Viele winken Dennis Michels fröhlich zu, während er vor seinem Friseursalon an der Überlinger Promenade sitzt. Der 47-Jährige ist bekannt im Städtchen, nicht zuletzt durch seine Oberbürgermeister-Kandidatur im letzten Jahr. Auch als Veranstalter des Christopher-Street-Days (CSD) hat sich der Friseurmeister einen Namen gemacht, wobei er betont: „Wir sind ein Team aus guten Freunden, das den CSD zum dritten Mal organisiert.“

Gemeinsam habe man das Motto „Jetzt Andersrum“ gewählt, um ein kraftvolles, buntes Zeichen für die Rechte der queeren Gemeinschaft zu setzen. „Wir wollen zeigen, dass es anders geht: Dinge neu denken, Herzen öffnen, neue Wege gehen“, wirbt der Vorsitzende des Vereins CSD Überlingen für gegenseitige Toleranz. So wolle man weder überfordern noch anklagen, denn damit bringe man niemanden dazu, seine Sichtweise zu ändern.

Rechte Szene im Aufwind

„Ich will ein Fundament schaffen, auf das man aufbauen kann“, schildert Michels bildhaft seine Vision. Was die vorigen Generationen erkämpft hätten, müsse man mit Bedacht weiterführen, um weitere Stockwerke auf solidem Grund zu errichten. Für sein Vorgehen werde er in der Community auch kritisiert, gibt der 47-Jährige zu. Doch mit Blick auf den Aufwind, den die rechte Szene derzeit erfährt, will er den Bogen nicht überspannen: „Wir bewegen uns auf dünnem Eis und es gibt Gruppen, die mit dem Bunsenbrenner über unser Eis gehen wollen.“ Dennoch macht er deutlich, dass man keinen Schritt zurückgehe: „Es gibt Menschenrechte und Grundwerte – und dazu gehört, dass queere Menschen leben dürfen, wie sie wollen.“

Stolz präsentiert Dennis Michels das Programm für den dritten Überlinger CSD. Gefeiert wird zum Abschluss in seinem Friseursalon.
Stolz präsentiert Dennis Michels das Programm für den dritten Überlinger CSD. Gefeiert wird zum Abschluss in seinem Friseursalon. | Bild: Miriam Altmann

Die Situation vor Ort schildert Michels als unkompliziert: Weder werde man angefeindet, noch störe sich jemand an gleichgeschlechtlichen Paaren. „Überlingen hat einen konservativen Einschlag, ist aber wahnsinnig offen“, weist er auf einen scheinbaren Widerspruch hin. So sei nicht nur die Stadt, sondern auch die evangelische Kirche beim CDS mit im Boot. „Dekanin Regine Klusmann war sofort Feuer und Flamme“, kündigt der 47-Jährige die Möglichkeit einer persönlichen Segnung durch sie oder den Pfarrer und Transmann Samuel Schelle an.

Beratungszentrum als Vision

Mit einer Gegenveranstaltung wie im letzten Jahr rechnet der Organisator nicht. „Wir haben der AfD nichts getan, warum sollte uns die AfD dann was tun?“ Auch mit dem Einzug der rechtspopulistischen Partei in den Gemeinderat habe er keinen Stimmungswandel festgestellt. „Wir können koexistieren, Demokratie hat viele Seiten.“ Dennoch benötige es Schutzräume vor Ort, um queere Menschen und deren Angehörige zu beraten. „Ich versuche hier eine Szene aufzubauen, aber das heißt nicht nur eine Kneipe zu öffnen und einen Regenbogen dranzukleben“, macht Michels deutlich. Dafür benötige es aber ehrenamtliche Unterstützung.

Regenbogen in Überlingen: Auch am Einkaufszentrum La Piazza wird für den CSD geworben.
Regenbogen in Überlingen: Auch am Einkaufszentrum La Piazza wird für den CSD geworben. | Bild: Miriam Altmann

Dass der Bedarf da sei, merke er, wenn sich junge Kunden bei ihm outeten. Obgleich es heute einfacher sei als früher, zu seiner sexuellen Orientierung zu stehen, habe er selbst glücklicherweise keine Ablehnung erfahren – bis auf eine Ausnahme. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt Michels über die verletzende Bemerkung. „Und wenn man sowas ständig an den Kopf geknallt kriegt, ist es klar, dass man sich dann nicht traut.“ Daher appelliert er an alle Eltern: „Wenn das Kind den Mut und das Vertrauen hat, sich zu outen, dann sollte man für es da sein.“

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Zeichen für Liebe und Toleranz

Gegenseitiges Verständnis soll auch beim CSD im Mittelpunkt stehen, der das Leben feiere und für alle Menschen da sei, verdeutlicht Michels, der mit 500 bis 600 Personen rechnet. „Mein Ziel ist, dass irgendwann 30.000 Menschen kommen und Liebe, Respekt, Gemeinschaft und Toleranz feiern.“ Neben der Pride-Flagge am Landungsplatz werde am Samstag vielleicht auch eine am Rathaus hängen – „das wäre ein starkes Zeichen“.