Zu Beginn des Jahres hat die Schweiz den Freibetrag für einen zollfreien Einkauf im Ausland von 300 auf 150 Franken halbiert. Zumindest laut einer Mitteilung des Verbands Swiss Retail Federation stört das aber die Schweizer nicht: Demnach sei der Einkaufstourismus in den Nachbarländern im zweiten Quartal 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um sechs Prozent gestiegen. Das gehe aus einer Auswertung von Debit- und Kreditkartendaten hervor.
Grenznahes Sporthaus spürt den geringeren Freibetrag
Kommt das bei den Unternehmen auch so an? Nachgefragt bei einem, der den Einkaufstourismus praktisch im Namen seines Ladens trägt. Peter Vogl ist Inhaber des Fachgeschäfts Sportmüller in Lörrach, auch genannt: Sporthaus im Dreiländereck. Er stellt klar: „Das Heruntersetzen des Freibetrags war schon ein Stimmungskiller und hat zum Rückgang des Umsatzes geführt.“ Schließlich gehöre der Schweizer Kunde ebenso wie der französische und der deutsche zum Einzugsgebiet des Sportgeschäfts.
Dabei sei seiner Meinung nach dafür gar nicht so sehr die tatsächliche Herabsetzung des Freibetrags verantwortlich, sondern die Nachricht über die Veränderung an sich. „In unserer Branche ist Veränderung grundsätzlich erst einmal negativ“, sagt Vogl. Das treffe aber auch auf Nachrichten dazu, die nicht direkt mit dem Handel zu tun haben: „Wenn in der Automobilbranche Stellen abgebaut werden, drückt das auch auf die Stimmung des Handels.“
Von erhöhtem Einkaufstourismus also keine Spur. Im Gegenteil: „Der Freibetrag ist nur eine von vielen Baustellen“, betont Vogl. In ganz Europa sei aufgrund gestiegener Kosten eine Konsumbremse zu spüren, explizit in Deutschland. Deswegen halte er es für zu leicht, alles auf den Freibetrag zurückzuführen.
Bei teureren Produkten in Fachgeschäften sei die Preisdifferenz zwischen Deutschland und der Schweiz gesunken. Vogl gibt auch zu bedenken, dass es viele Schweizer gebe, die in erster Linie für Produkte des täglichen Lebens nach Deutschland kämen – und nicht für Luxusartikel, was Sportartikel nun mal seien. Alles Faktoren, die dem Handel geschadet haben.
Einkaufstouristen kaufen vor allem im Supermarkt ein
Dagmar Jenni ist Direktorin bei der Swiss Retail Federation. Sie bestätigt Vogls Eindrücke vom Einkaufverhalten der Schweizer in Deutschland: „Grundsätzlich will der Schweizer Einkaufstourist eher zum Supermarkt als ins Fachgeschäft.“
Ebenso sei es wichtig, die Zahlen vom erhöhten Einkaufstourismus im richtigen Kontext zu sehen. So sei der Anstieg um sechs Prozent nicht saisonbereinigt und beziehe sich auf alle fünf Nachbarländer der Schweiz, zu Deutschland allein gebe es keine Zahlen. Und bei den Daten gebe es keinen Unterschied zwischen schnellen Einkaufsgängern im Supermarkt, Tagestouristen und Touristen, die auch weiter entfernt im Ausland übernachten und dort einkaufen.

Peter Vogl scheint also nicht allein mit seinem Eindruck, dass vom Anstieg des Einkaufstourismus in Fachgeschäften eher wenig zu sehen ist. Auch die IHK Hochrhein-Bodensee beobachtet die Auswirkungen der geringeren Freigrenze genau.
Handelsreferent Eckhart Fink kann nach einer nicht repräsentativen Umfrage in der Region bereits erste Tendenzen erkennen: „Während rund die Hälfte der befragten Betriebe angaben, keine wesentlichen Veränderungen beim Umsatz festgestellt zu haben, berichtete die Mehrheit der übrigen Unternehmen von einem spürbaren Umsatzrückgang seit Einführung der neuen Freigrenze.“
Deutscher Kunde profitiert vom Einkaufstourismus
Einen Vorwurf will Peter Vogl den Schweizern aber nicht machen. Aus Schweizer Sicht verstehe er die Herabsetzung der Freigrenze, um die Franken im Land zu halten. Und auch in der Schweiz gebe es Kunden, die auf ihr Geld schauen müssten. „Deswegen bin ich sehr vorsichtig, wenn auf die Schweizer Einkaufstouristen geschimpft wird, welche die Regale leerkaufen und derentwegen samstags die Innenstädte überfüllt sind“, sagt Vogl.
Er hebt stattdessen die positiven Seiten des Einkaufstourismus hervor: „In anderen Teilen Deutschlands wäre in einer Stadt mit der Einwohnerzahl von Lörrach ein Sportmüller in dieser Größe vermutlich gar nicht tragbar.“ Die grenznahen Geschäfte profitierten immer noch von den Einkaufstouristen. Und nicht nur die, auch der Kunde aus Deutschland habe mehr Auswahl, erklärt Vogl: „Durch die zusätzlichen Kunden können wir uns beim Angebot breiter aufstellen. Ansonsten hätten wir vielleicht ein paar Marken weniger, beispielsweise im Bereich der Joggingschuhe.“

Anstatt zu meckern, besinnt sich Vogl lieber auf das, was die Menschen in seinem Geschäft schätzen: „Wir haben eine gewisse Qualität an Beratung, die manche Schweizer vielleicht nicht bei sich zu Hause haben. Das ist etwas, das die Kunden wieder zurückkommen lässt – auch mit veränderter Freigrenze.“