Alles stimmt bis ins letzte Detail: Statt eines Theatergongs ertönt das Tuten eines Donaudampfschiffs, als das Publikum in Mittelstenweiler von der hiesigen Theatergruppe auf eine Flusskreuzfahrt entführt wird. „Wir werden gleich die Leinen lösen und mit dem ganzen Saal aufs Wasser gehen“, kündigt Regisseur Thomas Notheis bei der öffentlichen Generalprobe für Kinder und Senioren an. Passend dazu stimmt das achtköpfige Musikensemble die Gäste mit Seemannsliedern auf eine Fahrt mit der MS Bratislava ein. „Ich hoffe, Sie sind alle gut versichert“, wirft Notheis ahnungsvoll ein.

Eine Seefahrt, die ist lustig: Die musikalische Einlage bereitet das Publikum thematisch und stimmungsmäßig auf die Kreuzfahrt vor.
Eine Seefahrt, die ist lustig: Die musikalische Einlage bereitet das Publikum thematisch und stimmungsmäßig auf die Kreuzfahrt vor. | Bild: Altmann, Miriam

Kreuzfahrt mit Hintergedanken

Versicherungsvertreter Hartmut (Leonard Straub), ein ängstliches, aber geschäftstüchtiges Muttersöhnchen, hält nicht viel von Kreuzfahrten. Ganz anders Luise (Elisabeth Straub), die für ihren hypochondrischen Gatten Erwin (Bertram Baur) eine Lebensversicherung abschließen möchte, denn auf einer Flussreise könne viel passieren. „Hoffentlich!“, entfährt es der resoluten Dame, der von Wahrsager Monsieur Ophelius (Thomas Notheis) prophezeit wurde, dass solch eine Fahrt sie von all ihrem „Ballast“ befreien würde. Doch auch Hartmut wird Seefahrer wider Willen: Seine Mutter Ernestine (Renate Hau) überrascht ihn mit der Nachricht, dass sie zwei Tickets für die Donaureise gewonnen habe.

Für alle Fälle gerüstet: Versicherungsvertreter Hartmut (Leonard Straub) begleitet seine Mutter Ernestine (Renate Hau) wider Willen an Bord.
Für alle Fälle gerüstet: Versicherungsvertreter Hartmut (Leonard Straub) begleitet seine Mutter Ernestine (Renate Hau) wider Willen an Bord. | Bild: Altmann, Miriam
Das könnte Sie auch interessieren

Explosive Mischung an Bord

Mit an Bord sind Schnäppchenjägerin Elfriede (Angela Zyla) und ihr genervter Gatte Otto (Hubert Armbruster): Während sich Elfriede auf Cockpits in der Pianobar und köstliche Syphilis am Büfett freut – schließlich haben sie all-inkasso gebucht –, verzweifelt Otto an deren Versprechern, während sich das Publikum köstlich amüsiert. Planlos trotz Bordplan navigiert sich Irmgard (Christine Busch) zur Bar, wo ihr Mann Willibald (Uwe Spießmacher) bereits in die Vollen geht, um alle anderen Damen zu beeindrucken. Steward Lothar (Marcel Rothmund) ist bereits zu Beginn der Reise sichtlich mit den Nerven am Ende, wozu auch die arbeitsscheue Reinigungskraft Erna (Carina Spießmacher) beiträgt.

Wie war das mit der Prophezeiung? Monsieur Ophelius (Thomas Notheis) und die drei Damen Luise (Elisabeth Straub), Elfriede (Angela Zyla) ...
Wie war das mit der Prophezeiung? Monsieur Ophelius (Thomas Notheis) und die drei Damen Luise (Elisabeth Straub), Elfriede (Angela Zyla) und Irmgard (Christine Busch) reden herrlich aneinander vorbei (von links). | Bild: Altmann, Miriam

Spielfreude und Detailverliebtheit

Wie man es von den Wielemern gewohnt ist, nimmt der Dreiakter von Regina Harlander rasant an Fahrt auf. Die Rollen scheinen den spielfreudigen Mimen auf den Leib geschrieben, die mit Wortwitz und boshaften Spitzen gespickten Dialoge entblößen die zunehmenden Verwicklungen. Das Bühnenbild mit der stets passend vorbeiziehenden Aussicht durchs Fenster und der Fahrstuhl mit Stockwerksanzeige offenbart größte Liebe zum Detail. Und während sich im Laufe der Handlung offenbart, dass nicht nur Luise von Ballast befreit werden will, erschallt es plötzlich dem Titel entsprechend: „Mann über Bord!“

Begeistert vom Stück und der schauspielerischen Leistung: Ingo Hirt und Sandra Kleinhans aus Leimbach
Begeistert vom Stück und der schauspielerischen Leistung: Ingo Hirt und Sandra Kleinhans aus Leimbach | Bild: Altmann, Miriam

Begeistertes Urteil eines Experten

„Ich find‘ die brutal gut“, lautet Ingo Hirts Urteil, nachdem der tosende Applaus verklungen ist. Das Theater in Mittelstenweiler sei das „Nonplusultra“ in der Gegend. Er bescheinigt der Gruppe eine sehr gute Stückauswahl und eine schauspielerische Glanzleistung. Hirt muss es wissen, spielt er doch selbst seit 25 Jahren Theater und hat auch schon Regie geführt. Fast wäre er ebenfalls Teil des Ensembles geworden, nachdem er vor zwei Jahren aus der Tuttlinger Gegend an den Bodensee gezogen ist: „Ich habe nach Mittelstenweiler ein Bewerbungsschreiben geschickt“, verrät er, und dass er auch eine Zusage erhalten habe. Doch zu dem Zeitpunkt hatte er bereits in Erfahrung gebracht, dass es an seinem neuen Wohnort Leimbach ebenfalls eine Theatergruppe gibt. So genoss er die Aufführung als Gast.