Wenn Julia Röpke Menü-Vorbesprechungen für Veranstaltungen im Strandhotel Löchnerhaus durchführt, geht sie die Thematik proaktiv an: „Ich sage sofort, dass das Felchen-Fangverbot nicht überall gilt“, sagt die Hotel-Direktorin von der Insel Reichenau. „Leider denken viele Menschen, dass man im gesamten Bodensee Felchen nicht mehr fangen darf.“ Doch dem ist nicht so.

Da der Fisch seit dem Ende der Schonzeit am 18. Dezember wieder auf manchen Speisekarten zu finden ist, kommen immer wieder die Fragen bei Gästen: Ist der Felchen überhaupt aus dem Bodensee? Die Wahrheit ist, dass das Fangverbot nur für bestimmte Teile seine Gültigkeit hat.

Julia Röpke (rechts) und Sebastian Jehle (links), Direktorinund Küchenchef im Strandhotel Löchnerhaus auf der Insel Reichenau, sowie ...
Julia Röpke (rechts) und Sebastian Jehle (links), Direktorinund Küchenchef im Strandhotel Löchnerhaus auf der Insel Reichenau, sowie Berufsfischer Stefan Keller stehen vor dem Untersee mit Blick auf die Schweiz. Sie halten frische Felchen sowie einen kapitalen Hecht in Händen. | Bild: Schuler, Andreas

Auch Mitarbeiter der Tourismus-Organisationen am Bodensee berichten von Kommunikationsproblemen – so erzählt die Reichenauer Tourist-Information, dass auswärtige Angler beim Kauf einer Monatsangelkarte nachfragen, ob sie Felchen überhaupt fangen dürften. Berufsfischer Stefan Keller von der Reichenau weiß: „ Dabei dürfen wir am Untersee weiterhin Felchen fangen. Das Verbot gilt nur für den Obersee. Ist das Gerücht einmal im Umlauf, lässt es nicht nur schwer aufhalten.“

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Gerade überregionale Medien schreiben oder sprechen schnell vom „generellen Felchenfangverbot am Bodensee“, das am 1. Januar in Kraft getreten ist und von der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) ausgesprochen wurde. Das ist richtig, aber auch falsch.

Von außen betrachtet ist der Bodensee der Bodensee. Punkt. Dabei ist er klar unterteilt: In den Untersee, der aus drei ineinander übergehenden Seeteilen besteht: Gnadensee mit dem Markelfinger Winkel im Nordwesten, Zeller See im Westen und Rheinsee im Süden. Sein Hauptzufluss ist der Seerhein und einziger Abfluss der Hochrhein.

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Sämtliche Bereiche auf der anderen Seite der Konstanzer Rheinbrücke gehören zum Obersee – und hier gilt das dreijährige Fangverbot seit dem 1. Januar 2024.

Darum dürfen Felchen im Untersee weiter gefangen werden

Berufsfischer Stefan Riebel von der Reichenau erklärt: „Der Obersee hat weniger Nährstoffe als der Untersee. Grundlage für alles Leben ist Phosphat. Plankton und Wasserpflanzen, also die Nahrung der Felchen, benötigen Phosphor. Und davon gibt es im flachen Untersee mehr als im Obersee.“ Hier gebe es mehr Wasserwechselzonen und natürliche verrottete Schilfgebiete, „und auch aus dem Sediment werden weitere Nährstoffe freigesetzt, die den Felchen als Futter dienen“. Daher seien die Tiere im bis zu mehreren hundert Meter tiefen Obersee dünner, weniger kräftig – und seltener.

Stefan Riebel zeigt zwei Felchen, die er am frühen Montagmorgen im Untersee gefangen hat.
Stefan Riebel zeigt zwei Felchen, die er am frühen Montagmorgen im Untersee gefangen hat. | Bild: Schuler, Andreas

Außerdem gilt am Untersee ein anderes Fischereirecht, basierend auf einem Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz. Der Untersee umfasst nur rund 62 Quadratkilometer gegenüber den 480 Quadratkilometern des Obersees.

„Hier haben wir flache Gewässer, große Wasserwechselzonen und daher eben eine noch bessere Nährstoffsituation.“ Und vor allem diese Zahl überrascht, wie Stefan Riebel erklärt: „Der Untersee hat wegen des flachen Wassers lediglich 0,2 Prozent des Gesamtvolumens des gesamten Bodensees.“

Weniger Stichlinge im Untersee

Der eingeschleppte Stichling, der den Felchen als Fresskonkurrent Probleme bereitet, sei außerdem im Obersee weiter verbreitet als im Untersee. Rückläufige Fangzahlen gibt es indes überall: Vor 20 Jahren fingen die Fischer noch rund 800 Tonnen der Fische im Jahr, 2023 waren es laut Berufsfischer Stefan Keller nur noch etwas mehr als 20 Tonnen – das entspricht einem Rückgang von etwa 97 Prozent.

Wichtig und in der Unterseefischereiordnung klar geregelt: Fischer aus dem Obersee dürfen nun nicht einfach in den Untersee tuckern und hier ihre Netze auf der Jagd nach Felchen auswerfen. „Das Revier ist den 20 Deutschen sowie den rund drei, vier Schweizer Berufsfischern vorbehalten am Untersee und den Hobbyanglern mit Lizenz vorbehalten“, berichtet Stefan Riebel.

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Fischer und Gastronomen am Untersee bleibt derweil nichts anderes übrig, als bei Kunden und Gästen, die von einem Fangverbot am gesamten See ausgehen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Was sie ebenso beobachten, erklärt Stefan Riebel: „Es gibt immer wieder Anfragen für Felchen aus der Gastronomie am Obersee. Doch da muss ich klar nein sagen. Wir haben unseren Laden, unseren Imbiss und darüber hinaus unsere Gastronomien rund um den Untersee, die wir schon immer beliefern. Und leider fangen wir nicht so viel Felchen, dass es auch noch für Überlingen oder Meersburg reicht.“

In der Fischbrutanstalt auf der Reichenau, die vom Fischereiverein Untersee und Rhein betrieben wird und die 2027 ihren 100. Geburtstag feiert, warten mehrere Millionen Felchenbabys auf die Freilassung in den Untersee. Zahlreiche Becken sind gefüllt mit Felchenlaich und werden gehegt und gepflegt – in einem Becken tummeln sich rund 650.000 Larven. „Wenn am Ende von 40.000 Eiern ein Felchen durchkommt, dann sind wir glücklich“, sagt Raphael Gebhard, Leiter der Brutanstalt. „Die meisten werden gefressen.“

Die Felchenlarven wachsen und gedeihen in den Becken. Wenn sie 2,5 Zentimeter groß sind, geht‘s ab zum Überlebenskampf in den ...
Die Felchenlarven wachsen und gedeihen in den Becken. Wenn sie 2,5 Zentimeter groß sind, geht‘s ab zum Überlebenskampf in den Untersee. | Bild: Schuler, Andreas

Sobald die kleinen Fische 2,5 Zentimeter groß sind, kommen sie in den See – vermutlich Anfang Mai. „Das kommt ja auch der Diversität zugute“, sagt Stefan Riebel. „Kormorane, Haubentaucher oder andere Fische profitieren ebenfalls von der Brutanstalt. Wir Berufsfischer fangen nur einen Bruchteil davon.“