„I will kill you“ (“Ich werde dich töten“) soll er im April in der Asylunterkunft in Wehr gerufen haben. Und mit dem Messer auf einen Wachmann losgegangen sein. Dafür, wegen versuchten Totschlags, wurde ein 26-jähriger Angeklagter aus Nigeria jetzt zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Aber bevor es ins Gefängnis geht, wird er in die forensische Abteilung des Zentrums für Psychiatrie Reichenau eingewiesen. Um dort seine schizotype Störung, die ihm ein Sachverständiger attestiert hatte, zu behandeln. Die Unterbringung wurde per sofort angeordnet, auch ohne Rechtskraft des von Richter Martin Hauser verkündeten Urteils. „Der Angeklagte ist für die Allgemeinheit gefährlich. Ihn auch nur für einen weiteren Tag auf freien Fuß zu lassen, wäre nicht zu verantworten“, so Hauser.

Im dreitägigen Verfahren des Landgerichts Waldshut-Tiengen wurde der 26-Jährige intensiv befragt, auch nach den Motiven für sein Auswandern 2016 nach Europa. Über Land war er nach Libyen gekommen und dort in ein Schlauchboot gestiegen. Auf dem Mittelmeer las ihn ein Seenotrettungsschiff auf und brachte ihn nach Sizilien.

Aushilfsjobs statt Fußballerkarriere

Doch statt in Italien als Musiker oder Profikicker durchzustarten, wie er es sich laut eigenen Aussagen erträumt hatte, schlug er sich mit Aushilfsjobs durch. 2022 kam er nach Deutschland und landete in der Asylunterkunft in Wehr. Wo er schon bald mit dem Gesetz in Konflikt kam und Vorstrafen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte kassierte. Er soll in der Unterkunft eine Glasflasche nach einer Mutter und ihrem Kind geworfen und den Heimleiter aus Unzufriedenheit mit der Zimmerbelegung mit einem Messer bedroht haben.

Zeugen sagten aus, dass der Mann in Wehr völlig isoliert gelebt und seine Mitbewohnener teils massiv belästigt habe. Mütter berichteten, wie er ihre dort lebenden Kinder bedroht, eingeschüchtert und auch geschlagen haben soll.

An Tag drei der Verhandlung wurde auch der zweite Wachmann befragt, der mit seinem angegriffenen Kollegen zum Zeitpunkt der Tat Dienst in der Unterkunft hatte. Dieser bestätigte die Aussagen seines Kollegen, wonach der Angeklagte gezielt auf den Mann losgegangen sei. Der Tenor: Mit dem Messer in der Hand und ausholenden Armbewegungen hätte der 26-Jährige den Security-Mann töten können. Wäre dieser nicht den gezielt auf den Hals gerichteten Stichen ausgewichen. Und hätte sich dieser nicht mit dem Schlagstock zur Wehr gesetzt.

Angeklagter hörte Stimmen und fühlte sich verfolgt

Im Verfahren hatte auch ein Sachverständiger berichtet. Dieser war zum Schluss gekommen, dass der Angeklagte „paranoide Persönlichkeitsstrukturen“ aufweise. Hatte dieser doch angegeben, Stimmen zu hören und sich beobachtet zu fühlen. Zwar liege beim Angeklagten keine paranoide Schizophrenie vor, wohl aber eine schizotype Störung. So empfahl der Sachverständige dem Landgericht, von einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten auszugehen und ihn folgerichtig in ein psychiatrisches Krankenhaus einzuweisen.

In ihren jeweiligen Schlussvorträgen an Tag drei des Verfahrens konnten sich alle Parteien dem anschließen. Der Staatsanwalt nannte die Aussagen des mit dem Messer attackierten Wachmannes „glaubhaft“, ganz im Unterschied zu den Aussagen des Angeklagten, er habe niemanden verletzen wollen. „Der Angeklagte war der Aggressor“, so der Staatsanwalt. Und der Wachmann habe lediglich in Notwehr gehandelt, als er den Angriff mit dem Schlagstock abwehrte, damit aber, „versehentlich“, den Angeklagten am Kopf traf und verletzte, während er selbst unverletzt blieb.

Aber eben: Laut Staatsanwalt hat das Messer den Hals des Mannes um nur wenige Zentimeter verfehlt. „Daran, dass der Angeklagte des versuchten Totschlags schuldig ist, besteht kein Zweifel,“ so der Staatsanwalt. Dieser hielt dafür eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten für „angemessen“. Sprach sich aber dafür aus, den Angeklagten vor Haftantritt in eine psychiatrische Klinik einzuweisen.

„Der wollte meinen Mandanten töten“, so auch der Verteidiger des angegriffenen Wachmanns, der zudem Nebenkläger war. „Der wollte und der wusste das oder nahm es zumindest billigend in Kauf“, so der Anwalt. Aber auch er plädierte dafür, von der verminderten Schuldfähigkeit des Mannes auszugehen. Dem schloss sich der Verteidiger des Angeklagten an.

Das letzte Wort hat der Angeklagte

Der Angeklagte hatte vor Urteilsverkündung das letzte Wort. „Ich möchte eine gute Person sein für dieses Land“, sagte er. Und schob sein Verhalten am Tag der Tat auf den starken Alkoholkonsum im Vorfeld. Zuvor sei er stets ein friedliebender Mensch gewesen, von dem keine Gewalt ausgegangen sei. Bis Verhandlungsschluss wollte er es aber nicht einsehen, psychisch krank zu sein. Und versprach: „Wenn ich nach Wehr zurückkehre, wird sich das Vorgefallene mit Sicherheit nicht wiederholen.“ Aber dazu kommt es ja nicht mehr.

Hauser betonte, dass das Gericht mit vier Jahren Haft unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß geblieben sei. Als strafmildernd wertete das Gericht auch die traumatischen Erfahrungen des Angeklagten auf seiner Flucht übers Mittelmeer.

Das waren die Prozesstage