Junge Eltern kennen das Problem. Einen passenden Namen für den Nachwuchs zu finden, der auch vor der kritischen Verwandtschaft Bestand hat, ist nicht einfach. In einer ähnlichen Situation befindet sich gerade die Stadt Überlingen. Im neuen Wohnquartier Südlich Härlen werden zwei neue Ringstraßen und ein zentraler Platz entstehen. Wie diese heißen sollen, entscheidet der Ausschuss Bildung, Kultur und Soziales, die Vorschläge liefert die Abteilung Stadtplanung. In dem künftigen Neubaugebiet befindet sich auch ein zentraler Platz.
Zu wenig weibliche Namensgeber für Straße
Bereits vor der Sommerpause stand das Thema auf der Tagesordnung. Bei der Entscheidung, den oberen Abschnitt der Ringstraße nach Maria Löhle, einer sozial und politisch sehr engagierten Überlinger Stadträtin, zu benennen, war man sich schnell einig. Wie vorab verabredet, gab es nur Vorschläge mit weiblichen Namensgebern. Allerdings nur zwei, denn beide Teile der Ringstraße sollten ursprünglich gleich heißen. Das war den Räten zu wenig Auswahl, zudem traf der Vorschlag von Bettina Dreiseitl-Wanschura (LBU/Grüne), für eine bessere Orientierung den Ring in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt zu teilen, auf Zustimmung. Das Gremium bat im Juli um mehr Vorschläge und das Thema wurde vertagt
Debatte um Standortwahl
In der Zwischenzeit verstarb mit Martin Walser einer der renommiertesten Bürger Überlingens. Was die „wahnsinnige Chance“ eröffne, wie Oberbürgermeister Jan Zeitler in der Sitzung diese Woche sagt, die Mitte von Südlich Härlen zum Martin-Walser-Platz zu machen. „Wir werden in den nächsten Jahren kaum neue Plätze haben, die wir nach ihm benennen können“, fügt er an.
Damit ist Ralf Mittelmeier (FWV/ÜfA) nicht ganz einverstanden. Er würde Martin Walser am See verorten, sagt er, und nicht im abseits gelegenen Wohngebiet, wo kaum Touristen hinkämen. Er schlägt den bald neu gestalteten Mantelkopf vor. Dem widerspricht OB Zeitler. „Der Mantelkopf ist keine postalische Adresse. Der Charme an einer solchen ist es, dass der Name nach außen getragen wird.“ Zudem warnt er davor, die Attraktivität des Neubaugebiets Südlich Härlen zu unterschätzen.
Kontroverse Meinungen im Ausschuss
Das sieht Günter Hornstein (CDU) genauso. „Ich finde das genau richtig, das ist der ideale Platz für Martin Walser. Die Umbenennung eines Platzes würde der Person nicht gerecht.“ Dazu möchte er wissen, ob man die Angehörigen schon gefragt hätte. Zeitler will erst den Beschluss abwarten und dann in einem formalen Schreiben die Anfrage starten.
Benedikt Kitt (LBU/Grüne) ist der Meinung, dass „sich Martin Walser in Nußdorf wohler fühlen würde“. Zur Not müsse man eben ein bisschen warten, bis sich eine Gelegenheit ergebe. „Die anderen sind ja auch schon lange tot“, lautet sein Argument mit Hinblick auf die weiteren zur Diskussion stehenden Namenspaten. Das möchte Jan Zeitler so nicht stehen lassen und betont, der Schriftsteller Walser habe viel Bezug zu Überlingen und nicht nur zu Nußdorf gehabt. Außerdem wäre es wichtig, dass der nach ihm benannte Platz belebt sei. Dieses Argument lässt sich momentan schwer zu überprüfen, da sich Südlich Härlen noch im Planungsstadium befindet. Die Nußdorfer können den Hinweis auf die bei ihnen herrschende Ruhe je nach Sichtweise als Seitenhieb oder Kompliment auffassen.

Knappes Votum für das Neubaugebiet
Schließlich sind sich die Räte einig, die Abstimmung über die Straßen- und Platz-Namen zu splitten. In der spärlich besuchten Sitzung stimmen drei Räte für einen Martin-Walser-Platz in Südlich Härlen, zwei sind dagegen.
Die Entscheidung, wie der südliche Abschnitt der Ringstraße künftig heißen soll, wird vertagt. Die drei in der Sitzungsvorlage genannten Namen finden wenig Zuspruch. Günter Hornstein wünscht sich, dass Stadtarchivar Walter Liehner am nächsten Termin teilnimmt und sie fachlich berät. Udo Pursche (SPD) bringt dazu den Namen Lily Walther ins Spiel. Der sei im Ältestenrat genannt worden, stehe aber nicht auf der Liste. Die Ärztin Lily Walther stand während der NS-Zeit Zwangsarbeitern zur Seite. Benedikt Kitt verweist noch auf einen praktischen Aspekt in Sachen Aussprache und verheddert sich prompt beim Beispiel Elisabeth-Goetz-von-Ruckteschell-Straße, was mit beifälligem Grinsen quittiert wird.
Sitzungsleiter Jan Zeitler sieht „weiteren Diskussionsbedarf“ und vertagt die Entscheidung der Straßenbenennung. Eltern tun gut daran, bei der Namenswahl ihrer Sprösslinge die Verwandtschaft vor vollendete Tatsachen zu setzen. Bei der Benennung von öffentlichen Straßen geht das nun mal nicht.