Wutöschingen – Umarmungen, lang anhaltender Beifall und eine wertschätzende Laudatio prägten ein unvergessliches Konzert des Musikvereins Wutöschingen zum Jahresbeginn. Zum letzten Mal leitete Dirigent Josep Mas Mestre das Orchester, zum letzten Mal entlockte er den Musikern ihr ganzes Können. Gekonnt und charmant führte Vanessa Moser mit vielen Hintergrundinformationen zu den Stücken durch den Abend.

Im symphonischen ersten Teil des Jahreskonzerts zeigte das Orchester des Musikvereins Wutöschingen die ganze Bandbreite der Blasmusik. Höhepunkt war die eindrucksvolle Darstellung der Natur in der „Wald Sinfonie“ von Kees Vlak. Wer die Augen bei dieser Hommage an den Schwarzwald schloss, spazierte in seiner Fantasie um den Titisee. „Erst zwitschern die Vögel, dann geht musikalisch die Sonne auf“, schwärmte der Orchesterleiter im Gespräch mit dieser Zeitung von diesem Werk. Mit diesem Stück trafen Dirigent und Musiker das Thema des Abends: „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl.“ Benjamin Happ, Vorsitzender Repräsentation des Musikvereins, betonte: „Musik ist ein tolles Mittel, Gefühle zum Ausdruck zu bringen.“

Mit der Komposition „Rise Of The Firebird“ von Steven Reinecke ließ das Orchester den Feuervogel Phönix aus der Asche wiederauferstehen. Beim folgenden Stück „Fire In The Blood“ von Paul Lovatt-Cooper wurde das Wappen der Heilsarmee vom Orchester gekonnt und gefühlvoll musikalisch in Szene gesetzt. Der Dirigent wusste, dass er seinen Musikern beim ersten Teil ihr ganzes Können abverlangte. Durch seine emotionale, empathische Art, garniert mit einem Schuss Leichtigkeit, führte der Dirigent die Solisten und das Orchester aber gekonnt auch durch schwierige Passagen.

Erst rockig, dann locker und beschwingt ging es erst mit Guns¦‘n‘¦Roses in den Großstadt-Dschungel von Los Angeles. Danach bekam das beifallsfreudige Publikum mit „Tequini“ von Sven van Claster einen Tequila-Cocktail eingeschenkt. Für sein gekonntes Trompetensolo bekam Simon Süß zurecht auch von Josep Mas Mestre Beifall. Danach wurden den Zuhörern einige der größten Hits von Udo Jürgens (von Kurt Göble für Blasorchester arrangiert) serviert. Die Leichtigkeit von 99 Luftballons schwebte durch die Alemannenhalle, als das Orchester Hits von Nena (arrangiert von Peter M. Riese) spielte. Drei Zugaben erklatschte sich das begeisterte Publikum.

Es war Benjamin Happ anzumerken, dass ihm der Abschied von Josep Mas Mestre schwerfiel: „Du hast das Orchester weiterentwickelt, es trägt Deine Handschrift.“ Er habe den Musikern vermittelt, dass Musik mehr ist als Noten, entscheidend sei, was zwischen den Noten stehe. Der Vorsitzende erinnerte an viele gemeinsame Erlebnisse, Konzerte und besondere Begegnungen abseits von Proben und Auftritten. Ein Höhepunkt war die Konzertreise in die Heimat von Josep Mas Mestre – Barcelona. „Dabei haben wir gelernt, wie in Spanien Feste gefeiert werden.“

Obwohl der Musikverein Wutöschingen für ihn „eine Herzensangelegenheit“ sei, nehme er nun Abschied, bevor ihm irgendwann die Kraft zur Motivation der Musiker ausgehe. Allein der Weg von Konstanz und zurück für die Proben sei ein großer Aufwand. Happ zeigte Verständnis für diese Entscheidung. In einem Bildband sind viele gemeinsame Erlebnisse festgehalten, mit dem der Dirigent nun in Erinnerungen schwelgen kann. Orchester und Publikum zeigten mit anhaltendem Applaus, dass Josep Mas Mestre in Wutöschingen Spuren als Musiker und Sympathieträger hinterlässt.

„Die Musiker sind ein Teil meiner Familie geworden“

Josep Mas Mestre (29) wuchs in einer Vorstadt von Barcelona in Spanien auf. Nach dem Bachelor-Abschluss in Barcelona schloss er in Zürich die Master-Studiengänge Saxofon, Musikpädagogik und Orchesterleitung ab. Momentan ist er Lehrer an der Musikschule Konstanz und musikalischer Leiter verschiedener Musikvereine.

Herr Mas Mestre, wie war der heutige Abend für Sie?

Es war emotional und unglaublich schwierig. Für mich war es heute kompliziert, zu leiten, aber die Musiker haben es toll gemacht, außergewöhnlich gut sogar. Eine der besten Erfahrungen, die ich hier gemacht habe.

Was waren die größten Herausforderungen während Ihrer Zeit mit dem Orchester?

Ich war glücklich, weil mein Vorgänger Antonio Planelles Gallego eine musikalische Richtung begonnen hat, und ich komme von der gleichen Schule. Das Orchester hatte schon viel Qualität, als ich kam. Eine Herausforderung ist, die unterschiedlichen Altersstufen zusammenzuführen. Es gibt Jugendliche, die gerade angefangen haben, und dann haben wir Leute, die 50/60 sind. Ich muss eine Probe leiten, die beiden Gruppen Spaß macht. Trotzdem müssen sie anspruchsvoll und witzig sei.

Welche besonderen Momente werden Ihnen in Erinnerung belieben?

Einer dieser Momente war sicher dieses Konzert, die „Wald Sinfonie“ war extrem gut. Die Reise nach Barcelona im vergangenen Jahr war etwas Besonderes. In der Corona-Zeit haben wir 2021 das „Fest ohne Gäste“ organisiert. Jede Gruppe hatte einige Stücke vorbereitet, das war megaschön und lustig. Aber auch Fasnacht in Schwerzen oder die Patrozinien waren immer supercool.

Wie hat sich das Orchester unter Ihrer Leitung entwickelt?

Musik ist kein Metronom, das das Tempo anzeigt. Im Gegenteil, wir sind total flexibel mit dem Tempo und hören, um schnell zu reagieren. Das Orchester hat das verstanden. Aber es ist viel mehr. Hier gibt es Liebe, Freundschaft, die Musiker sind ein Teil meiner Familie geworden. Oft wird davon gesprochen, was ein Dirigent einem Orchester bringt, aber viel zu wenig davon, was ich bekommen habe: persönlich, freundschaftlich, musikalisch. Es ist unglaublich, was ich hier gelernt und bekommen habe.

Wie sehen Ihre zukünftigen Pläne und Projekte aus?

Ich bleibe in Konstanz, das gefällt mir und ich bin zufrieden. In Zukunft würde ich aber gerne nach Spanien umziehen, dort sind meine Familie und meine Freunde. Vielleicht möchte ich einmal eine eigene Familie gründen.

Fragen: Gerald Edinger