Es ist ein ganz normales Mittagessen mit der Familie. Vier Personen, Tisch ist gedeckt – alles ist so wie immer. Ach, Moment. Die obligatorische Frage meiner Mutter fehlt noch: ‚Warum sieht es nur so komisch aus, wenn du zur Gabel greifst?‘, fragt sie bestimmt zum hundertsten Mal. Die Antwort liegt wortwörtlich auf der Hand. Oder vielleicht in der Hand? Jedenfalls halte ich als Einziger am Tisch die Gabel mit links.

Nur wenige wissen, wie es ist, als Linkshänder zu leben. Falls Sie es wissen, werden Ihnen in den nächsten Zeilen ein paar Parallelen begegnen. Falls Sie es nicht wissen, dann möchte ich Ihnen gerne einen kurzen Einblick in das Leben eines Linkshänders geben. Ich gehöre einer Minderheit an.

Schätzungsweise sind nur zehn Prozent aller Menschen auf der Welt so wie ich. Und doch scheint die Erde nur für Rechtshänder gemacht zu sein. Auch wenn es heutzutage kein Problem mehr ist, zu den anderen zu gehören, bleibe ich trotzdem eine Ausnahme. Ich unterscheide mich von der großen Mehrheit. Ich bin einfach... anders.

Mit rechts klappt es nicht

Dieses „Anderssein“ ist mir in meinem Leben als Linkshänder häufig begegnet, und zwar bereits im Kindesalter. Beispiel gefällig? Mein Vater stellt mir einen seiner Kollegen vor. Er möchte mich mit einem Händedruck begrüßen. Ich strecke die linke Hand schräg nach oben raus. Das war intuitiv. „Nein, nein, die andere Hand“, sagt er mit einem kichernden Unterton.

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es war, als ich merkte, dass mit meiner rechten Hand irgendetwas nicht stimmt – zumindest fühlte es sich so an. Zum Verständnis: Einen Löffel oder einen Stift in der rechten Hand zu halten, das kam mir einfach nicht richtig vor. Ich fragte mich: „Warum kann ich mit dieser Hand nichts machen?“

Heute, mehr als 20 Jahre später, kenne ich die Antwort. Allerdings nicht auf jede Frage. Warum gibt es Linkshänder, wenn die Natur sich nur an Rechtshändern und ihren Bedürfnissen orientiert? Diskriminierung und Barrieren zwischen uns Menschen gibt es bereits in Bezug auf die Herkunft, die Hautfarbe oder auch die sexuelle Orientierung. Und jetzt machen wir uns auch noch über Hände Gedanken? Ich meine... Hände?

Torschusstraining beim Fußball

Sieht ganz so aus. Nur, woran liegt das? Die Dominanz einer Hand liegt in der Struktur unseres Gehirns. Bei jemandem, der Tätigkeiten mit der rechten Hand ausführt, ist dabei also die linke Hemisphäre im Gehirn aktiv – und umgedreht. Das betrifft übrigens nicht nur die Hände, sondern auch andere Körperteile.

Als ehemaliger Amateurfußballer habe ich das selbst erlebt. Zu meiner Zeit spielte ich auf dem linken Flügel und nahm immer nur den linken Fuß. Ich war praktisch der neue Arjen Robben, nur mit Haaren. Gut, die Schwalben habe ich mir, obwohl ich Italiener bin, immer verkniffen und für die Bundesliga hat mein mäßiges Talent nicht ganz gereicht, aber Sie wissen, was ich meine. Torschusstraining: Ich laufe auf den Torwart zu, schieße – natürlich mit links – ab und treffe.

Papa steht am Spielfeldrand. „Trainiere auch den rechten Fuß“, ruft er mir zu. Ich bin genervt. Mit dem rechten Fuß klappt es doch nicht. Aber Papa hatte wie so oft recht. Mit der Zeit entwickelt sich bei mir die Beidfüßigkeit. Im Fußball ist das ein Vorteil, denn es macht mein Spiel schwer berechenbar.

Wir Linkshänder sind Schmierfinken

Dann muss es doch auch mit der Beidhändigkeit klappen, oder? Na ja, nicht ganz. Ich war in der Grundschulklasse einer von zwei Linkshändern. Zwar ist das Schreiben mit der Linken an Schulen nicht mehr verboten, aber auch auf der Schulbank haben wir Linkshänder mit Hindernissen zu kämpfen.

Ich erhielt von meiner Lehrerin eine spezielle Schreibtischunterlage für Linkshänder. Eine gut gemeinte Hilfe, die allerdings nicht ihren Zweck erfüllte. Die Unterlage sollte mir zeigen, wie ich meinen Oberkörper positionieren, meine rechte Hand – ja, ein rechter Handabdruck war auf der Unterlage zu sehen – meinen linken Ringfinger und das Schreibheft platzieren musste. Und diese Körperhaltung musste ich beibehalten.

Ich fühlte mich verkrampft und versteift. Ein bequemes Schreibgefühl ist etwas ganz anderes. Ganz abgesehen von der Spirale am linken Rand des Schreibblocks, wegen der ich regelmäßig mit roten Flecken an meiner linken Hand und blauen Flecken im Heft nach Hause kam. Wir Linkshänder sind schließlich fast immer die Schmierfinken, wenn wir mit der Hand die Tinte verwischen. Probleme, die Rechtshänder nicht kennen.

Links ist teuflisch

Aber ich hatte es auf jeden Fall besser als mein Opa – Herr hab ihn selig. Er stammte aus dem streng katholischen Kalabrien in Süditalien. Was das mit Linkshändern zu tun hat, fragen Sie sich? Der Einfluss der katholischen Kirche ist in Kalabrien groß – zu groß. „Dein Opa“, erzählten mir Verwandte, „war genauso wie du. Er tat alles mit der linken Hand. Wirklich alles.“

Nur das Schreiben, sagten sie, „das hat er mit rechts gemacht. Oder besser gesagt, versucht.“ So galten Linkshänder – in den Augen der Kirche – als das Böse, das Teuflische. Ich meine, wie können wir es nur wagen, mit der linken, der falschen Hand zu schreiben? Demnach wurden Linkshänder bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts umerzogen. Aus ihnen sollten Rechtshänder werden. Eine ziemlich linke Nummer der Kirche, wie ich finde.

Das Thema Gitarre ist schnell erledigt

So wie ich Fußball mit zwei linken Füßen spielte, hatte ich im musikalischen Bereich zwei linke Hände. Ich wollte mich an der Gitarre eines Freundes ausprobieren. „Warte mal, du musst sie umdrehen“, sagte er mir, als ich den Korpus mit der linken und den Kopf mit der rechten Hand hielt. „Aber ich bin Linkshänder“, entgegnete ich. „Ach, dann brauchst du eine andere Gitarre.“ Damit war auch das Musizieren vom Tisch, denn für solche Sonderanfertigungen für Linkshänder muss man tief in die Tasche greifen, ob mit der linken oder der rechten Hand. Gilt übrigens auch für verschiedene Blas- und Streichinstrumente.

„Das machst du mit links“

Apropos Musik: Für Rechtshänder klingt der Spruch „Das machst du mit links“ bestimmt wie Musik in den Ohren. Wenn ich den Spruch hörte, dachte ich mir nur schmunzelnd: „Ja, womit auch sonst, wenn nicht mit links?“ Aber es geht noch weiter. Eine Frage an die Rechtshänder unter Ihnen: Wurden Sie jemals gefragt, ob Sie etwa Rechtshänder sind? Vermutlich nicht, denn es ist völlig normal, unter Rechtshändern zu sein. Bei uns ist das anders. Es ist immer schön, auf „Artgenossen“ zu treffen, bei denen ebenfalls die linke Hand dominiert. „Du bist auch Linkshänder?“, „Ach, noch ein Linkshänder!“ – Sätze, die ich sehr oft gehört habe und nach wie vor hören werde. Denn als Linkshänder falle ich auf. Als Linkshänder wirke ich anders. Als Linkshänder muss ich mich im Alltag so manchen Hindernissen stellen – die Welt ist schließlich für Rechtshänder gemacht.

Müssen wir Linkshänder jetzt den Kopf hängen lassen? Keinesfalls, denn die linke Hand ist genauso nützlich wie die rechte. Und keine Sorge, liebe Rechtshänder. Es ist bequem, mit der linken Hand zu schreiben, zu essen, zu greifen und zu tasten. Wir unterscheiden uns bis auf die Dominanz einer Hand kaum von euch. Natürlich sind wir wenige, genau genommen, in deutlicher Unterzahl. Oder, wie ich es formuliere: Wir sind Linkshänder – beste Qualität in limitierter Auflage.