Wenn nach einem starken Sommerregen das Telefon bei Dachdeckermeister Mike Schilling in Grünkraut im Landkreis Ravensburg klingelt, dann weiß er: Irgendwo ist ein Dach nicht mehr so dicht, wie es sein soll. Meist bemerken die Hausbesitzer, dass der Regen nicht mehr wie üblich über die Regenrinne ins Fallrohr gelangt, sondern überall an der Dachkante herunterkommt, weil die Dachziegel nicht mehr an allen Stellen fest schließen. Immer häufiger stellen Schilling und seine Mitarbeiter vor Ort dann fest: Die Ursache für das leckende Dach sind Fehler beim Anbringen der Photovoltaik-Anlage.
„Es ist leider ein bekanntes und zunehmendes Problem, dass bei der unsachgemäßen und fachlich nicht korrekt durchgeführten Installation Ziegel oder Dachkonstruktionen beschädigt oder gar zerstört werden“, sagt auch Patrick Birnesser, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands des Dachdeckerhandwerks Baden-Württemberg.
Hausbesitzer nehmen fehlerhafte Konstruktion in Kauf
Nicht selten nehmen Hausbesitzer diese fehlerhafte Konstruktion aber in Kauf – manche wissentlich, andere, weil sie auf ein vermeintlich sehr günstiges Montageangebot für die PV-Anlage setzen. „Die Ursache für das leckende Dach liegt meist in der Befestigung der Anlage“, sagt Mike Schilling.
Um eine PV-Anlage zu montieren, braucht man eine Halterung, welche die Last der Anlage auf die Holzlattung des Daches überträgt. „Dazu gibt es passgenau Lösungen vom Ziegelhersteller, eher universelle Stahlbügel und eine Mischvariante aus beidem“, erklärt Mike Schilling. Die Preise der günstigsten Universallösung liegen bei etwa 1000 Euro, die der teuersten Herstellerlösung bei etwa 5000 Euro.
Ziegel bekommen mit der Zeit Risse
Während die Herstellerlösung darauf setzt, die Halterungen wie Ziegel ins Dach zu integrieren, braucht es bei den universell einsetzbaren Stahlbügeln eine kleine Lücke in den Dachziegeln, um sie mit der Holzlattung zu verbinden. „Dachziegel werden ja so verlegt, dass sie eine geschlossene Fläche bildet, durch die kein Regen aufs Unterdach kommen soll“, sagt Mike Schilling.
Um die Stahlträger anzubringen, müsse man dann aber ein kleines Loch in die Ziegel fräsen. „Von 100 montierten Anlagen geht das bei etwa der Hälfte schief“, so Schillings Erfahrung.
Schiefgehen bedeutet, dass die Ziegel mit der Zeit Risse bekommen – manchmal direkt während der Montage, wenn viele Handwerker auf dem Dach unterwegs sind. Oder im Winter, wenn eine große Schneemenge auf der Anlage lastet. Oder wenn Sturmböen bei einem Sommergewitter auf die PV-Panele einwirken, als wäre diese ein Segel. Durch die entstandenen Risse kann dann Feuchtigkeit aufs Unterdach gelangen.
Nicht alle Firmen weisen auf Risiken hin
Der Prüforganisation Tüv Süd zufolge wurden insbesondere zwischen den 1990er- und den frühen 2000er-Jahren viele solche Universallösungen verbaut, weil es damals nur eine begrenzte Zahl von speziellen Dachhaltern gab. „Heute gibt es eine wesentlich größere Bandbreite von Montagemöglichkeiten. Zudem haben die Ziegelhersteller zu fast jedem Standardziegel einen speziellen PV-Formziegel im Programm“, sagt Thomas Oberst, Sprecher beim Tüv Süd. Zum Einsatz kämen diese dennoch nicht immer – aus Kostengründen.
„Zu einer seriösen Beratung gehört es, dass ich die Kunden darauf hinweise, dass diese günstige Befestigung eben ein gewisses Risiko mit sich bringt“, sagt Mike Schilling. Gerade Firmen, die nicht unbedingt vor Ort ansässig seien und die Kunden mit ihren vermeintlich günstigen Angeboten locken möchten, würden darauf aber nicht immer hinweisen. Oft arbeiteten diese unter großem zeitlichen Stress, nicht selten seien unerfahrene Mitarbeiter dabei.
Reparatur kostet 25.000 Euro
Sparen tut man damit am Ende nicht unbedingt. Denn obwohl viele Hausbesitzer das Leck am Dach schnell bemerken – eben weil überall am Dach der Regen herunterkommt oder sich im Winter plötzlich an Stellen Eiszapfen bilden, an denen es bislang nie welche gab – kommen bei einer Reparatur hohe Kosten auf sie zu. „Letztlich bezahlt man die Montage der PV-Anlage dann zweimal“, sagt Mike Schilling.
Denn wieder muss ein Gerüst montiert und die PV-Anlage demontiert werden. „In aller Regel wollen die Kunden dann überall andere Halterungen, damit sich die Geschichte nicht wiederholt“, sagt Mike Schilling. Also werden die Halterungen ausgetauscht und alles wieder montiert. Kostenpunkt: Rund 25.000 Euro – wenn es nicht zusätzlich noch zu Folgeschäden kommt. „Wird der Schaden zu spät bemerkt und es fallen weitere Sanierungen an der Holzlattung, an der Dämmung oder durch Malerkosten an, kommen schnell nochmals 5000 bis 8000 Euro dazu“, sagt Mike Schilling.
Betreiber muss Beweis für Mangel bringen
Grundsätzlich ist es zwar so, dass derjenige, der die Schäden am Dach bei oder durch die Montage einer PV-Anlage verursacht hat, diese auch tragen muss – also die Montagefirma beziehungsweise deren Haftpflichtversicherung. In der Regel gilt auch eine fünfjährige Gewährleistungspflicht. Sie kann allerdings nur greifen, wenn es den Errichter noch gibt. „Wir beobachten gerade in diesem Bereich eine sehr hohe Fluktuation bei den entsprechenden Unternehmen“, sagt Thomas Oberst.
Hinzu kommt eine weitere Schwierigkeit: „Mit der Abnahme beziehungsweise Übergabe der Anlage kommt es zu einer Beweislastumkehr: Der Betreiber muss nun beweisen, dass die PV-Anlage mangelhaft ist oder dass die Schäden durch die Installation entstanden sind“, sagt Christian Dürschner, der als Sachverständiger für Photovoltaik-Anlagen in Erlangen arbeitet und auch in der Deutschen Gesellschaft für Solarenergie als PV-Experte aktiv ist.
Fachmann zu Abnahme hinzuziehen
Um das als Hausbesitzer nachweisen zu können, ist es hilfreich, vor der Installation Fotos vom Dach zu machen, die zeigen: damals war es dicht. Eine weitere Möglichkeit: bei der Abnahme der Anlage einen Fachmann hinzuzuziehen, der die fachgerechte Installation unabhängig prüft. „Das ist sinnvoll, wird seitens der Betreiber aber aus Kostengründen oft nicht beauftragt“, sagt Christian Dürschner.
Kann man solche Beweise nicht vorlegen und die Montagefirma zeigt sich nicht kooperationsbereit, bleibt nur der Rechtsweg – und der ist zäh und teuer. Um so etwas möglichst zu vermeiden, empfiehlt Patrick Birnesser Hausbesitzern, die das Anbringen einer PV-Anlage planen, sich frühzeitig mit einem qualifizierten Dachdeckerbetrieb in Verbindung zu setzen und die Installation zu besprechen. Auch unabhängige Sachverständige können das Dach vor der Montage auf Eignung für die PV-Anlage prüfen.