2020: Dieses Jahr hat für die Konstanzer Kommunalpolitik eine besondere Bedeutung. Denn im Sommer in vier Jahren endet die erste Amtszeit von Oberbürgermeister Uli Burchardt. Der SÜDKURIER hat alle im Gemeinderat vertretenen Fraktionen gebeten, ihre Erwartungen an die zweite Hälfte von Burchardts Mandat auf knappem Raum zu skizzieren. Geantwortet haben alle außer der Linken Liste Konstanz. Was sich die gewählten Volksvertreter erhoffen, gibt einen interessanten Einblick, welche Themen sie beschäftigen, wie sie die Politik des Oberbürgermeisters empfinden und wie unterschiedlich die Vorstellungen über die nächsten vier Jahre sind.

  • Normen Küttner, Freie Grüne Liste: Wir erwarten von OB Burchardt, die versprochene Bürgerbeteiligung in einem transparenten Verfahren umzusetzen und den Gemeinderat rechtzeitig über sensible Themen zu informieren. Die Verlagerung von Entscheidungen in kleinere, nichtöffentliche Gremien ist aus unserer Sicht kontraproduktiv. Denn gute Entscheidungen brauchen eine offene, sachliche Diskussionskultur, um von einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit akzeptiert zu werden. Wir erwarten die zügige Umsetzung der Ratsbeschlüsse durch die Verwaltung. Inhaltlich sollte der OB über die bisherigen Themen hinaus die soziale Gerechtigkeit in den Fokus seiner zukünftigen Tätigkeit stellen. Dies erfordert im Besonderen die große Integrationsaufgabe, die Konstanz leisten muss. Für dieses Ziel ist eine quartiersbezogene Stadtentwicklung ein geeignetes Instrument.
    Wir müssen bezahlbare Angebote (ÖPNV, Kultur, Sport), Kindertagesstätten und Schulen für alle Begabungen schaffen. Diese Kernaufgaben der Kommunalpolitik sollte der OB jetzt mit Herzblut anpacken.
  • Roger Tscheulin, CDU: Die großen Themen der Stadt Wohnen, Verkehr, Arbeit und Wirtschaft hat Uli Burchardt erfolgreich mit neuen Ideen und großer Dynamik angegangen. Sie bleiben auch weiterhin bestimmend. Die hierzu entwickelten und in Vorbereitung befindlichen Konzepte (z.B. Handlungsprogramm Wohnen, C-Lösung Verkehr, Masterplan Radverkehr, Gewerbeflächenkonzept, etc.) müssen konsequent umgesetzt werden. Weitere wichtige Aufgaben sind die Erweiterung der HTWG mit Gründerzentrums, die nachhaltige Entwicklung von Klein-Venedig und des Hörnle-Areals. Die Neuausrichtung der Spitalstiftung mit Erweiterung des Pflegeplatzangebots bleibt wie auch der Ausbau des Betreuungsangebots für Kinder auf der Agenda. Das zentrale Projekt „Bürgerbeteiligung“ muss zeitnah umgesetzt werden. Die neue MTK und das Veranstaltungshaus müssen erfolgreich starten, die Arbeit der Konzilstadt sollte über das Jubiläum hinaus gesichert werden. Die solide Finanzpolitik gilt es fortzusetzen. Wir erwarten von OB Uli Burchardt, dass er weiterhin mit neuen Ideen die Diskussion belebt.
  • Jürgen Ruff, SPD: Konstanz boomt. Noch nie hatte unsere Stadt so viele Einwohner, so viele Gäste, so viele Kunden in den Geschäften. Doch der Boom hat seine Schattenseiten: Mieten und Immobilienpreise sind explodiert.
    Immer mehr Menschen fragen sich: Frisst der Kommerz den Charakter unserer Stadt auf? Gibt es noch Raum für Gewerbe und Arbeitsplätze? Das Amt des Oberbürgermeisters gibt Uli Burchardt viele Gestaltungsmöglichkeiten. Er ist in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit gefordert, sie richtig zu nutzen. Gefragt sind demokratische Führung im Dialog mit der Bürgerschaft und gemeinsam mit dem Gemeinderat. Die SPD-Fraktion misst den OB daran, ob es gelingt, den Wohnungsbau voranzutreiben und so den Wohnungsmangel abzubauen. Notwendig ist eine soziale Stadtentwicklungspolitik, die Ausgrenzung und Verdrängung verhindert und Probleme des Alltags wie den sich stauenden Verkehr nicht vernachlässigt. Dazu braucht es eine Finanzpolitik, die heute weniger konsumiert, damit Konstanz für morgen investieren kann.
  • Ewald Weisschedel, Freie Wähler: Die Freien Wähler wünschen vom OB für die kommenden Jahre eine kluge, gelassene, alle Konstanzerinnen und Konstanzer einbeziehende Stadtpolitik. Über die Selbstverständlichkeiten wie Schulbau, Verkehrsmanagement, Stärkung der Zusammenarbeit mit Kreuzlingen etc. hinaus erachten wir es als enorm wichtig, dass der OB weiterhin die Schaffung neuer Baugebiete am Hafner und an der Schwaketenstraße vorantreibt und eine maßvolle Höhenentwicklung nach oben anstößt um neuen Wohnraum zu schaffen. Auf seine Agenda gehören außerdem die Festigung der Stellung der Stadt als Oberzentrum z. B. durch den Bau einer Konzerthalle und die Stärkung des Wissenschaftsstandortes.
    Konstanz darf sich den Rang als erste Stadt am See und in der Region nicht streitig machen lassen. Bewahrung der Substanz und Modernisierung für die Zukunft müssen symbiotisch zusammengehen.
  • Matthias Schäfer, Junges Forum: Wir erwarten, dass die Programme, die wir auf den Weg gebracht haben oder noch bringen werden, umgesetzt werden. Diese gilt es nicht nur zu verwalten, sondern weiter zügig abzuarbeiten, egal ob beim Wohnen, beim Verkehr oder der Bürgerbeteiligung. Dazu gehört auch gutes Zuhören über das eigene Umfeld, in dem man sich zwangsläufig aufhält, hinaus. Wenn Programme Nachbesserungen benötigen, dann sollen sie auch eingebracht und umgesetzt werden. Dies gilt auch für ungewöhnliche Maßnahmen jenseits der Einstellung "Das wurde schon immer so gemacht." Diese Einstellung teilt der OB nicht und wir unterstützen ihn daher bei den Bestrebungen, dass Konstanz eine Stadt bleibt, die lebenswert ist für die Menschen, die in ihr leben und sie bereichern. Familien, Kinder und Leute aller Altersschichten sollen sich hier wohlfühlen und sich Konstanz leisten können. Wir dürfen nicht zu einer Stadt für nur diejenigen werden, die es sich leisten können, hier zu leben, da sonst die Mischung nicht mehr stimmt.
  • Heinrich Everke, FDP: Der Bahnhof ist barrierefrei, der Bahnhofplatz fertig, das C-Konzept umgesetzt, der neue Konzilbrunnen sprudelt und Marktstätte und Paradiesstraße sind renoviert.
    Rechtsrheinisch gibt es einen Busbahnhof mit Kiosk, Toiletten, Platz für Wohnmobile und ein Konzept für die Seilbahn von dort bis zum Hafen, um die beiden Zentren zu verbinden. Am Döbele ist Baubeginn mit einem oberirdischen und einem unterirdischen Parkhaus. Hafner und weitere Baugebiete sind überplant mit Hilfe von freien Bauträgern und wenig Gängelung durch Vorschriften und Gestaltungsbeirat. Die Pläne für das Hörnle mit Hotelerweiterung, Tennisplätzen, Parkhaus und einer echten Open-Air-Arena sind fertig. Die HTWG baut ein neues Gründerzentrum und ein Parkhaus. Für den Flugplatz ist endlich eine Entscheidung gefallen. Wenn er bleibt, wird die Startbahn befestigt. An der Peripherie von Konstanz wird ein neues Gewerbegebiet erschlossen. Die Unterführung nach Klein Venedig ist im Bau. Eine neue Bürgerstiftung ermöglicht uns ein Museum für moderne Kunst und ein Konzerthaus.


Die Aufgaben des Oberbürgermeisters

1. Chef der Stadtverwaltung: Die Gemeindeordnung legt fest, dass der Oberbürgermeister der Leiter der Stadtverwaltung ist. Er vertritt die Stadt nach außen und stellt gemäß Paragraf 44 der Gemeindeordnung ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln nach innen sicher. Er erledigt in eigener Zuständigkeit die Geschäfte der laufenden Verwaltung, was ihm eine wichtige Stellung auch gegenüber dem Gemeinderat gibt.

2. Vorsitzender des Gemeinderats: In Baden  Württemberg und in etlichen anderen Bundesländern gilt die so genannte Süddeutsche Bürgermeisterverfassung. Sie gibt dem direkt gewählten Bürgermeister besondere Gestaltungsmacht, weil er zugleich Vorsitzender des Gemeinderats ist, er hat in Konstanz die 41. Stimme. Er leitet die Sitzungen des Gemeinderats und der Ausschüsse, soweit er dies nicht an seine Beigeordneten übertragen hat.

3. Leiter eines Dreier-Teams: In Konstanz wurde am 15. Juli Uli Burchardt zum Oberbürgermeister gewählt (10 801 Stimmen bei 62 263 Wahlberechtigten, 39,1 Prozent der abgegebenen Stimmen, Beteiligung 44,5 Prozent). Vom Gemeinderat gewählt wurden zum Ersten Beigeordneten und direkten OB-Stellvertreter Andreas Osner (seit 2013 Bürgermeister für Soziales und Kultur), zum Zweiten Beigeordneten Karl Langensteiner-Schönborn (seit 2014 Baubürgermeister). An der Spitze des Teams steht der OB.