Er galt als einer der letzten Großschriftsteller der Bundesrepublik: Im Alter von 96 Jahren ist Martin Walser in Überlingen gestorben.

Dutzende Romane, zahlreiche Novellen und Geschichtensammlungen, eine Vielzahl von Theaterstücken, Hörspielen und Übersetzungen sowie Aufsätze, Reden und Vorlesungen stammen aus Walsers Feder. Zu den bekanntesten Werken gehören „Ein fliehendes Pferd“, „Ehen in Philippsburg“, „Ein springender Brunnen“ und „Tod eines Kritikers“.

Schon zu Lebzeiten war Walser ein Klassiker

Der Schriftsteller vom Bodensee polarisierte wie nur wenige Autoren seiner Generation und wagte es, Tabuthemen anzusprechen. Schon zu Lebzeiten war Walser ein Klassiker – das schreibt der langjährige SÜDKURIER-Kulturredakteur Siegmund Kopitzki in seinem Nachruf, den Sie hier nachlesen können.

Gleicher Jahrgang: Martin Walser (links) und Schriftsteller Günter Grass im Jahr 1999. Grass starb im Jahr 2015.
Gleicher Jahrgang: Martin Walser (links) und Schriftsteller Günter Grass im Jahr 1999. Grass starb im Jahr 2015. | Bild: Rolf Rick, dpa

Am 24. März 1927 wurde Walser als Sohn eines Gastwirts in Wasserburg am Bodensee geboren. Seit 1950 war Walser mit seiner Frau Käthe verheiratet, sie bekamen vier Töchter, die alle künstlerisch tätig sind. 2009 wurde zudem bekannt, dass Walser der Vater des Journalisten und Verlegers Jakob Augstein ist. Bilder aus Walsers Leben sehen Sie hier.

Steinmeier: Schriftsteller von Weltrang

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Walser als „einen großartigen Menschen und einen Schriftsteller von Weltrang“, den Deutschland verloren habe. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz drückte Walsers Familie sein Mitgefühl aus. „Seine Bücher haben Generationen gelesen, seine Freude am Argument hat uns viele lebhafte Debatten beschert“, schrieb der SPD-Politiker.

Die Nachricht von seinem Tod erschütterte auch die Literaturszene. Gegenüber dem SÜDKURIER äußerten sich zahlreiche Schriftsteller und Verleger. „Die Welt wird ärmer“, kommentierte Bestseller-Autorin Gaby Hauptmann, und die Vorarlberger Schriftstellerin Monika Helfer teilte uns mit, Martin Walser begleite sie, seit sie mit dem Schreiben begonnen habe.

„Man kann nicht an den Bodensee denken, ohne Walser im Hinterkopf zu haben“, so der Schweizer Verleger und Publizist Matthias Ackeret. Alle Reaktionen können Sie hier nachlesen.

Erinnerungen an Walser: Seine Friseurin, sein Elektriker, der OB erzählen

Der Bodenseeregion war Walser bis zuletzt verbunden. Seit 1968 lebte der Schriftsteller, der in Wasserburg geboren wurde, im Überlinger Stadtteil Nußdorf. Überlingen sei ihm das Vertrauteste, „es könnte nicht schöner sein“, sagte Martin Walser einmal.

Die Überlinger selbst waren mit Walser gut vertraut. Es machte sie stolz, eine lebende Legende in der Nachbarschaft zu wissen. Der SÜDKURIER hat Weggefährten Walsers zu Wort kommen lassen. Die Friseurin, die Buchhändlerin, der Künstler, der OB: Sieben Menschen erzählen von ihren persönlichen Erlebnissen mit dem Schriftsteller.

Links: Martin Walser im Garten seines Hauses in Überlingen-Nußdorf wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag. Rechts oben: Friseurmeisterin ...
Links: Martin Walser im Garten seines Hauses in Überlingen-Nußdorf wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag. Rechts oben: Friseurmeisterin Viola Schmidt. Rechts unten: Bildhauer Peter Lenk. | Bild: Stefan Hilser/privat/Hanspeter Walter


Der Überlinger Oswald Burger, langjähriger Leiter des Literarischen Forums Oberschwaben, schrieb einen ganz persönlichen Nachruf auf den verstorbenen Schriftsteller, den Sie hier nachlesen können.

Warum Martin Walser einst die Seegrundstücke öffentlich machen wollte

56 Jahre lang lebte und arbeitete Martin Walser in Überlingen-Nußdorf. Von seinem mit braunen Holzschindeln vertäfelten Haus aus hatte er beste Sicht auf den Bodensee. Dieses Privileg bereitete ihm Unbehagen, wie er einst in einem filmischen Porträt dem SWR verriet.

Gerne wollte Walser die Seegrundstücke direkt am Ufer für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Doch ein entsprechender Vorstoß bei der Stadt Überlingen brachte Walser nur zornige Nachbarn und böse Briefe ein. Warum Walser überhaupt in Nußdorf landete und bis an sein Lebensende blieb, lesen Sie hier.

Als Martin Walser nach Waldshut kam – und der Medienrummel riesig war

Auch am Hochrhein war Walser zu Gast. Im Jahr 1985 eröffnete er die Serie „Literarische Lesungen“ des Landkreises. 2002 nahm er den Alemannischen Literaturpreis entgegen. Im überfüllten Veranstaltungssaal in Waldshut tummelte sich damals eine größere Schar von Fernseh-Journalisten.

Walsers damals noch nicht veröffentlichtes Buch „Tod eines Kritikers“ schlug deutschlandweit bereits hohe Wellen. Angesichts der Turbulenzen verzichtete Walser in Waldshut auf eine Rede und diskutierte stattdessen mit Feuilleton-Journalisten der Zürcher „Weltwoche“ und des SÜDKURIER. Die ganze Geschichte können Sie hier nachlesen.

Grab liegt in Wasserburg

Im engsten Kreis seiner Angehörigen wurde Martin Walser am 31. Juli 2023 in Wasserburg am Bodensee beerdigt. Hier wurde der Schriftsteller geboren. Nun liegt sein Grab an der Friedhofsmauer, mit Blick auf Bodensee und Berge. Gemäß dem Wunsch der Familie wurde Walser ganz im Stillen beerdigt, ohne Medienrummel.

Nach der Beisetzung von Martin Walser: In diesem Grab ruht der Schriftsteller aus Überlingen, der an seinem Geburtsort Wasserburg ...
Nach der Beisetzung von Martin Walser: In diesem Grab ruht der Schriftsteller aus Überlingen, der an seinem Geburtsort Wasserburg beerdigt werden wollte. Er starb am 26. Juli, am 31. Juli fand die Beerdigung statt. | Bild: Hilser, Stefan

Doch wann war sein Todestag wirklich? In den ersten Tagen nach Bekanntwerden seines Todes gab es unterschiedliche Meldungen, die sich auch falsch bei Wikipedia niederschlugen. Dann bestätigte der Rowohlt-Verlag: Walser starb am 26. Juli 2023.