Georg Frohm und seine Mitarbeiter im Autohaus Waser in Tiengen erforschen aktuell den Arbeitsalltag neu. Seit diesem Monat läuft die Vier-Tage-Woche im Betrieb. „Wir wollen mit der Zeit gehen und einen modernen Schritt wagen“, macht der Geschäftsführer deutlich.
Seit einem Jahr überlegt, rechnet und plant Frohm. Anders sein, das sei ihm wichtig gewesen: „Es reden alle von der Vier-Tage-Woche, aber kaum jemand wagt den Schritt.“ Nun nimmt das Autohaus am Hochrhein selbst eine Vorreiterrolle ein.
Entscheidung hatte viele Beweggründe
Wieso sich der Geschäftsführer für das Modell entschied? „Die Anforderungen im Beruf steigen, der Verwaltungsaufwand wächst und die Technik wird komplizierter. Außerdem gehen alle studieren und kaum jemand möchte noch Kraftfahrzeugmechatroniker werden.“
All das führe zu dem Problem, dass die Last für die Mitarbeiter stark steige. „Sie wird auf wenige Schultern verteilt. Das geht mit der Zeit auf die Gesundheit“, merkt Georg Frohm an. So habe er sich nach langem hin und her dazu entschlossen, die Erholungsphase über das Wochenende durch die Vier-Tage-Woche zu verlängern.
Das oberste Ziel: Die Ressource Arbeitskraft schonen. „Wir hatten zwar schon zuvor sehr wenige Krankheitstage im Betrieb, aber mit der Vier-Tage-Woche sollen es laut Studien noch weniger sein“, merkt Frohm an.
Die Vier-Tage-Woche im Autohaus
Nach dem Entschluss, die Vier-Tage-Woche einzuführen, habe der Geschäftsführer Rücksprache mit seinen Handwerkern gehalten. Die Quintessenz aus den Gesprächen: „Das Leben sollte wie bisher weitergehen. Das heißt, das Gehalt durfte durch das neue Modell nicht sinken.“
Gesagt, getan. Seit Mai arbeiten alle Kraftfahrzeugmechatroniker im Autohaus an vier Tagen pro Woche – bei gleichem Gehalt. „Allerdings sind sie an den vier Tagen, an denen sie vor Ort sind, jetzt eine Stunde länger im Einsatz. Von 7 bis 17.15 Uhr“, erklärt Frohm das Modell.
Wo gibt es überall die Vier-Tage-Woche?
Eine Antwort auf die Frage, ob das Autohaus mit der Entscheidung für die Vier-Tage-Woche am Hochrhein allein ist, oder sich in guter Gesellschaft befindet, lässt sich derzeit nicht sicher beantworten. Sowohl bei der Industrie- und Handelskammer Hochrhein Bodensee (IHK) als auch bei der Handwerkskammer werden derzeit keine Zahlen erhoben, wie viele Betriebe in der Vier-Tage-Woche arbeiten.
Petra Schlitt-Kuhnt, Sprecherin der Handwerkskammer, schreibt: „Wir wissen, dass das Modell bereits bei einigen Einzelbetrieben läuft. Bei einem Metallbetrieb (allerdings nicht am Hochrhein) ist sogar eine 3-Tage-Woche geplant.“ Klar ist aber, dass das Tiengener Autohaus eine Vorreiterrolle einnimmt.
Weitere Beispiele gibt es unter anderem am Bodensee: Bei Flugzeugsitzeherstellers ZIM Aircraft Seating aus Immenstaad ist die Vier-Tage-Woche schon seit Januar Realität und auch bei Rolls-Royce Power Systems (RRPS) gebe es Arbeitszeitmodelle, die eine Vier-Tage-Woche ermöglichen
Schon in der ersten Woche Verbesserungswünsche
Durch die neuen Arbeitszeiten sparen sich die Mitarbeiter im Autohaus Waser so vier Stunden pro Woche. Der Geschäftsführer rechnet vor: „Für das Unternehmen bedeutet das wiederum trotz gleichgebliebenem Lohn eine Gehaltssteigerung von etwa 10 Prozent pro Mitarbeiter.“
Ein Teil der Mitarbeiter habe am Freitag frei, der andere Teil am Montag. Eben so, dass immer jemand in der Werkstatt sei. „Von den Mitarbeitern kam bereits die Rückmeldung, dass sie auch gerne mal unter der Woche frei hätten. Das sind wir gerade noch am abklären.“
Hoffnung und Nachteile des Modells
Ob die Vier-Tage-Woche dem Autohaus Verluste oder Gewinne einfährt, zeige sich erst mit der Zeit. „In drei bis vier Monaten wird man das besser einschätzen können“, so Georg Frohm.
Neben all den Vorteilen gibt es aber auch Nachteile an dem neuen Modell. Der Geschäftsführer teilt mit: „Wenn jemand mit einer 5-Tage-Woche einen Anspruch auf 24 Urlaubstage hat, dann hat er mit einer Vier-Tage-Woche nur noch 20.“ Pech für den Mitarbeiter sei es außerdem, wenn einer der freien Tage zufällig auf einen Feiertag falle. „Dann hat er keinen Anspruch darauf, diesen Tag erstattet zu bekommen.“
Das sagt der Werkstattleiter
Michél Schmidt ist seit 2012 im Autohaus Waser tätig und leitet die Werkstatt. Er sieht in der Vier-Tage-Woche vor allem die Chance, neue gute Leute anzulocken. Sein erster Eindruck, als ihm sein Chef die Idee verbreitete: „Prinzipiell ist weniger Arbeit immer gut, aber wie sollen wir das machen? Du brauchst einfach gute Leute und irgendwie musst sie locken.“
Mit genug Personal sieht Schmidt aber kein Problem im neuen Arbeitsmodell. „Wenn wir uns erst mal eingespielt haben, sollte das kein Problem mehr sein. Corona hat ja gezeigt, dass die Dinge auch anders gehen“, ist sich der Werkstattleiter sicher.