Axel Pries

Eine halbe Stunde noch, dann kommt die Maschine aus Skopje, Mazedonien. Am Bodensee-Airport in Friedrichshafen machen sich die Zöllner bereit für 172 Reisende, die verdeutlichen, dass Friedrichshafen auch ein Stück Außengrenze der Europäischen Union, des sogenannten Schengenraums, darstellt. Sie wird von 14 Männern und Frauen bewacht. Was angesichts der übersichtlichen Flugbewegungen nach einem überschaubaren Job aussieht, entpuppt sich bei einem Besuch als Aufgabe mit allem, was internationaler Flugverkehr mit sich bringt: die Suche nach Schmugglern, Straftätern und Steuersündern – verbunden mit viel Papierbewegung und gelegentlicher Verhaftung. Ein Papier liegt vor der Ankunft des Flugzeugs schon bereit: eine Passagierliste, die alle wichtigen Daten enthält – und vielleicht Arbeit.

„Die Kollegen hier haben eine Doppelaufgabe“, erläutert Hagen Kohlmann, Öffentlichkeitsbeauftragter beim Hauptzollamt Ulm, dem das Zollamt Friedrichshafen unterstellt ist. Üblicherweise ist auf Flughäfen nämlich auch die Bundespolizei stationiert – der frühere Grenzschutz. Beide Bundesbehörden arbeiten zusammen, aber haben eine klare Aufgabentrennung: „Bundespolizei ist für die Menschen zuständig, der Zoll für die Waren.“ Bei Bedarf übernimmt die eine mal Aufgaben für die andere Einrichtung, aber in Friedrichshafen gilt ein Sonderfall: „Die Zöllner sind permanent auch als Bundespolizisten im Einsatz.“

Das zeigt sich schon an der Passagierliste, eigentlich eine Sache der Bundespolizei, in Friedrichshafen in den Händen des Zolls. Diese Liste fordert die Europäische Union bei Flügen aus einer Reihe Länder, die als potenziell problematisch eingestuft werden, erklärt der Zollbeamte Kohlmann. Ein automatischer Datenabgleich soll verdächtige Unstimmigkeiten aufzeigen. Auch auf der Liste der Passagiere aus Skopje hat der Computer zwei Namen markiert: Mit den Papieren stimmt etwas nicht. Doch eine genauere Nachprüfung durch die Zollbeamten ergibt: Das Problem liegt nicht bei den Reisenden.

Manchmal aber ergibt der automatische Abgleich auch Treffer. Etwa bei einem Serben, der 2010 in Deutschland wegen schwerer Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war, sich aber in die Heimat abgesetzt hatte. 2015 wollte er seine Mutter in Deutschland besuchen – und war verblüfft, als bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Friedrichshafen die Handschellen klickten. Er dachte, sie hätten ihn vergessen, erzählte der Serbe den Beamten. „Hatten wir aber nicht“, sagt Zollamtmann Herbert Kasper schmunzelnd. Eine auffällige Geschichte, aber keine Ausnahme. 400 Beanstandungen wiesen die Passagierlisten vergangenes Jahr aus. Es gab 32 Festnahmen.

Zollamtmann Kasper zeigt eine andere Liste: eine mit hohen Geldbeträgen und verblüffendem Hintergrund. Dass der Zoll für bestimmte Güter Einfuhrzoll kassiert, die mit dem Flugzeug ankommen, ist bekannt. Die größten Beträge stammen aber von Flugzeugen selbst. Es geht um Mehrwertsteuer: Wird ein im Ausland produziertes Flugzeug in Deutschland in Betrieb genommen, muss am ersten Flughafen die fällige Mehrwertsteuer entrichtet werden. Das sind stets Hunderttausende, die sich 2015 in Friedrichshafen immerhin auf 3,5 Millionen Euro summierten. Kurioser Fall: Ein „Einführer“, erzählt Pressesprecher Kohlmann, legte die fälligen 155 000 Euro vor den verblüfften Beamten in Bar auf den Tresen des Zollamtes. Unter polizeilicher Bewachung ließen die Zöllner das Geld nach Friedrichshafen in eine Bank bringen.

15 Uhr: Das Flugzeug aus Skopje ist gelandet. Das bedeutet eine Stunde intensive Kontrollarbeit. Herbert Kasper und ein Kollege, der Zollbetriebsinspektor Arnold Berendt, haben in den Schalterhäuschen Platz genommen. Wer von außerhalb der EU nach Deutschland will, muss an ihnen vorbei. Die beiden Beamten interessieren sich nicht nur für Pässe und Visa. Sie fragen auch nach Geld, lassen sich zeigen, wie viel die Reisenden dabei haben. 50 Euro müssen es mindestens sei – der Mindestbetrag, erklärt Herbert Kasper, um durch Deutschland zu einem Ziel, etwa Verwandten, zu reisen. Die Kontrollen dauern, nur langsam bewegt die Schlange sich weiter. Ein Lächeln beim Zöllner entspannt manch angespannten Ankömmling. Gegenseitig helfen Reisende einander bei Sprachproblemen.

Nebenan tauchen auf dem Laufband die ersten Koffer auf. Zollbeamte bauen sich am Ausgang auf, flößen durch Haltung und Pistole an der Hüfte durchaus Respekt ein. Die meisten Reisenden lassen sie beim Verlassen des Zollbereichs passieren. Das ist normal. Wer etwas zu verzollen hat, soll sich freiwillig melden. Aber: „Wenn einer auffällig ist, zum Beispiel nervös, dann schauen wir genauer hin“, erklärt Pressesprecher Kohlmann. Der berühmte gute Riecher spielt eine Rolle. Ein paar Stichproben machen die Beamten auch so, durchleuchten die Koffer am Röntgengerät, wühlen sich durch Wäsche und Reisemitbringsel. Sie fördern Stangen Zigaretten und Medikamente hervor. Aber es ist nichts Verbotenes dabei.

Als die meisten Passagiere durch sind, herrscht kurz doch kurz Aufregung: Zwei Männer haben viel Geld dabei. Zu viel? Bis 10 000 Euro darf man unangemeldet mitnehmen. Alles darüber muss gemeldet werden. Vergangenes Jahr entdeckten Zollbeamte 14 Mal größere Geldbeträge: 186 000 Euro insgesamt. Die werden dem Finanzamt gemeldet, die Besitzer müssen sich dann erklären. Diesmal aber zählt der Zollsekretär Christian Walter bei jedem der beiden Reisenden 9500 Euro nach. Damit wollen sie ein Auto kaufen, erklären sie. Pressesprecher Kohlmann schmunzelt: „Die kennen sich gut aus.“ Ein ganz normaler Tag also.

Kurioses vom Zoll

  • Als vier Asiaten mit japanischen Pässen einreisten, hatten die Zöllner am Bodensee-Airport Zweifel und überprüften die Pässe im Hinblick auf Fälschungsmerkmale, konnten aber keine Unregelmäßigkeiten feststellen. Das Bauchgefühl blieb aber. Ein Trick entlarvte sie: Man bat die Männer, ein japanisches Merkblatt mit Personaldaten auszufüllen. Das taten die so konfus, dass klar wurde: Sie konnten kein Japanisch lesen. Bei weiterer Überprüfung entpuppten sich die Pässe als sehr professionelle Fälschungen. Die Männer waren Chinesen, wurden festgenommen und der Bundespolizei übergeben.
  • Ein Deutscher hatte nicht weniger als 34 Stangen Zigaretten von den Kanarischen Inseln in der Reisetasche. Seine Erklärung: Fußballkameraden hatten eine Bestellung bei ihm aufgegeben. Folge: ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung.
  • Traurig: Ein Mann hatte zwei lebende Schildkröten im Gepäck. Alle Panzeröffnungen waren mit Klebeband zugeklebt. Es gab ein Strafverfahren, die Schildkröten kamen ins Tierheim.