So kann‘s gehen, wenn eine am grünen Tisch entwickelte gut gemeinte Idee auf die Wirklichkeit trifft. Als in der jüngsten Konstanzer Gemeinderatssitzung einige Anwohner aus Stadelhofen die Chance der Bürgerfragestunde nutzten, konnte man viele bedröppelte Gesichter sehen – in den Reihen der Stadträte ebenso wie bei den Vertretern der Stadtverwaltung.

Diese blieb die Antworten auf die zahlreichen Fragen und Stellungnahmen schuldig, und in der Not setzte Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn schließlich auf eine Mischung von Zeitgewinn und Beschwichtigung. Es sei gut, wenn man wegen der geplanten Chill-Oasen in der Zogelmannstraße erst einmal Erfahrungen sammle und dann in einen Prozess der Diskussion trete.

Bild 1: Debatte um Chill-Oasen im Stadtteil Stadelhofen verläuft alles andere als entspannt
Bild: Ute Schönlein

Doch es gibt ein Problem: Die Anwohner wollen keine Erfahrungen sammeln. Lewis Kopp, der als Erster ans Bürger-Mikrofon trat, ist dabei zuversichtlich, dass die Stadträte sich eines Besseren besinnen, wenn sie sich denn zu einer Ortsbegehung bereit erklärten. Er vermutet, dass die Kommunalpolitiker die Situation mangels Anschauung nicht einschätzen können. Vor allem aber kennen sie seiner Meinung nach nicht die tatsächlichen Probleme in dem zwischen Döbele-Areal und dem Einkaufszentrum Lago gelegenen Stadtteil.

Einige Anwohner, darunter Lewis Kopp (links) und Julian Kopp, halten nichts von der Idee.
Einige Anwohner, darunter Lewis Kopp (links) und Julian Kopp, halten nichts von der Idee. | Bild: Lucht, Torsten | SK-Archiv

Dazu zählt der Mangel an Parkplätzen. Deren Zahl ist in dem verdichteten Wohngebiet von jeher überschaubar und wurde durch die Genehmigungen für den erweiterten Betrieb der Außengastronomie weiter reduziert. Dafür brachten die Anwohner durchaus Verständnis auf, weil die Gastwirte so die durch Pandemie entstandenen Umsatzeinbußen reduzieren konnten. Inzwischen aber sind die Corona-bedingten Einschränkungen aufgehoben, die Genehmigungen für die Außengastronomie aber gelten weiterhin.

„Sollen wir denn unsere Autos an die Bäume hängen?“

In dieser Situation bringt die Ausweisung von zwei Parkplätzen als Chill-Oasen sowie von weiteren zwei Parkplätzen als Abstellflächen für Fahrräder die Anwohner in Rage. „Sollen wir denn unsere Autos an die Bäume hängen?“, fragte beispielsweise eine Anwohnerin. Sie befürworte zwar generell das 2019 gestartete Sanierungsvorhaben für Stadelhofen und den Start bewerte sie als gelungen. „Aber jetzt geht‘s in die falsche Richtung.“

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Die Auswirkungen dieses nach Ansicht der Anwohner falschen Kurses machen sich sinnlich bemerkbar. Lärm, Musik, alkoholisierte Zeitgenossen mit all ihren Notdürften, ein zunehmender Parksuchverkehr – das tut Nasen und Ohren nicht gut, raubt den Anwohnern den Schlaf und insbesondere der nächtliche Geräuschpegel wird durch die Straßenschlucht noch verstärkt.

Von den Chill-Oasen erwarten die Projektgegner eine weitere Verschlechterung ihrer Wohnsituation, zumal sie für etliche der Anwohner nicht genutzt werden. Zum Nachbarschaftshock treffen sie sich lieber in den idyllisch gelegenen Gärten im rückwärtigen Bereich der Häuser.

Empörung über „Vergabe nach Gutsherrenart“

Aus dem Beitrag von Hans-Peter Metzger ging während der Bürgerfragestunde hervor, dass die Umwandlung von Parkplätzen zu Chill-Oasen beziehungsweise Fahrradstellplätzen nur Teil eines tief sitzenden Unbehagens zwischen Sanierungsidee und Sanierungsrealisierung ist.

So sei eine Unterschriftensammlung nicht gewürdigt und bei der Genehmigung der Außengastronomie seien die Menschen im Quartier nicht einbezogen worden. Er habe den Eindruck, dass die Bürger prinzipiell nicht gefragt werden und „die Vergabe nach Gutsherrenart empört uns“. Nach seiner Einschätzung seien 90 Prozent der Anwohner gegen eine Vorgehensweise, die auf die Reduzierung von Parkplätzen bei gleichzeitiger Verdichtung des Wohnraums setze.

Nach der Bürgerfragestunde wird munter weiter diskutiert. Das Bild zeigt Anwohner der Zogelmannstraße mit den Stadträten Marcus Nabolz ...
Nach der Bürgerfragestunde wird munter weiter diskutiert. Das Bild zeigt Anwohner der Zogelmannstraße mit den Stadträten Marcus Nabolz (Zweiter von rechts), Zahide Sarikas (Mitte) und Achim Schächtle (Zweieter von links). | Bild: Lucht, Torsten

Die Antworten der Stadtverwaltung fielen vergleichsweise kleinlaut aus. So räumte Klara Trummer von der Bauverwaltung ein, dass die Chill-Oasen nicht abschließbar seien, was die Befürchtungen der Anwohner wegen des nächtlichen Missbrauchs mit den entsprechenden Folgen fürs Wohnklima weiter verstärkt haben dürfte.

Der Hinweis von Oberbürgermeister Uli Burchardt auf das generell hohe Risiko von Lärmbelästigungen im innerstädtischen Bereich kam bei den Nutzern der Bürgerfragestunde ebenfalls nicht als wirklich befriedigende Antwort an. In diesem Zusammenhang sorgte die Einschätzung des OB, dass der Gemeinderat die Genehmigungen für die Außengastronomie wohl kaum wieder auf den Stand der Zeit vor der Pandemie zurückfahren werde, zur Abwechslung für bedröppelte Gesichter bei den Anwohnern.

Vorschlag zur Güte: Probieren geht über studieren

Das Schlusswort der Bürgerfragestunde übernahm Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Er erinnerte daran, dass es auch ein paar Befürworter der Chill-Oasen gebe, und plädierte für Offenheit. Man solle jetzt erst einmal Erfahrungen sammeln, dabei in der Diskussion bleiben und dann das Ergebnis in ein Gesamtkonzept einbauen. Denn die Anstrengungen einer Erhöhung von Aufenthaltsqualitäten betreffe nicht nur Stadelhofen, sondern auch Stadtteile wie etwa die Niederburg.