Fünf neue Hotels mit mehr als 750 neuen Betten? „Die Frage, ob Friedrichshafen weitere Hotels und Bettenkapazitäten benötigt oder verträgt, ist eine wirtschaftliche Frage, die sich in erster Linie die Betreiber stellen müssen.“ So antwortet das Rathaus auf eine Anfrage des SÜDKURIER.
Zwei Hotels in Regie städtischer Unternehmen
Dabei mischen zwei Unternehmen aus dem direkten Einflussbereich der Stadt kräftig mit. Die Zeppelin Wohlfahrt will am Fischbacher Seeufer eine neue Hotelanlage mit 62 Zimmern neben der denkmalgeschützten Villa Gminder bauen, wo früher die Diakonissen ein Erholungsheim betrieben haben. Und im Fallenbrunnen gehört ein sogenanntes Boardinghouse mit voraussichtlich 92 Zimmern mit zum Konzept für „Neues Arbeiten und Wohnen“, das die Städtische Wohnungsbaugesellschaft (SWG) umsetzt. Beide Hotelprojekte laufen allerdings schon seit Jahren, die Betriebe sollen verpachtet werden.
Bereits im Bau ist das 'Lukullum' an der Friedrichstraße, das neben Restaurant und Skybar auch 90 Hotelzimmer bieten wird. Keine 100 Meter weiter soll ein „me and all“-Hotel der Lindner-Gruppe mit mindestens 150 Zimmer entstehen. Für das geplante Hochhaus gibt es aber noch kein Baurecht. Eigentümer des Grundstücks am ehemaligen Schlossgarten-Hotel sind drei Häfler, die gleichzeitig als Projektentwickler auftreten und ihre Pläne vor kurzem öffentlich gemacht haben. Das fünfte Hotelprojekt – ebenfalls in Fischbach – wurde vergangene Woche publik: Der Eigentümer der Pilsbar „Graf Zeppelin“ will die Kneipe abreißen und aus dem Neubau ein Luxushotel unter dem Namen 'Lord Z' mit 60 Zimmern machen.
Braucht es in Friedrichshafen so viele neue Hotels? „Hätten Sie mich vor zwei Jahren gefragt, sähe die Antwort vielleicht anders aus“, sagt Uwe Felix, Inhaber der „Traube am See“ in Fischbach. Er ist zugleich stellvertretender Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga im Bodenseekreis. Bis 2019 wuchsen nicht nur die Tourismus- und Gästezahlen von Jahr zu Jahr, sondern „vom Gefühl her auch die Bäume in den Himmel“, sagt der Fischbacher Hotelier. Doch mit der Corona-Krise habe sich das Blatt gewendet.

Uwe Felix rechnet mit deutlich weniger Geschäftsreisenden, weil Treffen nun auch virtuell zum Standard geworden sind. Das bestätigt ein ZF-Sprecher: Es werde „gewiss mehr virtuelle und weniger Präsenz-Meetings geben, wenngleich der persönliche Austausch weiterhin eine Rolle spielen wird.“ Dabei war es in der Vergangenheit immer dann schwierig, größere Besuchergruppen in Friedrichshafen und Umgebung unterzubringen, wenn zeitgleich besucherstarke Messen waren. Ob solche Auslastungsspitzen zusätzliche Beherbergungskapazitäten rechtfertigen, „können wir nicht bewerten“, sagt der ZF-Sprecher auf Anfrage.
Die Messe selbst „freut sich ganz generell über jede weitere Kapazität am Standort“, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Je mehr Messegäste in Friedrichshafen übernachten könnten, desto weniger müssen sie ins Umland ausweichen. Aber auch das Messe- und Konferenzgeschäft sieht Uwe Felix künftig nicht mehr auf dem Volumen wie vor der Pandemie. Damit gebe es herbe Einschnitte in zwei wichtigen Gästesegmenten, die die Hotels ganzjährig belebt haben. Das heißt künftig: Im Winterhalbjahr ist „tote Hose“, sofern ein Gasthaus nicht wenigstens einen schönen Spa bieten kann. So fällt seine Antwort auch aus: „Der Hotelmarkt in Friedrichshafen verträgt weitere Zimmer, aber nur an 60 bis 80 Tagen im Jahr, wenn die Touristen kommen.“ Denn die fahren im Winterhalbjahr lieber woanders hin.
Klarer wird Annette Driesen auf die Frage, ob die Stadt noch mehr Hotels braucht. „Nein, braucht es nicht“, sagt die Vorsitzende der „Bodensee-Hotels“, einer Kooperation von 70 bis 80 Hotels in der Euregio Bodensee. Denn man dürfe nicht nur die wenigen Tage im Jahr betrachten, an denen es in Friedrichshafen kein freies Bett mehr gibt. 60 Prozent Geschäftsreisende, 40 Prozent Touristen: „Das wird sich in den nächsten zwei bis drei Jahren komplett ändern“, sagt sie. Und mit jedem zusätzlichen Neubau werde es einen Verdrängungswettbewerb geben.
„Neue Hotels schaffen keine neue Nachfrage“
Das sieht auch Uwe Felix so. „Die neuen Hotels schaffen ja keine Nachfrage, sondern wollen mit einem guten Konzept ein möglichst großes Stück vom Kuchen ab haben. Für den einzelnen Hotelier bleibt damit natürlich weniger übrig“, sagt er. In der Stadt werden 37 von 44 Hotels vom jeweiligen Inhaber geführt. Dass mancher Gastgeber in den touristischen Boom-Jahren gut verdient und wenig investiert hat, streitet er auch als Dehoga-Vertreter nicht ab. Doch das sei nicht die Masse.
Als beliebte Hotels ausgezeichnet
Uwe Felix selbst hat in den vergangenen Jahren viel investiert, zuletzt in einen Neubau mit 27 Zimmern. Für die „Traube am See“ und das Ringhotel Krone in Schnetzenhausen schlagen sich die Bemühungen, am Puls der Zeit zu bleiben, nieder. Beide Häuser wurden Ende Februar mit dem „HolidayCheck“-Award ausgezeichnet und gehören damit zu den zehn beliebtesten Hotels in Baden-Württemberg.
Wettbewerb, sagt der Fischbacher Hotelier in dritter Generation, sei grundsätzlich nicht schlecht, auch weil er motiviert. „Aber ich will noch eine Chance haben, an dem Spiel teilzunehmen.“ Mit großen neuen Häusern am Platz, die dank moderner Strukturen im Haus auch viel effizienter arbeiten können, werde das zunehmend schwieriger. „Jedes Haus, das zusätzlich kommt, ist eine Belastung für den Markt, egal wer es baut.“