Im September und Oktober ist Weinlesezeit. In den Weinbergen hoch über Meersburg sind dann jedes Jahr Hunderte von Erntehelfern im Einsatz und lesen das wertvolle Gut. Die Winzer bringen den Ertrag dann in die Kelterhalle, wo der Kellermeister bereits darauf wartet und alles sofort verarbeitet. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das größtenteils bis heute auch so aus. Allerdings sind im Weinbau maschinelle Lösungen auf dem Vormarsch – etwa bei der Weinlese.
Die großen Winzervereine und vor allem kleinere Weingüter haben sich bislang erfolgreich gegen eine Lese mit einem Traubenvollernter ausgesprochen. In diesem Jahr hat der Winzerverein Meersburg erstmalig den Versuch gewagt, eine solche Maschine einzusetzen. „Die Entwicklung ist einfach so, dass man darüber nachdenken muss“, erklärt Martin Frank, Geschäftsführer des Winzervereins. „Es gibt viele Faktoren, die es in den vergangenen Jahren immer schwieriger machen, wirtschaftlich zu arbeiten.“ Es gebe immer weniger Freiwillige, die in die Weinlese gehen, das unbeständige Wetter macht das Ganze zudem schwerer und dann ist da noch der Mindestlohn, der die Preise regelrecht nach oben treibt.
Maschinenring schafft Traubenvollernter an
Im Frühjahr wurde in den Reihen des Maschinenrings Linzgau laut über eine Anschaffung eines solchen Traubenvollernters nachgedacht. „Nachdem zahlreiche Winzer und eben auch der Winzerverein Meersburg Interesse daran gezeigt haben, sind wir tätig geworden“, erklärt Projektleiterin Lara Frirdich, die die Einsätze der Maschine beim Maschinenring koordiniert. „Wir haben das Fahrzeug angeschafft und die Winzer können bei uns die Dienstleistung in Anspruch nehmen.“

Der Punkt ist, dass für einen Winzer die Investitionssumme von 350.000 Euro nur schwer zu stemmen ist. Nun können die Winzer das etwa acht Tonnen schwere und mit einem Tank von 2200 Litern ausgestattete Gefährt ausleihen. „Die Nachfrage war schon recht groß“, bestätigt Lara Frirdich. „Wir waren beim Staatsweingut und beim Winzerverein in Meersburg und nahezu am gesamten Bodensee im Einsatz.“ Eingelernt wurden in diesem Jahr fünf Fahrer, die den Traubenvollernter bedienen können.
Trotzdem intensive manuelle Vorlese nötig
„Die Technik ist tatsächlich erstaunlich“, sagt Martin Frank. „Ich bin sicher, es ist nicht das letzte Mal, dass wir den Traubenvollernter bei uns einsetzen.“ Frank betont, dass die Maschine bei der Vollernte eine enorme Hilfe ist. Es wird sehr viel Zeit eingespart. Aber: „Es geht trotzdem nicht ohne eine intensive manuelle Vorlese.“ Damit werde die Maschine den Menschen definitiv nicht ersetzen können. „Bei uns haben gut ein Viertel der Winzer die Möglichkeit genutzt, den Traubenvollernter einzusetzen“, berichtet der Geschäftsführer des Winzervereins Meersburg. „Er ist aber einfach auch nicht überall einsetzbar.“
Dem Einsatz der neuen Technik gegenüber zeigten sich auch der Kellermeister des Winzervereins, Valentin Wagner, und Staatsweingutdirektor Jürgen Dietrich offen gegenüber. Sie teilten dem Maschinenring die zu erntenden Flächen zeitnah mit. „Sie haben eine unglaubliche Arbeit gemacht“, lobt Lara Frirdich. „Mit deren Angaben war es für mich kein Problem, mit den im Vorfeld erfassten Flächen und Traubensorten einen Einsatzplan zu erstellen.“ Wenn alle Winzer einzeln gekommen wären, wäre dies nahezu unmöglich gewesen.
So wurden jedoch zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zum einen konnte die Maschine perfekt eingesetzt werden. Zum anderen war klar, welche Trauben wann und in welcher Menge angeliefert werden. Auf diese Weise waren auch die Teams in den Kellereien perfekt vorbereitet.