Diese eine Whatsapp-Nachricht vor ein paar Jahren, sie berührt Manfred Volk bis heute. „Harte Arbeit zahlt sich aus!“ schrieb ihm sein erstes Patenkind, ein Jugendlicher aus Somalia. Der Schüler hatte sich in Mathematik um eine ganze Note verbessert: Von einer Vier minus auf eine Drei minus.
Ein junger Mann geht seinen Weg
Und es sollte für ihn auch weiterhin gut laufen: „Er hat sich aus einem Schulpraktikum heraus eine Lehrstelle besorgt und danach einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen“, sagt Manfred Volk.
Dass der junge Mann, der als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland kam, seinen Weg gemacht hat, verdankt er zu einem guten Teil dem 69-jährigen Villinger. Manfred Volk und seine Frau Ute gehören zum Kreis der Ehrenamtlichen, die beim Projekt Brückenbauer als Paten junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren begleiten.
Die Brückenbauer sind beim Kreisjugendamt und dort bei der Einrichtung Impuls angesiedelt. Finanziert wird das Projekt über den Europäischen Sozialfonds und den Landkreis Schwarzwald-Baar, erklärt Sozialpädagogin Kerstin Lietzau vom Kreisjugendamt.

Insgesamt gibt es dort drei Patenprojekte: Neben den Brückenbauern ist das die Generationen-Patenschaft für Kinder und Jugendliche zwischen null und 14 Jahren sowie das Patenschaftsprojekt für Flüchtlingsfamilien und unbegleitete minderjährige Ausländer.
Wenn es zu Hause keine Unterstützung gibt
Die Ausgangssituationen der Patenkinder sind völlig unterschiedlich. Manche brauchen Hilfe bei der Bewältigung ganz lebenspraktischer Tätigkeiten, bei anderen sind es Lernthemen.
Längst nicht alle haben einen Migrationshintergrund. Was sie vereint: Ihre Eltern wollen oder können ihnen nicht die Unterstützung geben, die sie brauchen.
Oft bekommt Kerstin Lietzau die jungen Kandidaten für das Projekt Brückenbauer von Schulsozialarbeitern oder Lehrern vorgeschlagen. Dann macht sie sich auf die Suche nach Paten wie Manfred und Ute Volk.
„Bildung ist das Einzige, was hilft“
„Wir möchten der Gesellschaft damit etwas zurückgeben“, sagt Manfred Volk. Und fügt hinzu: „Bildung ist das Einzige, das jungen Menschen hilft, ihren Weg zu machen.“ Er weiß, wovon er spricht: Er und seine Frau haben einst auf dem Villinger Abendgymnasium ihr Abitur nachgeholt, um ihre beruflichen Träume wahr werden zu lassen: beide sind Wirtschaftsingenieure.
Als solcher hat Manfred Volk unter anderem in der Unternehmensberatung, Ute Volk lange Jahre bei der Deutschen Bank in Frankfurt gearbeitet.
Sinnvolle Tätigkeit in der Rente
Mit dem Beginn ihrer Rente im Jahr 2019 sind die beiden in Manfred Volks Heimatstadt Villingen zurückgekehrt. Schon zuvor hatten sie sich konkret überlegt, wie sie ihren Ruhestand gestalten wollen. „Solange wir noch gearbeitet haben, waren Ehrenämter zeitlich gar nicht möglich“, sagt Manfred Volk.
Mit Rentenbeginn war klar: Jetzt ist Zeit dafür. Zwei Tage pro Woche reservieren die beiden für ihre Patenkinder. Wiederholen mit ihnen Schulstoff, helfen bei der Suche nach Praktikumsplätzen. Telefonieren auch mal am Sonntagabend mit ihnen, um Glück für die Klassenarbeit am Montag zu wünschen.
„Wir kümmern uns nicht um Work and Travel in Australien, sondern um Basics.“Ute Volk, ehrenamtliche Patin
Und oft geht es schlicht darum, soziale Kompetenzen zu vermitteln, die in so vielen Lebensbereichen unabdingbare Grundlage darstellen.
Pünktlichkeit, saubere Kleidung, gewaschenes Haar
„Eins ist klar: Wir kümmern uns nicht um Work and Travel in Australien, sondern um Basics“, sagt die 66 Jahre alte Ute Volk. „Etwa, dass man pünktlich zu einem Termin erscheint, was heißt: Man ist 15 Minuten früher da.“ Oder dass man sich vor einem Termin auf dem Amt die Haare wäscht und saubere Kleidung trägt. „Wer von zu Hause ohnehin jegliche Unterstützung hat, braucht uns nicht.“
Lotsen auf dem Weg ins Berufsleben
Sie möchte ihren Patenkindern auf Augenhöhe begegnen. Gerade, wenn es um die Berufsfindung geht, die beim Projekt Brückenbauer ein zentrales Element darstellt.
„Die jungen Menschen sollen einen Beruf finden, der ihnen Spaß macht“, sagt Ute Volk. Auf dem Weg dahin will sie helfen, jedoch ohne Entscheidungen zu bewerten. Ohne abschätziges „Echt jetzt?“, das schon von Anfang an Zweifel an der Berufswahl säen würde.
Daumen drücken, wenn es sonst keiner tut
Das respektvolle Miteinander schätzen Paten und Patenkinder gleichermaßen. Es sei immer wieder berührend zu erleben, wie sich die Jugendlichen freuen, wenn sie wüssten, dass ihnen jemand für eine Klassenarbeit die Daumen drücke und an sie glaube, sagt Ute Volk. Unterstützung, an der es vielen zu Hause mangelt.
Drogen, Schulden, fehlende Perspektiven
Da sich das Projekt Brückenbauer an junge Menschen bis 25 Jahren richtet, leben manche von ihnen bereits alleine. Hier kommen dann andere Themen ins Spiel, weiß Kerstin Lietzau:
„Oft sind sie bereits straffällig geworden, haben Drogenprobleme oder sind verschuldet.“ Dann begleiten die Paten sie beispielsweise auch zu Beratungsstellen – ein Schritt, der für Betroffene oft nicht einfach sei.
Stärken statt Öl ins Feuer gießen
Andere wiederum brauchen emotionale Stärkung, wenn es darum geht, Diskussionen in der Familie standzuhalten, weiß die Sozialpädagogin. Etwa, wenn der Vater der Meinung ist, Sohn oder Tochter könnten doch einfach arbeiten gehen, ohne zuvor eine Ausbildung zu machen.
Keine einfache Situation für alle Beteiligten. „Die Paten würden in einem solchen Fall nie etwas gegen den Vater sagen, das würde nur Öl ins Feuer gießen“, sagt Kerstin Lietzau. Stattdessen sei es wichtig, das Patenkind in seinem Wunsch nach einer qualifizierten Ausbildung zu stärken und für sich einzustehen.
Wertschätzung ist wichtig
Auch die Paten selbst werden vom Jugendamt unterstützt: Sie haben stets Kontakt zu Kerstin Lietzau, es gibt ein Sommerfest für die Ehrenamtlichen und regelmäßige Treffen. Alle sechs bis sieben Wochen wird außerdem eine Supervision angeboten, bei der auch Probleme besprochen werden können.
Auch Fortbildungen zu Themen wie Autismus oder Schulden werden angeboten. Das sei sehr wichtig, sagt Kerstin Lietzau. Zeige es doch auch, dass der Einsatz der Paten wertgeschätzt werde.
„Man lernt, über den eigenen Tellerrand zu blicken“
Auch sie selbst profitieren von der Arbeit mit den jungen Menschen, sagen Ute und Manfred Volk. „Es eröffnet neue Perspektiven. Man lernt, über den eigenen Tellerrand zu blicken“, findet Ute Volk.
Manchmal müsse man Dinge auch laufen lassen und jungen Menschen die Freiheit geben, eigene Entscheidungen zu treffen. Auch wenn absehbar ist, dass ihnen eine andere Wahl manches erspart hätte. Eigene Erfahrungen für den eigenen Weg, der irgendwann ohne die Paten gegangen wird.