Die Lage für die Veranstalter des großen grenzüberschreitenden 24-Stunden-Flohmarkts stellt sich dramatisch dar: Geschäftsführer Eric Thiel von der Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK) bilanziert: „Das wird auf jeden Fall ein großes Minus.“ Schuld sind nicht die Hitze, sondern massiv gestiegene Sicherheitsauflagen. Die MTK sammelt jetzt sogar Spenden, um die Einnahmen zu erhöhen: „Bei den Standgebühren haben wir das obere Ende erreicht.“ Trotz Temperaturen von teilweise über 30 Grad Celsius kamen am Wochenende nach Angaben der Veranstalter rund 80.000 Schnäppchenjäger, etwa so viele wie in den Jahren zuvor. Es gab keine gravierenden Zwischenfälle.
Konstanz droht eine Debatte wie beim Gassenfreitag. Die Kosten für eine äußerst beliebte Veranstaltung drohen, aus dem Ruder zu laufen. Bisher kam die MTK auf eine Null. Laut Thiel standen beim großen Flohmarkt bisher zehn Fahrzeugsperren. Jetzt sind es 63. Jede Zufahrt wurde vernagelt. Eine Lücke am Schnetztor wurde noch am Samstag zusätzlich gestopft. Auf dem Parkplatz unter der Schänzlebrücke lagern Sperren und Ersatzteile. Die MTK beschäftigte erstmals einen externen Sicherheitsmanager. „Wir hatten ein Sicherheitskonzept gemacht.“ Doch die Weltlage habe sich massiv verändert, sagt Thiel. Darauf hätten Behörden mit immer neuen Auflagen reagiert. Die letzte kam drei Tage vor Start des großen Flohmarkts. Das alles hinzubekommen, war „eine riesige logistische Leistung“.
Das Budget wird nicht reichen
Und sie ist teuer. Eric Thiel legt dar: Jede Sperre müsse gekauft oder geliehen, bewacht und beleuchtet werden. Die MTK ist in der Haftung. Sie muss dafür sorgen, dass niemandem etwas passiert. Ohne Detailabrechnung weiß er jetzt schon: Das Budget wird nicht reichen. Jetzt werde erst einmal im Aufsichtsrat der MTK über das weitere Vorgehen beraten. Er erwarte eine politische Entscheidung, ob die Stadt den Flohmarkt will oder nicht. „Wir machen das im Auftrag der Stadt und der Stadtbevölkerung.“ Grundsätzlich sei das eine der schönsten Veranstaltungen in der Region. „Eine Stadt, ein Team. Das wird an diesem Wochenende gelebt. Und alle profitieren.“ Er meint die Vereine, die vollen Wirtschaften und die ausgebuchten Hotels.

Thomas Schlägel von den Konstanzer Frichtle hat großes Verständnis für die Sicherheitsauflagen. „Wir leben in verrückten Zeiten.“ Allerdings gibt er auch zu bedenken: „Hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben.“ Er fände es schade, wenn der Flohmarkt aus diesen Gründen nicht mehr stattfinden könnte. „Das ginge dann in Richtung: Deutschland schafft sich selbst ab.“ Er ist schon seit zig Jahren als Helfer für seinen Verein auf dem Flohmarkt dabei. „Der ist existenziell für uns.“
Ohne die Einnahmen aus dem Großereignis wäre vieles nicht möglich, etwa der Kauf von Instrumenten, Ausflüge und die Unterstützung für Menschen, die ansonsten aus finanziellen Gründen nicht im Fasnachtsverein mitwirken könnten. Die Frichtle haben einen Getränkestand am Seerhein, und sie stellten, wie andere Vereine auch, Ordner für das Treiben. „Ich habe 80 bis 100 Leute im Einsatz.“ Im Gegenzug müssten sie keine Standgebühren zahlen.
Das sagen Standbetreiber
Er selbst sei übrigens noch nie über den Flohmarkt gegangen. „Flohmarkt heißt für mich arbeiten.“ Am Samstag um 12 Uhr gehe es mit einer Einsatzbesprechung los. Hildegund Dude-Uhlenhoff sagt zu den Sicherheitsauflagen: „Schade, dass Deutschland so etwas braucht.“ Von den privaten Händlern an den über 1000 Ständen klagen schon jetzt einige über die Höhe der Standgebühren. 30 Euro fallen pro laufendem Meter an. Die meisten brauchen mindestens drei bis vier Meter, müssen also 90 bis 120 Euro hinlegen. Viele zahlen mehr.
„Ich habe es mir schon zweimal überlegt, ob ich das überhaupt machen soll“, sagt etwa Samantha Isted, die mit Freunden und Familienangehörigen einen Stand betreibt. Sie liebt aber die Stimmung auf dem Markt. Martina Uhlenhoff hat kaum Hoffnung, dass die Standgebühren durch den Verkauf wieder hereinkommen. Sie sagt: „Ich habe das jetzt als Familienausflug verbucht.“ Die Frau kommt aus Bad Boll und besucht ihre Schwester in Konstanz. Für Christian Metzger ist klar: „Ich bin nicht hier, um reich zu werden.“ Er möchte vor allem vieles loswerden, etwa die Sammlung von Kuhfiguren seiner Tochter. „Die hatte mal eine Kuhphase.“ Diese sei aber längst vorbei.
„Das ist auch ein soziales Event“, sagt Händlerin Katinka Weber. In ihrer Familie ist klar: Was ein Jahr lang nicht gebraucht wurde, kommt auf den Flohmarktstand. So liegt dort auch der Pizzastein, den zwar alle mögen und doch kaum jemand nutzt. Für Besucher Marvin Klemenz, der einen riesigen Sombrero auf dem Kopf trägt, ist klar: „Das ist das Highlight des Jahres. Man trifft Freunde. Das ist einfach nett.“
Der Flohmarkt zieht auch Menschen aus der Großregion an. Marc und Frank Eberlein sind aus Pfullendorf nach Konstanz gekommen. Sie haben einen Handwagen. Obwohl der Flohmarkt gerade begonnen hat, ist dieser schon gut gefüllt. Das erste Schnäppchen, ein Kronleuchter, sei schon im Auto verstaut. Philipp Uhl ist nach vielen Jahren mal wieder von Zoznegg bei Stockach gekommen. Vor langer Zeit fand seine Familie auf dem Konstanzer Flohmarkt einen Küchenschrank, der bis heute in der Wohnung steht. „Der ist täglich in Gebrauch.“ Ralf Sakellaridis kommt sogar aus Stuttgart. Er sagt: Die Flohmärkte in der Landeshauptstadt hätten zu viele professionelle Händler. Es sei viel schöner, von Privatleuten Kram zu kaufen.