Das Landgericht Waldshut-Tiengen beschäftigt sich derzeit mit der Frage, ob ein 19-Jähriger nach mehreren Gewaltausbrüchen in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen werden muss. Am zweiten Verhandlungstag wurden der Lebensgefährte der Mutter, ein Vertreter des Jugendamts und psychiatrischer Gutachter. Während der Vertreter des Jugendamts an das Gericht appellierte, fand der psychiatrische Gutachter klare Worte über das Krankheitsbild des Angeklagten.
Zahlreiche Vorfälle in der Vergangenheit
Der Vorsitzende Richter Martin Hauser verlas zahlreiche Polizeiberichte der vergangenen Jahre. Dabei wurde nicht nur deutlich, dass die Polizei hoch frequentiert zu dem Angeklagten ausrücken musste, sondern auch aus welchen Gründen. Häufig wurden Drohungen, Schreie und Randale in den Berichten genannt.
„Natürlich habe ich Angst“
Der Angeklagte sage oft, dass er sich oder andere umbringen würde, erzählte der Lebensgefährte der Mutter. „Ich glaube nicht, dass er sich umbringt.“ Der 19-Jährige sei sehr religiös und er habe große Angst, wegen der Sünde des Suizids in die Hölle zu kommen, erklärte der Lebensgefährte. Er erzählte vor Gericht ebenfalls, dass der Angeklagte in dem aggressiven Zustand kaum zu kontrollieren sei. „In dem Zustand weiß man nicht, was passiert“, so der Partner der Mutter.
Auf die Frage, ob der Lebensgefährte der Mutter davor Angst hätte, bejahte dieser. „Natürlich habe ich Angst.“ Er habe deswegen in der Vergangenheit nachts seine Schlafzimmertür verriegelt. In dem Zustand sei der Beschuldigte eine Gefahr für sich, für Kinder, für seine Frau und für alle, die zufällig da seien, erzählte er.
Der Angeklagte braucht Kontinuität
Ein Vertreter des Jugendamts erklärte vor Gericht, dass der Beschuldigte Kontinuität benötigt. Doch dies sei in der Vergangenheit, unter anderem durch viele Umzüge, nicht gegeben gewesen. Dies habe auch laut Vertreter des Jugendamts Therapien erschwert, da er nie lange vor Ort war. Zusätzlich war die Sprachbarriere bei dem 19-jährigen Georgier eine Hürde. Es sei eine ungünstige Situation. „Nicht gegen den Fehler, sondern gegen das Fehlende sollst du erziehen“, zitierte der Vertreter einen Grundsatz der Heilpädagogik. Er appellierte, dass der Angeklagte einen institutionellen Rahmen benötige, der an den Autismus angepasst sei. Ein Rahmen, der dem Angeklagten das biete, was er brauche.
Kein Zweifel an dem Krankheitsbild
Der psychiatrische Gutachter hielt in seinen Ausführungen, die rund eine Stunde in Anspruch nahmen, fest, dass der Angeklagte an einer Autismus-Spektrum-Störung (kurz: ASS) sowie an paranoider Schizophrenie leide. Der Angeklagte sei durch diese zweifache krankhafte seelische Störung schuldunfähig. „Es liegt eine Koinzidenz der beiden Störungen vor.“ Das heißt, beide Krankheiten seien zwar voneinander abzugrenzen, lägen jedoch zeitgleich vor. Der Angeklagte habe seit der frühen Kindheit ASS, diese sei kompetent beobachtet sowie am besten dokumentiert worden. Der Beschuldigte habe ebenfalls psychotische Symptome, wie akustische Halluzinationen, und der Gutachter hielt diese für subjektiv gegeben. „Er spricht von Dämonen und dem Teufel.“
„Auf die Tatzeitpunkte bezogen, waren diese psychotisch motiviert“, so der Gutachter. Er erklärte diese mit einem für ASS-Betroffene typischen, und nur bei diesen auftretenden, Meltdown. Der Gutachter hielt die Nähe der beiden Krankheitsbilder fest. Die paranoide Schizophrenie sei auf Basis der ASS heraus entstanden.
Welche Prognosen trifft der Gutachter?
„Die Prognose ist im Augenblick ungünstig“, hielt Dr. Schulte fest. Es gebe keine Medikation, um ASS zu behandeln. Es seien in nächster Zeit auch weitere Maßnahmen nötig. Aufgrund der fehlenden Schul- sowie Berufsbildung sei auch die Sozialprognose ungünstig, erklärte der Gutachter. Der Angeklagte „ist sich der Gefahr, die von ihm ausgeht, nicht bewusst“, sagte der Mediziner auf Nachfrage. Der psychiatrische Gutachter empfahl eine Unterbringung des Angeklagten in einer geschlossenen forensischen Klinik für ein bis zwei Jahre. Im Anschluss hielt er eine Unterbringung in einem therapeutischen, psychologischen Internat für sinnvoll.
Die Plädoyers sollen am Donnerstag, 21. August, gehört werden, im Anschluss will Richter Martin Hauser sein Urteil fällen.