Die Wasserstoffleitung am Hochrhein wächst: In diesen Tagen beginnt bei Albbruck schon der nächste Teilbauabschnitt für die neue Versorgungsleitung, die in einigen Jahren vor allem Industriebetriebe am Hochrhein mit grünem Wasserstoff versorgen soll. Im kommenden Jahrzehnt soll die 58 Kilometer lange Pipeline zwischen Grenzach-Wyhlen und Waldshut-Tiengen als Teil des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes fungieren. Der Anschluss an das europäische Wasserstoffnetz ist schon früher geplant.

Seit dem Baustart im März habe Netzbetreiber Badenova bei der Bundesstraße 34 schon rund 360 Meter der neuen Wasserstoffleitung verlegen können. Im Juli startete Badenova Netze das zweite Teilstück im Bereich der Albbrucker Spedition Eckert. In den nächsten Wochen und Monaten sollen weitere fünf Teilabschnitte realisiert werden. Bis Oktober sollen dann schon über ein Kilometer des Leitungsnetzes in der Erde liegen.

1. Welchen Zweck erfüllt die neue Wasserstoffleitung?

„Wir wollen vorangehen, wenn es darum geht, die Klimaneutralität in der Region zu erreichen“, erklärt Julie Bürkle-Weiss, technische Geschäftsführerin der Badenova Netze. Wasserstoff spielt als Energieträger auf dem Weg zur Klimaneutralität eine wichtige Rolle. Schon frühzeitig habe sich Badenova Gedanken gemacht, ob eine Wasserstoffleitung für die Region sinnvoll sei. Gerade für industrielle Unternehmen sei die Sicherheit der Energieversorgung von großer Bedeutung.

Julie Bürkle-Weiss, technische Geschäftsführerin der Badenova Netze.
Julie Bürkle-Weiss, technische Geschäftsführerin der Badenova Netze. | Bild: Jonas Conklin

Deshalb habe das Versorgungsunternehmen auch bei seinen Großkunden nachgefragt, wie sie ihren Weg zur Klimaneutralität gestalten wollen. Das Ergebnis: „70 Prozent unserer Großkunden wollen ihre Entscheidung zur Transformation schon vor 2030 treffen“, so Bürkle-Weiss. Hier besteht für den Freiburger Energieversorger also Handlungsbedarf. Denn ein wesentlicher Teil dieser Transformation ist der Ausstieg aus der Erdgasnutzung.

Wasserstoff ist vor allem für Branchen mit einem hohen Energieverbrauch eine Alternative zum Erdgas. Neben den Betrieben, die Wasserstoff schon heute stofflich nutzen, nennt Bürkle-Weiss als weiteres Beispiel die Chemie- und Aluminium-Industrie oder auch holzverarbeitende Betriebe, wo besonders hohe Temperaturen gebraucht werden, die mit Strom kaum zu erreichen sind.

2. Gibt es schon konkrete Beispiele?

Die Pipeline verläuft bei Albbruck über das Firmengelände der Spedition Eckert. Eine Entscheidung, die auch gleichzeitig eine Entscheidung für die Zukunft bedeutete. Aktuell hat das Familienunternehmen noch eine eigene Tankstelle auf dem Gelände, setzt aber auch auf andere Antriebstechniken. Drei E-Lkw sind bereits in Betrieb.

Die Geschäftsfahrzeuge und Gabelstapler haben längst Elektroantriebe. Bei den Lastwagen kommt allerdings die „eingeschränkte Reichweite“ als limitierender Faktor hinzu. 200 bis 250 Kilometer sind im Fernverkehr eine logistische Herausforderung, daher werden zwei der Fahrzeuge eher im regionalen Bereich eingesetzt.

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Doch in der Spedition will man auf den Wandel vorbereitet sein. „Die Wasserstofftechnik steckt aktuell noch in den Kinderschuhen“, erklärt Robert Bulla-Eckert. Wenn die Pipeline verlegt wird, dann führt sie über den Firmenhof. „Wir beteiligen uns an diesem zukünftigen und langfristigen Projekt.“

Im Vorfeld habe es eine Informationsveranstaltung für die Albbrucker Betriebe gegeben, bei der es auch um die Frage ging: Wer will sich beteiligen. Alois Eckert, einer der vier Geschäftsführer, habe daran teilgenommen und die Entscheidung in der Führungsebene sei klar ausgefallen: „Wir stehen in der Logistikbranche vor dem zweiten großen Wandel. Die nächsten zehn Jahre werden noch einmal spannend.“

Die Frage ist, wohin entwickelt sich die Antriebstechnik. „Falls die Wasserstofftechnik irgendwann auch für uns einsetzbar ist, dann haben wir direkt einen Anschluss“, erklärt Robert Bulla-Eckert. Zwar gebe es schon entsprechende Fahrzeuge, die Infrastruktur sei noch nicht vorhanden. „Es gibt kaum Tankstellen.“

3. Das deutsche Wasserstoff-Kernnetz ist erst in Planung. Warum wird die Leitung am Hochrhein schon jetzt verwirklicht?

Es ist erstaunlich: Während andere große Infrastrukturprojekte wie die A98 oder die Elektrifizierung der Hochrheinbahn jahrelange Planung brauchen, scheint das Wasserstoffprojekt deutlich schneller voranzugehen. Dabei sah es vor wenigen Jahren noch so aus, dass der Hochrhein bei der Realisierung des bundesweiten Wasserstoff-Kernnetzes ein weißer Fleck auf der Landkarte bleiben könnte.

An der B34 nahe ZG Raiffeisen Tankstelle in der Alten Landstraße liegen Wasserstoffleitungen für den nächsten Bauabschnitt der Badenova ...
An der B34 nahe ZG Raiffeisen Tankstelle in der Alten Landstraße liegen Wasserstoffleitungen für den nächsten Bauabschnitt der Badenova bereit. | Bild: Steffi Weickert

Der Netzbetreiber Badenova Netze hatte sich allerdings schon mit einer regionalen Planung beschäftigt, bevor es klar wurde, dass es tatsächlich ein Kernnetz geben wird – und konnte bereits 2020/21 einen Förderantrag einreichen. Dadurch kann am Hochrhein deutlich früher mit der Realisierung begonnen werden als in anderen Regionen. „Wir sind unter den Ersten, die bauen“, so Bürkle-Weiss.

4. Wo wird die Leitung verlaufen?

In manchen Orten sind die Details noch unklar, da sich der Prozess noch am Beginn der Planungsphase befindet. Allerdings liege es nahe, bestehende Leitungstrassen zu nutzen, erklärt Julie Bürkle-Weiss. Klar ist: Es wird auch Verbindungen in die Schweiz geben. So könnte auch das Sisslerfeld bei Bad Säckingen mit seinem geplanten Life-Science-Industriepark von der neuen Pipeline profitieren.

5. Wann geht die Leitung ans Netz? Wann wird die Pipeline fertig sein?

Die 58 Kilometer lange Pipeline soll nach heutiger Planung im Jahr 2030 fertiggestellt sein. An das deutsche Wasserstoff-Backbone-Netz kann sie aber voraussichtlich erst 2040 angeschlossen werden. Schon 2032 ist mit dem Anschluss an das „European Hydrogen Backbone“ zu rechnen, mit dem ein grenzüberschreitendes Wasserstoffnetzwerks geschaffen werden. Hier am Hochrhein wird eine wichtige Nord-Süd-Verbindung dieses Netzes verlaufen. Die Inbetriebnahme der Elektrolyse-Anlage bei Albbruck ist in den Planungen auch für 2030 vorgesehen.

6. Wo wird der Wasserstoff hergestellt und eingespeist?

Aktuell werden vom Energiekonzern RWE zwei lokale Elektrolyse-Anlagen geplant: Zum einen in Grenzach Wyhlen, der zweite geplante Standort ist in Albbruck. An diesen Standorten sollen aus dem Strom der Rheinkraftwerke Wasserstoff erzeugt und von dort in die Leitung eingespeist werden.

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Eine detaillierte Planung für die beiden Anlagen gibt es derzeit aber noch nicht. „Beide Anlagen sollen zusammen eine Leistung von 250 MW haben“, so Julie Bürkle-Weiss. Wenn die Hochrhein-Leitung mit dem deutschen Kernnetz oder mit dem europäischen Netz verbunden ist, ist auch der Bezug aus anderen Regionen denkbar.

Grüner Wasserstoff gilt als ein entscheidender Baustein der Energiewende. Doch die Produktion ist derzeit teuer, weshalb sein Einsatz oft nicht wirtschaftlich darstellbar ist.

7. Warum wagt Badenova die hohen Investitionen?

Wie sich der Preis für Wasserstoff langfristig entwickelt, sei kaum abzuschätzen, erklärt die Projektleiterin. „Es ist ein Blick in die Glaskugel“, so Julie Bürkle-Weiss, täglich gebe es neue Zahlen. Aber: Mit dem beschlossenen Aus für das Erdgas bis 2045 brauchen wir Alternativen. Deshalb gelte es, jetzt die Rahmenbedingungen für die Zukunft zu schaffen und sich unabhängig zu machen.