Überlingen – Es war ein Abend, der aufwühlte und berührte. „Die Reise zum Klima“ lautete der Vortrag des bekannten Greenpeace-Fotografen Markus Mauthe, rund 200 Menschen strömten ins Dorfgemeinschaftshaus Nußdorf. Zweieinhalb Stunden lang folgten sie dem aus Friedrichshafen stammenden Umweltaktivisten auf seiner jüngsten Expedition, die ihn zu sogenannten Klimakipppunkten der Erde geführt hatte.
„Seit 30 Jahren habe ich das Glück, unseren Planeten entdecken zu dürfen“, leitete Mauthe seine Reportage ein. Vor 21 Jahren habe er sich Greenpeace angeschlossen, und ihn bewege mittlerweile vor allem die Frage, „wo es hingeht mit den Menschen“. Mauthe verwies auf das rasant schmelzende Eis der Arktis, die Zerstörung des Regenwalds im Amazonas-Gebiet, auf sintflutartige Regenfälle in Westafrika und auf die Veränderung des Golfstroms. Die Auswirkungen all dieser Vorkommnisse werden laut Mauthe in Europa noch immer nicht stark genug wahrgenommen. Er sehe die Gefahr, dass sich die globalen Klimaereignisse gegenseitig verstärken. „Wir müssen das alles mal zusammendenken,“ forderte Mauthe. In betroffenen Ländern werde dadurch der Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen. Und so lag dann auch der Fokus seiner Recherche-Reise besonders auf der Begegnung mit vom Klimawandel betroffenen Menschen an den von ihm und seinem vierköpfigen Team besuchten Orten.
In Brasilien machten sich Mauthe und sein Team auf den Weg zu indigenen Gemeinschaften, deren Vertreter seit vielen Jahren für den Erhalt des für das globale Klima so wichtigen Regenwalds kämpfen. Mit ebenso großartigen wie bedrückenden Aufnahmen rauch-vernebelter, brennender Waldflächen im Amazonas-Gebiet machte Mauthe das Ausmaß der Zerstörung durch die gezielte Brandrodung deutlich.
Brandrodung für billige Waren
Dagegen setzte er Fotografien und kurze Filmsequenzen aus einer indigenen Siedlung. Die Aufnahmen illustrieren eindrücklich die Bedrohung des Lebens der Ureinwohner im Einklang mit der Natur durch die sich ausbreitenden Feuer. „Dieses Paradies wird für den Anbau von billigem Soja und die Produktion von billigem Fleisch geopfert. Müssen wir da nicht umdenken?“, fragte Mauthe ins Auditorium.
An der Küste Senegals in Westafrika dokumentierte das Team um Markus Mauthe einige von den durch außergewöhnlich starke Stürme in den vergangenen Jahren zerstörten Siedlungen und Fischerdörfer. Besonders berührend die Aufnahme der Ruine eines Schulgebäudes: Auf der Schultafel ist noch das Datum des letzten Unterrichtstages im Jahr 2017 zu erkennen. „Die Fischer, die hier lebten, wurden mit ihren Familien in ein Lager im Landesinneren umgesiedelt“, berichtete Mauthe. Dort lebten sie als Binnenflüchtlinge in Lagern. Die Naturkatastrophen machten die Menschen heimatlos. An dieser Stelle spannte der Greenpeace-Aktivist den Bogen zur aktuellen politischen Migrationsdebatte in Deutschland. „Ich habe Angst, dass wir den Narrativen der Rechten zu viel Gewicht geben und unsere Menschlichkeit verlieren“, rief er in den Saal und erhielt dafür großen Applaus. Auch hier ließ Mauthe in seiner Präsentation Einheimische sprechen: Eine Gruppe junger Afrikanerinnen und Afrikaner berichtet davon, wie sehr sie die Fridays-for-Future-Bewegung ermutigt hat, selbst die Stimme für mehr Klimagerechtigkeit zu erheben.
Vom afrikanischen Kontinent reiste Mauthe weiter nach Grönland und fing auf den Gletschern und an der Küste fantastische fotografische Impressionen ein. „Hier schmelzen pro Tag 30 Millionen Tonnen Eis“, erklärte der Fotograf. Hier sei man an einem der Kipppunkte, denn das Abschmelzen des Eises mit all seinen Folgen für den Anstieg des Meeresspiegels und die negativen Einflüsse auf die wetterbestimmenden Meeresströme könne aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr aufgehalten werden. „Was hier passiert, geschieht lautlos“, warnte Mauthe. Doch es sei ein ganz großes Drama, für das die Nutzung der fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas ursächlich sei.
Auf die Folgen der globalen Erwärmung der Ozeane stießen Mauthe und seine Begleiter auch am anderen Ende der Welt am Great Barrier Reef vor der Küste Australiens. Dort tauchten und filmten sie in den ausgedehnten Korallenriffen. Dort leide das Ökosystem trotz Aufforstungsprojekten erneut unter einer starken Korallenbleiche. „Hier noch Hoffnung zu verbreiten, fällt mir schwer“, bekannte Mauthe. Er prophezeite: „In zehn bis 15 Jahren werden wir hier so gut wie keine Korallenriffe mehr haben.“ Öl, Kohle und Gas müssten im Boden bleiben, um den Planeten für die kommende Generation lebenswert zu erhalten, das sei für ihn die Quintessenz seiner Erfahrungen. Mit lang anhaltendem Applaus belohnte das Publikum den in Kooperation mit Greenpeace vom Wunderwelten-Festival Bodensee/Oberschwaben organisierten Vortrag.