Der Bodenseefischerei droht ein leises Sterben: Die Situation sei aussichtslos, sagte Wolfgang Sigg, Vorsitzender des Internationalen Bodensee-Fischereiverbands (IBV) jüngst anlässlich der Hauptversammlung im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen.
Wurden 2021 noch etwa 100 Tonnen Felchen gefangen, brach der Ertrag im vergangenen Jahr auf 21 Tonnen ein und lag damit nahezu 90 Prozent unter dem Mittelwert der vergangenen zehn Jahre. Für 2023 liegen noch keine Zahlen vor, aber die Fangerträge sind weiter massiv zurückgegangen. Der Brotfisch drohe aus dem Bodensee zu verschwinden, sagte Sigg.

Wie Gallus Baumgartner, Berufsfischer aus der Schweiz, berichtete, habe sich beim traditionellen Laichfischfang im Dezember nicht wie üblich fünf, sondern nur ein einziges laichfähiges Felchen in jedem Netz verfangen. Der Laichfischfang fiel aus – und das zum zweiten Mal seit 2018. Die Folge: Die Internationale Bevollmächtigten Konferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) beschloss im Juni 2023 ein dreijähriges Felchenfangverbot in der Hoffnung, dass sich die Bestände erholen. Das sei nachvollziehbar, sagte Sigg. Er hoffe, dass 2027 keine neuen Beschränkungen kommen.
Nicht nur Felchen verschwinden aus dem Bodensee
Doch nicht nur die Felchen verschwinden aus dem See, auch der Fangertrag anderer Fischarten ist rückläufig. So ging nur kleine Mengen Saiblinge und Trüschen ins Netz. Auch die Kretzer-Saison brachte wie im Vorjahr keine nennenswerten Erträge. Lediglich der Fang von Hechten und Welsen sei zufriedenstellend gewesen, sagte Sigg.
Manche Fischer haben sich deshalb auf Rotaugen konzentriert und besonders in Deutschland dafür einen Markt aufgebaut. Vor diesem Hintergrund wird mit Spannung der diesjährige Laichfischfang der Felchen erwartet. Viel Hoffnung haben die Berufsfischer nicht. Die Zukunft sehe düster aus, sagte Baumgartner.
Schutzstatus wie Elefanten und Nashörner
Selbst der Aal, ein seit Jahrtausenden im Bodensee heimischer Fisch, ist nicht nur hier, sondern europaweit eine vom Aussterben bedrohte Art und genieße inzwischen einen Schutzstatus wie Elefanten und Nashörner, wie Jan Baer von der Fischereiforschungsstelle in Langenargen berichtete. Nur noch vier Tonnen Aale werden jährlich gefangen.
Während die Jungaale auf ihrem Weg von der Sargassosee, wo sie geboren wurden, zurück in den Bodensee auf dem Landweg den Rheinfall überwinden konnten, stellen sich ihnen heute zahlreiche Wasserkraftanlagen in den Weg. Auch kommen Aale aus dem Bodensee nur noch selten zum Laichen in den Meeren an. Aale, die heute gefangen werden, wurden in den 90er-Jahren eingesetzt, danach wurde der Besatz vernachlässigt. „Ihr müsst euch auf neue Schonzeiten und Schonmaße einstellen“, gab Baer den Fischern zu bedenken.
„Das gesamte Ökosystem ist in Gefahr zu kollabieren“
Während die Aale an verbauten Flüssen scheitern, verhungern die Felchen im Bodensee, ist die einhellige Meinung der Branche. Und deshalb werde auch das Fangverbot nicht viel bringen. Der niedrige Phosphatgehalt führt zu einer extremen Nährstoffarmmut, die durch die Quagga-Muschel noch verstärkt wird. Der invasive Eindringling filtert die letzten Nährstoffe aus dem Wasser. „Das gesamte Ökosystem ist in Gefahr zu kollabieren“, fürchtet Baumgartner.
Als wäre die gefräßige Muschel nicht genug, vermehrte sich in den vergangenen Jahren auch der Stichling explosionsartig im See. Er ist nicht nur Nahrungskonkurrent, sondern ernährt sich auch von Eiern und Larven anderer Fischarten. Um dem kleinen stachligen Fisch Herr zu werden, soll er gemäß Jan Baer zukünftig mit Schleppnetzen eingefangen werden. In der Schweiz laufen diesbezüglich bereits Versuche, ihn zu Fischmehl oder Katzenfutter zu verarbeiten.
Mit Echoloten wurden die Schwärme in fünf bis 25 Metern Tiefe entdeckt, wo sie im September und Oktober als einzige Fische in dieser Schicht zu sehen waren. Selbstverständlich werde man auf eventuellen Beifang achten, betonte der Wissenschaftler und die Aktion, sollte dieser ansteigen, würde sofort wieder eingestellt.
Eine weitere Maßnahme, um das Felchen vor den Stichlingen zu schützen, ist ihre Größe beim Einsetzen in den Bodensee. Sind die Larven bereits 33 bis 35 Millimeter groß, können sie nicht mehr gefressen werden.
Ruf nach internationalem Kormoranmanagement
Doch egal wie groß der Fisch, gefressen wird er vom Kormoran. 6000 Kormorane am See seien zu viel, findet Wolfgang Sigg. „Sie fischen schwarz, ohne Kurtaxe zu bezahlen“, sagte er. Doch lustig findet das Thema keiner und niemand versteht, warum es nach wie vor kein internationales Kormoranmanagement gibt, zumal die Kormorane laut IBF mehr Fische fressen, als die Berufsfischer fangen.

Steuergelder wurden in Studien investiert und ein Dialogprozess „Kormoran und Fisch“ sollte einen Konsens finden, wie mit den schwarzen Vögeln zukünftig umgegangen wird. Geschehen sei bisher nichts, sagte Mathias Stenzel. Als Vertreter der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Bodensee Sportfischervereine fürchtet er, dass sämtliche Bemühungen, die Fischbestände zu hegen und zu pflegen zunichtegemacht werden.
„Der Bodenseefisch ist ein Kulturgut“, sagte Wolfgang Sigg und wies auch auf seine Bedeutung für die Gastronomen hin. Als er vor 31 Jahren das Amt des ersten Vorsitzenden der IBF übernommen hatte, gab es 180 Berufsfischer am See. Jetzt seien es nur noch 64. „Es ist ein leises Sterben“, stellte er fest.