Sie waren fünf Jahre zusammen und lebten mit zwei Kindern in einer Wohnung im Raum Singen. Während das junge Paar anfangs noch eine glückliche Beziehung führte, entwickelt sich diese nach einem Jahr des Zusammenlebens zu einem Albtraum für beide. Streitigkeiten bestimmten den Alltag und aus kleineren Diskussionen wurden größere Auseinandersetzungen. Bis die Situation am 5. April 2021 gewaltsam eskalierte und die Beziehung endgültig auseinanderbrach.
Gepackt, geschlagen, getreten
Im Streit habe der Beschuldigte seine Freundin brutal gepackt, mehrmals ins Gesicht geschlagen und getreten. Er habe sie mit ihren drei- und fünf-jährigen Söhnen in das Kinderzimmer eingesperrt und gedroht, sie mit dem Fernseher zusammenzuschlagen. Dabei soll er mehrmals geschrien haben, er wolle sie umbringen. Diese Taten werden dem Angeklagten von seiner ehemaligen Partnerin unterstellt und wurden nun vor dem Amtsgericht Singen geprüft. Die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Bedrohung.
Angeklagter sieht es anders
Der Angeklagte erschien mit seiner Mutter und Verteidiger Peter Messmer vor Gericht. Die Vorwürfe der Geschädigten wolle er nicht auf sich sitzen lassen. „Noch nie in meinem Leben bin ich handgreiflich geworden. Nie habe ich sie gewalttätig angefasst oder geschlagen“, sagt der Mann. Doch er gibt zu, dass es in der Beziehung oftmals zu schweren Auseinandersetzungen gekommen sei. Sie hätten sich gegenseitig provoziert und beleidigt. Einen respektvollen Umgang hätten die beiden nie miteinander gehabt, so der Beschuldigte. Für die Eskalation im April konnte er keinen Auslöser nennen.
Keine Zeit für die Arbeitssuche
Seit knapp einem Jahr ist der Angeklagte arbeitslos und bezieht Sozialhilfe. Nach seinem Hauptschulabschluss arbeitete er hin und wieder als Leiharbeiter in unterschiedlichen Branchen. Eigenen Angaben zufolge habe er durch die privaten Probleme keine Zeit mehr gehabt, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Aus früheren Beziehungen hat der Mann vier Kinder, zu denen er nur wenig Kontakt hat. Deren Geburtstage konnte er vor Gericht nicht nennen. Die beiden Kinder, die mit ihm in der Wohnung seiner Ex-Partnerin lebten, sind nicht seine.
Der jüngste Sohn filmt das Geschehene
Wie bedrohlich die Situation am frühen Abend des 5. Aprils wirklich war, zeigt sich in Videoaufnahmen, die vom jüngsten Sohn der Geschädigten gefilmt und vor Gericht gezeigt wurden. Darin zu sehen ist die bitterlich weinende Mutter, die in die Ecke gedrängt auf dem Balkon steht und der Angeklagte, der brüllend auf sie losgeht. „Wirf dich doch vom Balkon. Es juckt mich nicht“, ruft er. Und wiederholt mehrmals: „Ich rufe dir einen Arzt. Du bist krank. Wenn du nochmal etwas sagst, verpasse ich dir eine Kopfnuss.“ Auch auf den Tonaufnahmen des Notrufs, den die Frau kurze Zeit später tätigte, hörte man den aggressiv brüllenden Angeklagten und das Opfer, das vor Angst kaum sprechen konnte. Nachdem die Bild- und Ton-Aufnahmen als Beweismittel vor Gericht gezeigt worden waren, herrschte Stille im Saal. Die Mutter des Angeklagten blickte zu Boden.
„Dass die Türklinke abfällt, ist ein Versehen“
Der Angeklagte schilderte den Vorfall weiter aus seiner Sicht, die stark von der seiner Ex-Freundin abwich. Nachdem er die Frau vom Balkon wegzerren konnte, ging der Streit im Kinderzimmer weiter. Beide Söhne waren anwesend. Dort habe er die Tür zugeschlagen, woraufhin die Türklinke abgefallen sei. „Ich wollte meine Ex und die Kinder nicht einsperren. Dass die Türklinke abfällt, war ein Versehen. Außerdem war ich selbst mit im Raum“, sagt er.
Auch für den Vorwurf, den Fernseher als Waffe genutzt zu haben, hatte der Beschuldigte eine Erklärung. Bei der Auseinandersetzung habe seine ehemalige Partnerin seine Kopfhörer zertreten. Den Fernseher habe er nur als Pfand aus dem Zimmer tragen und niemanden damit erschlagen wollen, verteidigte sich der Mann. Als die Polizei kurz nach dem Notruf am Tatort erschien, wurde der Angeklagte festgenommen. „Bei unserem Eintreffen fiel die geschädigte Frau meinem Kollegen aufgelöst in die Arme. Die Stimmung in der Wohnung wirkte sehr angespannt, aggressiv“, beschreibt der Polizeihauptkommissar, der als Zeuge geladen war.
Video- und Sprachaufnahmen sowie die Zeugenaussage des Polizisten ließen den Angeklagten unglaubwürdig erscheinen. Noch vor der Aussage der geschädigten Lebensgefährtin suchte Amtsrichterin Daniela Krack das Gespräch zum verteidigenden Rechtsanwalt Messmer. Sie machte auf die Möglichkeit der Einspruchs-Rücknahme aufmerksam und riet, das Verfahren auf den Strafbefehl zu beschränken. Das gelte vor Gericht als fiktionales Schuldeingeständnis. Falls durch die Zeugenaussage der ehemaligen Partnerin weitere belastende Details aufgedeckt würden, könnte das Strafmaß höher ausfallen als vor dem Einspruch.
Angeklagter lässt sich auf Strafbefehl ein
Zunächst zeigten sich der Angeklagte und dessen Rechtsanwalt skeptisch. Ein Geständnis wollte der Angeklagte nicht abgeben. Auch Verteidiger Messmer schien noch Hoffnung zu haben. „Sie allein wissen, was an diesem Abend passiert ist. Die Entscheidung, ob wir weiterverhandeln oder nicht, müssen sie selbst treffen“, sagte Richterin Krack. Nach längerem Zögern blickte der Beschuldigte zu seiner Mutter. Diese nickte und sagte: „Tu es“. Also stimmte der Mann dem Vorschlag der Richterin zu und ließ das Urteil auf den Strafbefehl beschränken. In diesem ist eine Geldstrafe von 1950 Euro vorgesehen, die als monatliche Rate von 50 Euro abbezahlt werden muss.