Es ist beeindruckend zu beobachten, wie dieses Land auf die Corona-Krise reagiert, wie es von Tag zu Tag entschlossener handelt. Die Solidarität mit den gefährdeten Patienten steht im Vordergrund, das ist ermutigend. Das spricht für ein soziales Grundverständnis. Vielleicht lernen wir daraus, auch auf den Klimawandel und gegen andere Krisen, unter denen der Patient Erde leidet, entschlossen zu reagieren und Verzicht in Kauf zu nehmen.
Beispiel Kirchengemeinde
Die Corona-Krise unterscheidet sich von den globalen Krisen bekannter Art darin, dass das Handeln sofort Wirkung entfaltet. Im direkten Umfeld jedes Einzelnen. Vieles hat mit Verantwortlichkeit zu tun. Am Beispiel der evangelischen Kirchengemeinde Überlingen, die alle Veranstaltungen wie Bildungsprogramme oder Kirchenkonzerte absagt, lässt es sich aufzeigen. Dekanin Regine Klusmann sagt, dass gerade die Absage der Johannespassion an Karfreitag auch finanziell weh tue. „Aber wir finden es einsichtig, es macht Sinn, es braucht jetzt unsere Solidarität zum Schutz der Menschen, die ein besonderes Risiko tragen.“
Und die Landesgartenschau? Sie findet statt, sagt OB Jan Zeitler. Ab dem 23. April. Bis dahin kann sich vieles zum Guten wenden. Das wünschen sich alle. Das Risiko, dass sie erst später eröffnet werden kann, ist nach Lage der Dinge jedoch nicht auszuschließen. Diese Möglichkeit aber findet bis dato in den Planungen von Stadtverwaltung und LGS-Geschäftsführung nicht statt. Schlimmer noch, einen Plan B aufzulegen, sei „völlig abwegig“, wie OB Zeitler sagte.
Welches Signal sendet Zeitler aus?
Wer so spricht, muss sich fragen lassen, welches Signal er aussenden will. Die jungen Familien, die ab Dienstag nicht wissen, wie sie ihre Kinder betreuen. Die Selbständigen, die um ihre Firma fürchten. Die Musiker, die aus Verantwortlichkeit ihre Instrumente im Koffer lassen. Die sozialen Kontakte, die nach Aufforderung des Robert-Koch-Instituts eingeschränkt werden müssen. Die vielen Lebensbereiche, für die nun ein Plan B gesucht werden MUSS.
Welches Signal will Zeitler an diese Leute aussenden, wenn er tapfer ausspricht, dass die LGS stattfinden wird, dass es keinen Plan B gibt?
Natürlich soll sie am 23. April starten. Zeitler und Co. hätten im Mitfühlen mit dem, was die Bevölkerung derzeit umtreibt, eine Einordnung der LGS vornehmen können. Sie hätten ausdrücklich betonen können, dass Verzicht auch im Zusammenhang mit der Gartenschau nicht ausgeschlossen wird. Das haben sie nicht getan.
Ja, es handelt sich um eine Open-Air-Veranstaltung. Plan B muss nicht gleich Absage heißen. Plan B würde berücksichtigen, ob die Anreise mit Zug und Shuttlebus funktioniert, wie Restaurants auf dem Gelände organisiert werden, wie das Publikum beim Schlangestehen an der Kasse geschützt wird, und wie eine Verschiebung vernünftig gemeistert werden könnte. Es wäre fahrlässig, solche Überlegungen noch lange hinauszuschieben.