Es gibt wohl keinen verwunscheneren Ort zum Wohnen und Leben in Friedrichshafen als die Blaue Blume im Fallenbrunnen. Acht Frauen und Männer haben hier in Bau- und Zirkuswagen ein unkonventionelles Zuhause gefunden, auf einem kleinen, eingewachsenen Areal vor dem Heizhaus der ehemaligen Flakkaserne. Wer durch den Eingangsbogen geht, betritt eine andere Welt.
Neuer Bauantrag wird geprüft
Derzeit ist es in der Schwebe, wie und vor allem an welchem Ort es für das Wohn- und Kreativprojekt weitergeht. „Das Gelände gehört der Stadt. Die Zeppelin-Universität (ZU) hat es von der Stadt gepachtet und an den Verein Blaue Blume untervermietet“, teilt ZU-Sprecher Michael Scheyer auf Anfrage mit. Einfach so Wagen aufzustellen geht nicht, dazu braucht es eine Baugenehmigung – und die ist Ende 2023 abgelaufen. Ein neuer Antrag wurde bei der Stadt eingereicht. „Dieser ist derzeit in Prüfung. Ob die Stadt Friedrichshafen künftig einen direkten Vertrag mit der Blauen Blume schließt, ist noch nicht entschieden“, sagt die städtische Pressesprecherin Monika Blank auf Anfrage.

Die ehemalige Kaserne ist derzeit die letzte große Fläche für eine grundlegende städtebauliche Entwicklung Friedrichshafens und ist als „Zukunftsquartier Fallenbrunnen“ Gegenstand der politischen Debatte. Passt da ein Projekt wie die Blaue Blume überhaupt noch rein? Offenbar ja: „Die Blaue Blume als Wohn- und Kulturprojekt trägt zur Nutzungsmischung im Gebiet bei“, heißt es seitens der Stadtverwaltung.
Zwei alternative Standorte
Der Gemeinderat hatte die Verwaltung 2017 beauftragt, einen endgültigen Standort im Fallenbrunnen Nordost zu finden, der sich auch für Abend-Veranstaltungen eignet. „Im Rahmen der Überarbeitung des Siegerentwurfes für die Entwicklung des Fallenbrunnens Nordost wurden zwei Alternativstandorte vorgeschlagen“, so die städtische Pressesprecherin, „die Verwaltung steht jedoch auch anderen Standorten im Fallenbrunnen offen gegenüber. Bis der zukünftige und dann endgültige Standort festgelegt und auch genutzt werden kann, soll die Blaue Blume am bisherigen Standort bleiben.“

Seit Oktober 2024 ist Paula Beil mit ihrem Bauwagen aufs Gelände gezogen. Die 28-jährige gelernte Gärtnerin stammt aus Würzburg und betreut gerade ehrenamtlich einen Garten des Naturschutzzentrums Eriskirch. Ab Herbst will sie in Konstanz ein Studium der Soziologie und Ethnologie beginnen. Paula Beil hat mit der Blauen Blume ihren Traumort gefunden. „Hier lebe ich inmitten der Natur“, sagt sie, während ringsum Vogelstimmen zu hören sind.

Bei der Namensgebung haben die Gründerinnen und Gründer 2013 tief in der Literaturgeschichte geschürft. Der Begriff „Blaue Blume“ ist ein Symbol der deutschen Romantik und steht für Sehnsucht, Liebe und das Streben nach dem Unerreichbaren.
Der Geist des Anfangs lebt weiter
Die ersten Generationen der Blauen Blume sind bereits weitergezogen, doch der Geist des ungewöhnlichen Wohn- und Kulturprojekts lebt im Fallenbrunnen weiter. „Die Blaue Blume ist ein Versuch, der Welt ihren Zauber zurückzugeben. Sie will wieder träumen lernen und diese Träume auch umsetzen, neue Wege gehen und Stadt gestalten“, heißt es auf der Internetseite des Vereins, „sie ist ein freier Raum der Reflexion, des Planens, des Umdenkens und des Tatendrangs.“

„Wer mal in der Blauen Blume gewohnt hat, möchte nicht mehr konventionell wohnen“, sagt Jeffrey Rose nach zweijähriger Erfahrung. Sein Studium der Elektrotechnik hat der 25-Jährige vor zwei Jahren abgeschlossen. Nun arbeitet er als Projektmanager und Ingenieur bei einer Firma in Lindau. „Wir sind keine Rebellen, wir wollen legal hier leben“, sagt er. Das sahen die Blauen Blumen der ersten Stunde noch anders, als diese 2015 mit ihren Bauwagen einfach eine Obstwiese in Manzell besetzten und sich keinen Kopf um Genehmigungen machten. Auch um den politischen Entscheidungsprozess voranzubringen, denn das Projekt war umstritten.

Nach dem erzwungenen Stillstand während der Corona-Jahre hat sich vor dem Heizhaus wieder ein lebendiger Kultur- und Begegnungsort entwickelt. Eine überdachte Terrasse mit Theke, Stühlen und Sofa bildet die „Eckkneipe“. Hier treffen sich Bewohner, Freunde und Gäste – alle sind willkommen, in entspannter Runde etwas zu trinken und sich zu unterhalten.

„Wissens- und Kommunikationshürden abbauen“: Das ist nicht nur Jeffrey Rose ein Anliegen. Die Blaue Blume soll eine „Ermöglichungsplattform“ sein. „Es ist irre, was ich hier schon von anderen gelernt und erfahren habe“, sagt er. Nach dem Motto „Jeder kann etwas“ entsteht so im Miteinander Neues, in der Regel aus gebrauchten Materialien.
Bauwoche als nächstes Projekt
Jetzt steht die Bauwoche an. Neben der Instandhaltung und Sanierung von Räumen im Küchenbus, der Sauna oder der Werkstatt soll auch eine neue Solaranlage in Betrieb genommen werden. 25 Mitstreiter haben sich schon angemeldet, weitere sind willkommen.

In der offenen Werkstatt kann das Jahr über nach Herzenslust gesägt, geschraubt und gebastelt werden. Der Container ist hervorragend mit Werkzeugen und Material ausgestattet. Einmal monatlich gibt es die offene Fahrradwerkstatt. „Wir sind da professionell ausgerüstet“, sagt Jeffrey Rose.