartleitner, Rektor des Heinrich-Suso-Gymnasiums in Konstanz auf. Denn schon heute müsse man sich fragen, wieviel davon nach Corona beibehalten werden soll. „Die rein digitale Schule ist für mich kein Zukunftsmodell“, betonte Eisenmann dazu. Sie wolle da eher an die Diskussionen vor Corona anknüpfen und die grundsätzliche Frage stellen: Wieviel Digitales wollen wir an den Schulen überhaupt? „Die Hardware muss da sein, aber die Pädagogik ist wichtiger“, sagte sie. Auch hier verwies sie auf den hohen Stellenwert des Präsenzunterrichts, den eine Studie der Landesanstalt für Kommunikation kürzlich unterstrichen habe. Demnach hatten nur 16 Prozent der Schüler technische Probleme beim Unterricht von zuhause. Jedoch gaben 59 Prozent an, dass sie alleine Schwierigkeiten beim strukturierten Lernen gehabt haben.