Politik ist ein mühsames Geschäft. Um Ziele durchzuboxen, braucht es nicht nur eine Mehrheit im Gemeinderat, sondern auch eine Stadtverwaltung, die Beschlüsse mit Kraft umsetzt. Beides war in den vergangenen fünf Jahren, die stark von der Corona-Pandemie geprägt wurde, oftmals schwierig.

Doch die Frage ist berechtigt: Welche ihrer Vorhaben konnten die Parteien und Wählervereinigungen seither umsetzen? Vor der Wahl 2019 hatte unsere Redaktion alle acht Listen auf dem Wahlzettel gebeten, fünf Gründe zu nennen, warum Bürger ihre Kandidaten wählen sollten. Heute schauen wir nach: Ziele erreicht?

Netzwerk legt mit voller Kraft los

Die neue Fraktion war angetreten, „die Innenstadt lebhafter, lebenswerter und grüner“ zu gestalten. Zwei konkrete Ziele waren gebührenfreies Parken für 90 Minuten und die Einführung eines 1-Euro-Tagestickets. Beides ging nicht durch den Rat. Dafür haben sich mit dem neuen Buskonzept, das der Stadtverkehr seit Januar 2024 fährt, die Anbindungen in alle Ortsteile tatsächlich verbessert.

Andere Vorhaben, die das Netzwerk auf dem Zettel hatte, harren ihrer Umsetzung. Schulhöfe, die zur Bewegung einladen? Nur zwei wurden in den vergangenen Jahren umgestaltet, am Karl-Maybach-Gymnasium und der Pestalozzischule. Die To-do-Liste ist viel länger. Und auch eine „zeitgemäße digitale Infrastruktur“ in den Schulen bleibt ein Vorhaben. Was den „naturnahen Hochwasserschutz an der Rotach“ anbetrifft, so gibt es inzwischen einen Plan, dessen Umsetzung aber gerade erst begonnen hat.

Bei den Grünen dominieren grüne Themen

Umfangreiche Klimaschutzmaßnahmen„: So ließ sich das Wahlprogramm der Grünen 2019 überschreiben. Konkret wollten sie sich beispielsweise für 30 Prozent mehr Grünflächen in Friedrichshafen einsetzen. Parkplätze entsiegeln gelingt aber noch nicht.

Durchgesetzt hat die zweitstärkste Fraktion im Häfler Gemeinderat aber eine Begrünungs- und eine Baumschutzsatzung. Dass es an allen städtischen Kitas und Schulen ein frisch zubereitetes und gesundes Essen aus regionalen Zutaten möglichst aus ökologischem Landbau gibt, bleibt nur ein Wunsch.

Das Rathaus in Friedrichshafen mit dem Sitzungssaal für den Gemeinderat (rechts).
Das Rathaus in Friedrichshafen mit dem Sitzungssaal für den Gemeinderat (rechts). | Bild: Cuko, Katy

Ansonsten versuchten die Grünen, mit vielen Anträge eigene politische Akzente zu setzen, die allerdings nur selten eine Mehrheit im Rat fanden. So wie beim Thema Parkgebühren, das auch in dieser Wahlperiode ein zu heißes Eisen war.

CDU bleibt bei den großen Themen

Die Christdemokraten platzierten sich im Wahlkampf 2019 zu den großen Themen in der Stadt. Themen, die aber auch anderen Fraktionen auf dem Zettel hatten – mehr bezahlbarer Wohnraum für Familien zum Beispiel. Über 300 neue Wohnungen sind in den vergangenen Jahren entstanden, doch bleibt dieses Ergebnis weit hinter den Zielen zurück.

Beim Uferpark kommen „größere Eingriffe für uns nicht infrage“, schrieb die Fraktion damals. Nur die Mole des Gondelhafens und die Uferstraße müssten dringend saniert werden. Heute ist nicht nur der umstrittene Stadtbalkon vom Tisch, sondern das gesamte ehrgeizige Projekt. Weil es Millionen verschlingen würde, die die Stadt nicht mehr hat.

SPD muss nüchtern Bilanz ziehen

Die SPD hatte viel vor. Auf dem Zettel der Sozialdemokraten standen durchweg engagierte Projekte. Ganz oben etwa die Belebung der Innenstadt: Das alte Zollamt sollte mit einer Neubebauung für einen „Innovationsschub“ im Stadtzentrum sorgen. ‚Wohnungen, Büros, Gastronomie und zugkräftiger Einzelhandel lassen sich hier miteinander verbinden‘, schrieben sie 2019. Das Projekt ist allerdings komplett in der Schublade verschwunden.

Das alte Zollhaus in Friedrichshafen. Ob der Bau eine Zukunft hat, ist fraglich.
Das alte Zollhaus in Friedrichshafen. Ob der Bau eine Zukunft hat, ist fraglich. | Bild: Simone Krieger

Das Ziel, Kitas auch in Friedrichshafen gebührenfrei zu machen, hat durch die Platznot für viele Eltern keine Priorität mehr. Heute fehlt mehr denn je das Personal, um in „mehr Plätze, dauerhaft hohe Qualität und ein breites pädagogisches Angebot zu investieren“. Allerdings hat die SPD vor einem Jahr einen Prüfauftrag zu den Kitagebühren in den Rat eingebracht, der aber noch nicht beschieden ist.

Wohnungsbau über Flachdächern oder auf Parkplätzen von Einkaufsmärkten? Das wollte die SPD fördern und dafür auch den Etat der städtischen Wohnbauförderung erhöhen. Beides bleibt für die zu Ende gehende Wahlperiode ein Wunschtraum.

Freie Wähler und ÖDP betonen Unabhängigkeit

Keine konkreten Stadtprojekte hatten vor fünf Jahren sowohl die ÖDP als auch die Freien Wähler benannt. Ihnen war es 2019 wichtig, darauf hinzuweisen, dass sie unabhängig, bürgernah und nachhaltig entscheiden. „Kein Fraktionszwang oder Unabhängigkeit von Firmen und Interessenverbänden“, nannte die ÖDP einen Grund, warum man sie wählen sollte. Die Freien Wähler stellten noch die Themen Familie und Inklusion ins Zentrum ihrer Politik.

Visionäre Projekte bei der FDP

Die FDP erzeugte 2019 mit ihrem Vorschlag Aufmerksamkeit, eine ‚smarte Infrastruktur‘ zu schaffen, beispielsweise Laternen mit WLAN-Hot-Spots, Feinstaub- und Lärmsensoren. Friedrichshafen sollte außerdem „zur Modellstadt für autonomes Fahren werden“. Beides werden wohl vorerst Visionen bleiben. Auch deshalb, weil Pflichtaufgaben abgearbeitet werden müssen, die in dieser Wahlperiode vernachlässigt wurden. „Da die Schülerzahlen seit einigen Jahren wieder steigen, werden Schulerweiterungsbauten in den nächsten Jahren an Grundschulen nötig werden“, schrieb die FDP 2019. Da passierte kaum etwas. Genauso wie beim Stadtbahnhof, der nicht nur nach Ansicht der Liberalen „endlich barrierefrei“ werden muss und wettergeschützte Bushaltestellen braucht.

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Gebührenfreie Kitas, kostenloses Schulessen oder ein ÖPNV-Sozialticket langfristig für alle: Mit solchen Vorhaben trat Die Linke 2019 an. Alles Geschenke an die Bürgerschaft, die mit der Mehrheit des Gemeinderats mit Blick auf die dahinter stehenden Kosten nicht zu machen sind. Heute mehr denn je.

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