Dieser Akt ist berühmt. Vorn die junge Frau mit makelloser Haut und einem aufreizenden Lächeln. Im Hintergrund schemenhaft eine alte Frau, deren Kopf eher einem Totenschädel ähnelt. Das Gemälde „Vanitas – Jugend und Alter“ von Otto Dix, entstanden 1932, ist ein zentrales Werk seines Schaffens, in dem er immer wieder das Thema Vergänglichkeit aufgriff.

99 Prozent lagern im Depot

Das Bild ist eines der wenigen Dix-Werke, das das Zeppelin Museum in seiner Kunstausstellung zeigen kann. Mehr als 400 Arbeiten allein dieses Künstlers lagern im Depot, finden nur sporadisch ins Licht der Öffentlichkeit. Denn die Ausstellungsfläche des Museums reicht nicht, um all die Schätze in seiner Kunstsammlung zu zeigen. Dazu gehören auch große Bestände der Künstler Andreas Feininger, Max Ackermann oder Willi Baumeister. Insgesamt 4000 Exponate umfasst die Sammlung. Nur 40 sind dauerhaft ausgestellt – ein Prozent!

Wenn Museumschefin Claudia Emmert darüber spricht, klingt nicht nur Wehmut, sondern auch Sorge mit. Ein Viertel der repräsentativen Dix-Sammlung in Friedrichshafen, auch die „Vanitas“, gehört der Kulturstiftung der ZF Passau. Neben vier Ölgemälden sind das 64 Lithografien, 15 Radierungen, sieben Zeichnungen und ein Holzschnitt. Alles Arbeiten, die der Künstler zwischen 1912 und 1969 schuf. Die hat die Stiftung in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre gekauft und „seit vielen Jahren an das Zeppelin Museum Friedrichshafen ausgeliehen“, sagt deren Vorsitzender Gernot Hein.

Dix-Ausstellung in Passau

Fast alle diese Werke treten demnächst die Reise nach Bayern an. Sie werden vom 25. Juli bis zum 12. Oktober im Museum Moderner Kunst Wörlen in Passau in einer Dix-Ausstellung zu sehen sein – auch die „Vanitas“, die dann im Zeppelin Museum eine Lücke reißt.

Claudia Emmert, Direktorin und Geschäftsführerin des Zeppelin Museums Friedrichshafen, verlässt Friedrichshafen Ende des Jahres, um ...
Claudia Emmert, Direktorin und Geschäftsführerin des Zeppelin Museums Friedrichshafen, verlässt Friedrichshafen Ende des Jahres, um Intendantin des Kunstmuseums Bonn zu werden. | Bild: Cuko, Katy

Für Claudia Emmert könnte das sogar ein Vorbote dafür sein, dass die Dix-Werke insgesamt aus dem Zeppelin Museum abgezogen werden könnten. „Über den Mangel an Ausstellungsfläche gerät das Museum in Gefahr, wichtige Exponate zu verlieren. Darunter ist auch die ‚Vanitas‘ von Otto Dix, eines der herausragenden Werke der Sammlung.“ So hat das die Geschäftsführerin des Zeppelin Museums zumindest im aktuellen Beteiligungsbericht der städtischen Unternehmen formuliert.

Leihgeber erwartet Ausstellung

„Leihgaben sind immer ein Risiko“, erklärt Claudia Emmert. Denn die Erwartung des Eigentümers ist natürlich hoch, dass die Werke auch ausgestellt und nicht in einem Depot verwahrt werden. Was Dix auf Leinwand und Papier gebracht hat, kann seit fast 30 Jahren aber nur temporär gezeigt werden, so wie 2016 bei der großen Werkschau im Zeppelin Museum oder im Jahr darauf in der Kunstgalerie Tate in Liverpool.

Ein Projekt auf dem Abstellgleis

Als der Gemeinderat im Dezember 2018 einstimmig den Bau eines Kunsthauses beschloss, war Claudia Emmert überglücklich und die Hoffnung groß, der Sammlung endlich eine größere Sichtbarkeit und dem Zeppelin Museum ein museales Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen. „Wir haben tolle Werkkomplexe. Das von Andreas Feininger wird sehr oft ausgeliehen und ist überall zu sehen. Nur nicht bei uns“, sagt Claudia Emmert. 2019 begannen die Planungen für den Museumsanbau, unterstützt von professionellen Beratern aus Wien. Doch dann ging nichts weiter. Seither steht das Projekt auf dem Abstellgleis.

Wenn das Gebäude rechts weicht, wäre Platz für das Kunstmuseum direkt neben dem Zeppelin Museum (linkes Gebäude).
Wenn das Gebäude rechts weicht, wäre Platz für das Kunstmuseum direkt neben dem Zeppelin Museum (linkes Gebäude). | Bild: Cuko, Katy

Das einzig Greifbare ist eine erste Machbarkeitsstudie zu den baulichen Möglichkeiten in der Nachbarschaft. Die Idee ist, das Kunstmuseum anstelle des derzeit vom Zoll genutzten Gebäudes am Fähranleger zu platzieren. Aber wann? Auf Nachfrage verweist das Rathaus auf den Gemeinderat. Im Haushalt für 2025 und 2026 werde festgelegt, welche Investitionen vorgesehen sind. „Daraus ergibt sich dann auch der Zeitplan für die jeweiligen Projekte.“

Licht am Horizont

Für Claudia Emmert ist trotzdem Licht am Horizont. Sie spürt neuen Schwung in der Sache. Auch wenn es finanziell enger wird, nun Pflicht vor Kür gelten soll: Aus ihrer Sicht wäre das Kunstmuseum eine richtige Investition in die Kulturstadt Friedrichshafen.

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Technik, Innovation, Kunst: Am Konzept, wie man das Zeppelin Museum inklusive seiner Kunstsammlung neu aufstellen kann, wird seit Jahren gearbeitet. „Da mussten wir nicht bei null anfangen“, sagt sie. „Es ist eines meiner Ziele, das zusammenzutragen, was wir da bisher erarbeitet haben.“ Denn mit dem Bau eines Kunsthauses neben dem Museum wäre nicht nur Platz, um endlich die größte Kunstsammlung am Bodensee zu zeigen. Im Zeppelin Museum selbst würde Ausstellungsfläche frei, um dem Technikmuseum mehr Raum und einen neuen Fokus zu geben.

Viel Zeit bleibt nicht. Die Direktorin wechselt zum 1. Dezember dieses Jahres nach Bonn, wo sie die neue Intendantin im Kunstmuseum wird.