So einen Medienrummel hatten die Mitglieder des AfD-Kreisverbands Bodenseekreis am Dienstagabend im Friedrichshafener Graf-Zeppelin-Haus nicht erwartet. In einem kleinen Tagungsraum drängten sich Pressevertreter, die Wind von der Nominierungsversammlung bekommen hatten, auch ohne dass die AfD den Termin öffentlich gemacht hatte. Etlichen Kamerateams, darunter von ZDF, SWR und Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), Fotografen und Reporter wurde Einlass gewährt – „27 Gäste“, wie Versammlungsleiter Markus Frohnmaier, Landesvorsitzender AfD Baden-Württemberg, offiziell verkündete.

Das öffentliche Interesse war begründet in der Person Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD. Torsten Peters, AfD-Gemeinderat aus Überlingen, fragte sie, ob man im Bodenseekreis im Sommer den Besuch der neuen Kanzlerin erwarten dürfe. Weidel wiegelte ab. Noch sei es nicht so weit, dass sie tatsächlich mit der Kanzlerschaft rechne. Mit Verweis auf die Entwicklungen in Österreich machte sie den AfD-Mitgliedern im Raum jedoch Hoffnung. André Eduard Könninger, Vorsitzender im Ortsverband Ost, sagte dem SÜDKURIER: „Alice ist genau die richtige als Bundeskanzlerin.“
So selten, wie Weidel bisher in ihrem Wahlkreis bei öffentlichen Auftritten oder Wahlwerbung auf der Straße zu sehen war, so wenig wird sie in diesem kurzen Wahlkampf bis zur Bundestagswahl vor Ort präsent sein. Weidel warb bei ihren Parteifreunden um Verständnis dafür. Gleichwohl stand sie am Dienstag einem Filmteam des ZDF für Aufnahmen an ihrem offiziellen Wohnsitz Überlingen zur Verfügung, wohl, um Heimatverbundenheit zu inszenieren. Politische Themen, die originär und nur den Bodenseekreis betreffen würden, benannte Weidel bei der Nominierungsversammlung im GZH Friedrichshafen nicht. Sie versprach jedoch: „Ich bin für Euch immer ansprechbar. Das weiß Detlev“, womit sie den Kreisvorsitzenden Detlev Gallandt meinte.
Das parteiinterne Interesse an der Nominierung ihrer Direktkandidatin beschränkte sich auf 38 wahlberechtigte Mitglieder, die aus dem Kreisverband Bodenseekreis sowie Teilen des Landkreises Sigmaringen kommen. Um die Größe des Kreisverbands Bodensee machte die AfD bisher ein Geheimnis. „Einzelne Mitglieder fehlen heute Abend“, sagte André Eduard Könninger. Auf die Frage, wie viele Mitglieder der Kreisverband zähle, sagte er: „Insgesamt sind wir, glaube ich, 120.“ Zum Vergleich: Der SPD Kreisverband hat laut eigenen Angaben 515 Mitglieder, und zur Nominierungsversammlung ihres Bundestagskandidaten Leon Hahn kamen etwa 60 Mitglieder.
Weidel begrüßte an dem Abend ein Neumitglied persönlich. „Ich spreche Dich jetzt nicht mit Namen an“, sagte sie und verwies auf die Journalisten im Raum, mitbedenkend, dass es der Person vielleicht unangenehm sein könnte, als neues Mitglied der AfD mit Namen in der Öffentlichkeit bekannt zu werden.
Die Wahl von Alice Weidel zur Direktkandidatin des Wahlkreises Bodensee bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 war reine Formsache. Nachdem zuvor im Schnelldurchgang alle fürs Wahlprozedere notwendigen Regularien abgearbeitet waren, kam auf die Frage von Frohnmaier, ob es einen Vorschlag für die Nominierung eines Kandidaten oder einer Kandidatin gebe, nur eine Antwort: Weidel. Begeisterter Applaus, weitere Bewerber gab es nicht.

Alice Weidel sprach von einer großen Ehre und dankte den Mitgliedern für das Vertrauen „und dass ihr mir den Rücken stärkt, obwohl ihr wisst, dass ich bundesweit so viele Verpflichtungen habe und nicht so oft vor Ort sein kann, wie ich es eigentlich sehr gerne machen würde als Direktkandidatin“. Gemessen daran, was Direktkandidaten anderer Parteien an Wahlkreis-Präsenz üblicherweise an den Tag legen, ist Alice Weidel selten zugegen.
Die Wahl Weidels verlief erwartungsgemäß: Von den 38 anwesenden stimmberechtigten Mitglieder des AfD-Kreisverbands Bodenseekreis gaben 37 ihre Stimme ab. „Bei einer Enthaltung hat Frau Weidel damit 100 Prozent der Stimmen erreicht“, so der Versammlungsleiter, mit dem Hinweis, dass laut Wahlverfahren Enthaltungen nicht mitgezählt werden.
Damit zieht Alice Weidel ganz offiziell als AfD-Direktkandidatin für den Wahlkreis Bodensee in den kurzen Bundestagswahlkampf. Die größere politische Bühne allerdings wartet in Berlin. Für den AfD-Vorstand steht Parteichefin Alice Weidel als Kanzlerkandidatin bereits fest. Das muss der AfD-Bundesparteitag am 11. und 12. Januar im sächsischen Riesa noch bestätigen. Aber auch das gilt als reine Formsache.