Es geht nicht um ihre Meinung. "Ich bin persönlich gegen wilde Tiere in Zirkussen", sagt Anja Risse, Leiterin des Konstanzer Bürgeramts. Ihre Haltung sei Geschmacksfrage. Sie spiele keine Rolle bei der Entscheidung der Verwaltung, welcher Zirkus diesen Juli auf Klein Venedig gastieren wird.

Bürgeramtsleiterin Anja Risse.
Bürgeramtsleiterin Anja Risse.

Es wird einer sein, der nur auf Kunst und Akrobatik setzt. Das habe es auf dieser Fläche laut Bürgeramt überhaupt noch nie gegeben. "Die Stadt hat sich dieses Jahr ganz bewusst für einen Zirkus ohne Tiere entschieden", sagt Risse. 2017 badeten noch die Elefanten des Zirkus Carl Busch am Ufer von Klein Venedig, im Jahr davor setzte der Circus Krone auf Tiershows.

Es gibt keine gesetzliche Regelung, aber...

Mit oder ohne Tiere? In den vergangenen Jahren gab es darüber nicht nur hitzige Diskussionen. Es haben sich auch verschiedene Aktionsbündnisse gegründet, die gegen, aber auch für die Haltung von Zirkustieren kämpfen. Die Frage beschäftigt auch Stadtverwaltung und -politik seit Jahren. Risses Vorgänger Hans-Rudi Fischer erklärte letztes Jahr, es gebe keine gesetzliche Regelung, die das Halten von Wildtieren in Zirkussen verbiete. Bisher gehe das Bürgeramt so vor: Gebe es zwei gleich gut geeignete Bewerber, bevorzuge es den, der keine Wildtiere mit sich führt. Dies hat das Aktionsbündnis "Tiere gehören zum Circus" auf den Plan gerufen. In einem offenen Brief – adressiert an Anja Risse und Oberbürgermeister Uli Burchardt – heißt es: "Diese Praxis der Diskriminierung muss sofort gestoppt werden." Sollten in der Vergangenheit Zirkussen wegen der Haltung bestimmter Tierarten abgesagt worden sein, so müssten diese Fälle "rückstandlos aufgeklärt werden". Weil es in Konstanz keinen Gemeinderatsbeschluss für die Einschränkung von Zirkusgastspielen gebe, geht das Aktionsbündnis "von einem Alleingang der Verwaltung aus".

Die Stadt sieht sich rechtlich auf der sicheren Seite

Bürgeramtsleiterin Anja Risse wehrt sich gegen diesen Vorwurf: "Von Willkür oder Alleingängen kann keine Rede sein." Das Amt habe lediglich über Straßenrecht die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Gemäß Satzung kann die Stadt die Sondernutzungen einer Fläche aus bestimmten Gründen versagen, zum Beispiel wenn eine Beschädigung zu befürchten ist oder eine Gefahr für die allgemeine Sicherheit droht.

Laut Bernhard Eisel, Sprecher des Aktionsbündnisses, habe die Stadt mittlerweile auf den offenen Brief reagiert. Der Vorwurf eines Alleingangs habe sich demnach "durch die Antwort auf unsere Einlassung relativiert". Demnach soll die Stadt darauf verwiesen haben, die derzeitige Vergabe werde geklärt.

Diese ist wesentlich vom Bundesgesetzgeber abhängig. "Es wäre hilfreich, wenn dort eine Entscheidung fiele", erklärt Anja Risse. Denn zwar haben deutschlandweit mehr als 50 Gemeinden Auftrittsverbote für Zirkusse mit Wildtieren ausgesprochen, mehrere wurden allerdings durch Verwaltungsgerichte wieder aufgehoben. Erst im Dezember 2017 kippte ein Beschluss des Bielefelder Gemeinderats über ein Wildtierverbot auf städtischen Flächen.

Dort, wie bei den meisten aufgehobenen Verboten, argumentierten die Lokalpolitiker mit dem Tierschutz. Allein der Bund kann jedoch entscheiden, ob Shows mit Tieren zu deren Schutz verboten werden können – hat dies aber bislang nicht getan. Die Verwaltungsgerichte sahen ferner die Berufsausübungsfreiheit verletzt. Gebe es keine Tiere mehr im Zirkus, sterbe der Beruf des Dompteurs aus. Bürgeramtsleiterin Anja Risse glaubt übrigens nicht, "dass es Tieren im Zirkus per se schlecht geht. Mir gefällt es einfach nur nicht."

 

Mit oder ohne? Die ewige Streitfrage

Gegner und Befürworter streiten seit Jahren über generelle Verbote von Wildtieren in Zirkussen. Juristen weisen darauf hin, dass es vom Bund kein Gesetz hierzu gibt – und nur er ist für den Tierschutz zuständig:

  • Das Tierschutzgesetz: Laut Paragraf 11 kann das Bundesbildungsministerium „das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten (...) beschränken oder verbieten“. Und zwar dann, wenn die Tiere „unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden“ gehalten oder befördert werden. Hierzu bedarf es der Zustimmung des Bundesrats.
  • Die Befürworter: Betreiber argumentieren mit der besonderen Faszination der Tiere für den Menschen, ohne die Zirkusse wirtschaftlich nicht überleben könnten.
    Das Argument, Tiere würden dort nicht artgerecht gehalten, wollen sie wie folgt widerlegen: Die Dressur fördere die geistige und körperliche Gesundheit der Tiere, diese werden regelmäßig tierärztlich untersucht, die Bindung zum Dompteur komme der zu einer Familie nahe.
  • Die Gegner: Tierschutzorganisationen verweisen auf häufige Verhaltensstörung und eine höhere Sterblichkeit von Zirkustieren. Sie halten unter anderem die schmalen Boxen oder Käfige beim Transport für gefährlich und gehen von physischer und psychischer Gewalt bei der Dressur aus. (bbr)