Lieber Wolfgang Grupp,

wie es Ihnen wirklich geht, weiß ich nicht – aber ich hoffe, jeden Tag ein bisschen besser. Körperlich, das ist das eine. Aber auch im Kopf, das ist mindestens genauso wichtig. Ich würde sogar sagen: noch wichtiger. Denn was nützt ein gesunder Körper, wenn der Geist nicht mitmacht?

Sie haben in dieser Woche einen Brief veröffentlicht, der erklären soll, was am Morgen des 7. Juli in Ihrem Haus in Burladingen passiert ist. Dass Sie an dem Tag versucht haben, sich das Leben zu nehmen – das Gerücht hatte sich schnell verbreitet. Dass Sie es jetzt bestätigt haben, ist ein Schritt, der viel Mut erfordert haben muss. Aber es war ohne Zweifel richtig, weil es nicht nur Ihnen hilft, sondern auch vielen, vielen anderen Menschen helfen wird.

Wenn ein prominenter Unternehmer wie Sie zugibt, an Altersdepressionen zu leiden, dann wird das ganz sicher dazu führen, dass Kinder bei ihren Eltern im Ruhestand genauer hinhören und auf Warnzeichen achten. Wenn man aus Ihrem Unglück etwas Positives ziehen will, dann ist es das.

Und das sollte für Sie einer von ganz vielen Gründen sein, zu sagen: Jetzt erst recht! Ein Grund, wirklich weiterleben zu wollen, weil das auch mit 83 noch Spaß machen kann. Vielleicht nicht jeden Tag richtig viel, denn klar: Nicht mehr so zu können, wie man eigentlich will – das ist schwer zu akzeptieren. Aber, Herr Grupp, ich behaupte mal: Dieses Gefühl kennt jeder in Ihrem Alter, und die meisten schaffen es, sich damit zu arrangieren. Eine andere Wahl bleibt ja auch nicht, es sei denn …

Lassen Sie uns das Thema nicht tabuisieren, aber es ist auch wichtig, jetzt in die Zukunft zu schauen. Sie haben öffentlich gemacht, dass Sie ein Problem haben, und rufen andere in der gleichen Situation auf, sich Hilfe zu suchen. Tun Sie das bitte auch für sich! Depressionen lassen sich gut behandeln. Vielleicht müssen Sie Medikamente nehmen, vielleicht regelmäßig mit einem Therapeuten sprechen, aber weder das eine noch das andere ist etwas Schlimmes. Im Gegenteil, es wird Ihr Leben wieder lebenswerter machen.

Die Familie Grupp: Sohn Wolfgang Grupp Junior (von links), Ehefrau Elisabeth Grupp, Wolfgang Grupp und Tochter Bonita Grupp. Die Kinder ...
Die Familie Grupp: Sohn Wolfgang Grupp Junior (von links), Ehefrau Elisabeth Grupp, Wolfgang Grupp und Tochter Bonita Grupp. Die Kinder leiten die Firma seit 2024. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Natürlich werden Sie nicht jünger, irgendwo wird‘s immer zwicken, und vielleicht lässt Ihr Gedächtnis nach. Alt werden ist nicht einfach, aber wenn Sie sich in Erinnerung rufen, was Sie in Ihrem Leben alles geschafft haben, kann es das möglicherweise leichter machen. Und auch wenn Sie es zwischenzeitlich nicht geglaubt haben: Sie werden noch gebraucht. Als Ehemann, als Vater, als Freund – als Vorbild.

Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe gehören Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Alter. Deshalb möchte ich Ihnen sagen: Bedauern Sie nicht, was Sie getan haben. Sie sind am Leben, was am 7. Juli passiert ist, ist jetzt ein Teil dieses Lebens. Wichtig ist, wie Sie mit Ihrer Erkrankung umgehen – das soll in Erinnerung bleiben.