Da waren‘s nur noch zwei. Im ersten Wahlgang holte Martin Hahn mit 40,37 Prozent der Stimmen den Etappensieg, Amtsinhaber Jan Zeitler lag mit 36,56 Prozent Stimmenanteil nicht allzu weit entfernt. Die übrigen vier Kandidaten fielen für die Stichwahl damit aus. Nachdem die SÜDKURIER-Podiumsdiskussion im Kursaal mit sechs Kandidaten das Amtsverständnis beleuchtet hatte, treffen die beiden verbliebenen Kontrahenten diesmal im Theatersaal des Salem Kolleg am Härlen erneut aufeinander. Wieder richten sich die Scheinwerfer, Kameras und Blicke auf sie. Dieses Mal werden die Unterschiede der zwei Amtsanwärter anhand der Sachthemen deutlich.

„Mehr Palmer, nicht so viel Scholz“

Martin Hahn macht in seinem Schlussplädoyer mit einem Unterschied deutlich, wo er sich sieht und wie er sich einordnet: „Mehr Palmer, nicht so viel Scholz“, sagt er. Der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer sei schließlich, wie Hahn es anstrebe, vom Landtagsabgeordneten zum Bürgermeister geworden. Im Gegensatz dazu setzt Amtsinhaber Jan Zeitler auf Kontinuität: „Ich möchte fortsetzen, was wir gemeinsam begonnen haben.“

Immer wieder geht Martin Hahn in den Appell-Modus über. Mit großer Geste kündigt er im Falle seines Wahlsiegs an: „Mehr Boris Palmer, ...
Immer wieder geht Martin Hahn in den Appell-Modus über. Mit großer Geste kündigt er im Falle seines Wahlsiegs an: „Mehr Boris Palmer, weniger Olaf Scholz.“ | Bild: Kleinstück, Holger

Dazu zählt auch das kontroverseste Thema des Abends: das Baugebiet Rauensteinstraße Ost, beziehungsweise der Landschaftspark St. Leonhard. Martin Hahn stellt klar: „Ich bin da raus.“ Das Vorhaben werde nicht nur in der ganzen Stadt kritisch betrachtet, es sei schlicht vergebene Liebesmüh. Wenn man es nicht einem Bürgerentscheid zu Wahl stelle, würden die Bürger ihn einfordern, prognostiziert der Landtagsabgeordnete. Seine Haltung beschert ihm Zwischenapplaus. So setzt Hahn fort, er wolle generell eine frühzeitige Bürgerbeteiligung etablieren.

Amtsinhaber Jan Zeitler gibt immer wieder zu erkennen, mit welcher Detailschärfe er in den Themen steckt.
Amtsinhaber Jan Zeitler gibt immer wieder zu erkennen, mit welcher Detailschärfe er in den Themen steckt. | Bild: Kleinstück, Holger

Jan Zeitler hält dagegen, er halte sich nur an den Beschluss des Gemeinderats. Dabei dürfte er wissen, dass er als OB die Tagesordnung führt und in der Regel vorgibt, worüber abgestimmt wird. „Wir haben den Auftrag, Wohnraum zu entwickeln“, sagt Zeitler. Dort sei das gut möglich. Auch er erhält Applaus, als er die Kompromissfindung in der Causa Rauenstein Ost betont, eine vom ursprünglichen Plan abgespeckte Variante.

Diese Szene steht stellvertretend für den Abend. Während Hahn auf Appell und große Worte setzt, klingt bei Zeitler die Routine des Amtsinhabers durch. Der eine spricht von Zukunft und Gestalten, der andere vom politischen Alltag mit dem Gemeinderat. Zeitler demonstriert, wie tief er sich in die Themen eingearbeitet hat. Hahn irritiert bei seinen Schlussworten, die er nach zweistündigem, die Konzentration forderndem Programm spricht: „Die Zukunft kommt nicht aus der Vergangenheit, sie kommt auf uns zu.“

Unterschiedliche Wahlkampffinanzierung

Anfangs sind beide Kandidaten noch recht frei von Unterschieden: Wie es ihnen geht, in Anbetracht des zurückliegenden und weiterbestehenden Wahlkampfes, will Moderator und Redaktionsleiter Stefan Hilser wissen: „Tiefenentspannt“, sagt der eine, „total entspannt“ der andere. Nur räumt Hahn ein, der erste Wahlgang habe Spuren hinterlassen. Zugleich lässt er erkennen, dass er mit einer Entscheidung für sich im ersten Wahlgang gerechnet hätte.

SÜDKURIER-Podium zur Oberbürgermeister-Stichwahl in der Aula des Salem-College.
SÜDKURIER-Podium zur Oberbürgermeister-Stichwahl in der Aula des Salem-College. | Bild: Kleinstück, Holger

Zeitler nimmt keine Spenden an, Hahn schon

Die Faustformel „eine Mark pro Bürger“ greife nicht mehr, auch wenn man die Währung anpasst. 1,40 Euro seien es bei ihm etwa, rechnet Martin Hahn vor. Zeitler hält sich zwar bedeckt, was seine genauen Kosten angeht. Allerdings sagt er: „Alles fließt über mein privates Girokonto. Ich habe keine Spenden bekommen und keine angenommen.“ Hahn hingegen sagt, er könne zu einem Viertel auf Spenden zurückgreifen. Es gebe Kleinspenden. „Und eine größere Spende von einem Menschen aus der Kulturszene, den ich vor dem Wahlkampf noch gar nicht kannte.“ Auf Nachfrage von Hilser, ob er dessen Name offenlege, lehnt Hahn ab. Er sei um Stillschweigen gebeten worden. Es handle sich um eine Privatperson aus Überlingen. Hahn: „Es ist schon toll, so eine Unterstützung zu erhalten, und dies rein thematisch“, sagt er.

Von hier an steht die Bühne den Experten offen, die im Vorfeld gebeten wurden, zu den Kernthemen Jugend, Kultur, Ehrenamt, Handel, Klimaschutz und Bauen Fragen zu stellen. Zudem wurden immer wieder Bürgerfragen eingeflochten, die im Vorfeld an unsere Redaktion geschickt wurden.

Wenig Optimismus beim Leerstand

Beim Thema Leerstand stellt sich eine trostlose Einigkeit ein. „Wenn wir alles richtig machen, wird es nur unmerklich besser werden“, sagt Hahn und fährt fort: „Es wird angespannt bleiben.“ Jan Zeitler versucht zwar, mit Optimismus dagegenzuhalten und erläutert die Lage, sieht aber letztlich wenig Hoffnung. Es sei schwer, gerade in der Innenstadt, an die privaten Eigentümer zu kommen, weil sie teils weit weg von Überlingen leben. Eine Lösung sieht er in der Zweckentfremdungssatzung. Wobei geprüft werden müsse, ob Leerstand eine Zweckentfremdung von Wohnraum wäre.

Über die Notwendigkeit eines Jugendzentrums sind sich die beiden Kandidaten zwar einig. Darüber, wie der Raum in der Nähe des ZOB zu führen sei, jedoch nicht. Die Jugendlichen wünschen sich einen gemeinsamen Treffpunkt, sagt Jugendgemeinderat Maximilian Matern. Zeitler spricht von einem „Dreiklang“, den er herstellen will. Hahn möchte weniger lenken. Er will den Jugendlichen einen Raum zur Verfügung stellen, den sie selbst gestalten sollen.

Wann wird die Kapuzinerkirche fertig?

Die Kapuzinerkirche bieten die Kandidaten gleich zwei Sparten als Domizil an: der Jugend und der Kultur. Nur: Wann werden die Renovierungsarbeiten an der früheren Klosterkirche abgeschlossen sein? Hahn geht davon aus, dass sie schon im nächsten Sommer genutzt werden könnte, wenn die Heizungsinstallation in den Winter verlegt werde und der Raum nach der statischen Sicherung vorübergehend geöffnet würde.

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Der Amtsinhaber hebt mit dem Verweis darauf, dass er besser mit den Plänen vertraut sei, heraus: Da alles in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt geschehen muss, werde der Raum erst 2026 fertig saniert sein.

Der Moderator des Abends, SÜDKURIER-Redaktionsleiter Stefan Hilser.
Der Moderator des Abends, SÜDKURIER-Redaktionsleiter Stefan Hilser. | Bild: Kleinstück, Holger

Quietschfidele Demokratie

In Summe verfolgten den Abend 500 bis 1000 Menschen. Im Theatersaal, der mit etwa 350 Menschen gefüllt war, hätten noch mehr Besucher Platz gehabt. Das Fernbleiben im Vergleich zur ersten Podiumsdiskussion schrieb Moderator Stefan Hilser dem starken Schneefall zu und der Tatsache, dass viele Besucher sich nicht trauten, mit dem Auto zur Veranstaltung zu fahren. Viele davon nutzten lieber die Liveübertragung im Internet.

Hilser erläuterte, weshalb die Redaktion den großen Aufwand betreibt: „Weil es uns als Medienhaus wichtig ist. Weil die Demokratie in Überlingen quietschfidel ist. Weil so ein Abend alle Demokratieverächter Lügen straft, die ständig behaupten, Zeitungsredaktionen würden kein Publikum mehr finden. Das Gegenteil stimmt: Wir erreichen täglich über die verschiedenen Publikationswege so viele Menschen wie noch nie zuvor.“ Es sei zwar richtig, so der Redaktionsleiter, dass sich das Geschäftsmodell eines regionalen Medienunternehmens verändert, von einem reinen Printprodukt hin zu einem digitalen Medium. „Der Stoff, mit dem wir hantieren, ist aber immer gleich geblieben: Es geht um Ihr Überlingen!“ In diesem Sinne rief er dazu auf, dass die Überlinger die Zukunft selbst in die Hand nehmen und am 1. Dezember wählen gehen.