„Nett hier, aber waren sie schon mal am Ehinger Herbstfest?“ Solche Aufkleber sind seit ein paar Tagen mächtig viele im Umlauf. Einer davon klebt sogar im Bierkönig auf Mallorca. Auch am Freitagabend bei der Eröffnung des 57. Herbstfestes sind sie auf etlichen Biergarnituren zu finden. Und die Ehinger sind wirklich stolz auf ihr Herbstfest. Und dies zu Recht: Denn das Herbstfest steht für gute Laune, beste Stimmung, tolle Musik, herbstliche Kulinarik und ausgelassenes Feiern.
Aber hinter dem Volksfest steckt mehr. Viel mehr. Und zwar jede Menge Arbeit. Getragen von ehrenamtlichen Helfern der Ehinger Musikkapelle und deren Familien und Freunden. An diesem Abend bin ich einer dieser ehrenamtlichen Helfer, mal im Vorrat, dann bei den sogenannten Topffrauen, dann hinter der Theke beim Ausschank. Dabei lerne ich die Menschen kennen, die das Herbstfest zu dem machen, was es ist: das längste Volksfest im gesamten Landkreis Konstanz. Denn es zieht sich über zwei Wochenenden.
Frank Beising ist der ruhende Pol
Mein Abend startet noch vor der offiziellen Öffnung des Festzeltes. Die erste Station ist im Vorrat. Dort hat Frank Beising das Sagen. Und schnell wird an diesem Abend klar: Dieser Mann scheint wichtig zu sein. Denn quasi im Minutentakt kommt jemand aus der Küche herein und fragt: „Hey, Frank, wo ist denn...?“

Frank Beising ist ein Urgestein am Herbstfest, seit 40 Jahren dabei. „Ich bin mit dem Herbstfest aufgewachsen“, sagt er. Angefangen habe alles mit dem Besteckwickeln als Jungmusiker. Das Herbstfest-Fieber habe ihn vor vielen, vielen Jahren gepackt und der Familienvater hat es an seine Lieben weitervererbt. An diesem Abend helfen auch seine Frau Tina sowie seine beiden Kinder Jan und Lea fleißig mit. „Das ganze Herbstfest ist wie eine kleine Firma, da muss ein Rädchen ins andere greifen“, sagt Beising.
Wie eine kleine Firma mit tonnenweise Würsten
Was er damit meint: Im Vorrat werden die Würste oder die Rippchen vorbereitet, danach geht es zu den Topffrauen oder an den Grill, von dort zu den Schöpferinnen und dann zu den Bedienungen im Zelt. „Das ist auch das Besondere am Ehinger Herbstfest: Wir schlachten selbst“, sagt Beising.
Und was da alles von den Mitgliedern der Musikkapelle geleistet wird, ist beeindruckend: Etwa sechs Tonnen Blut-, Leber- und Bratwurst sowie Kesselfleisch und Rippchen gehen an den sechs Veranstaltungstagen über die Theke. Hinzu kommen drei Tonnen Sauerkraut.

Laut Frank Beising habe die Musikkapelle etwa 85 Mitglieder. Am Herbstfest steigt die Anzahl der Helfern auf 130 Personen. Viele der Helfer opfern für das Herbstfest einen Teil ihres Urlaubes. „Das Herbstfest muss man leben“, sagt Beising. Alleine der Aufbau für das große Festzelt dauere 1,5 Wochen.
Sein Sohn Jan Beising gibt ihm Recht: Auch bei ihm habe alles beim Besteckwickeln angefangen. „Sobald ich stark genug war und mehr Kraft hatte, ging es zum Bierkrüge abräumen“, sagt er. Heute ist er beim Ausschank tätig. „Ehingen, das ist einfach das Herbstfest!“, sagt Jan Beising.
Heiß, heißer, Topffrauen
Es ist heiß an diesem lauen Freitagabend im Festzelt. Und die Temperatur wird noch weiter ansteigen. Mein Ausflug zu den Topffrauen wird kurz, aber intensiv. Sie stehen vor den riesen Töpfen, in denen das Sauerkraut warm gemacht wird – daher auch der Name. Vera Kuolt ist eine von ihnen. Die Topffrauen würden laut Frank Beising das Tempo vorgeben. „Zu den Stoßzeiten kommen wir mit dem Zählen der Essen nicht nach, da laufen die Geräte quasi im Dauerakkord durch“, sagt er. Der Sonntag sei der Haupttag für die Küche. „Da geht es hier zu wie in einer Sauna“, so Beising.

Was er damit meint, wird schnell deutlich: An den drei Töpfen ist es heiß, wirklich heiß. „Wahrscheinlich so 40 Grad, eher mehr“, sagt Beising. Vera Kuolt macht die Hitze nichts aus. „Beim Herbstfest gibt es keinen Stillstand“, sagt sie und bedeutet mir, die nächste Dose Sauerkraut zu öffnen. „Vorbereitung ist alles“, stichelt sie, weil ich es wieder nicht beim ersten Mal schaffe, die große Dose auf einen Schwung zu öffnen.
Elias, der jüngste mit den flinken Händen
Nach den Topffrauen brauche ich eine Pause – dringend. Vor dem Zelt treffe ich auf Elias. Er ist zehn Jahre alt und trägt das schwarze Helfer-Shirt der Musikkapelle, das ihn der Thekenmannschaft zu ordnet. „Klar helfe ich beim Herbstfest“, sagt er. Freiwillig, wie Elias nachschiebt. Zum ersten Mal dürfe er heute beim Bierglas-Spülen helfen. Warum er das macht? „Ich mag das Herbstfest einfach, ich bin schon seit ich ganz klein bin gerne hierhergekommen“, sagt er.
Danach zeigt er mir seine Aufgabe. Hinter der riesigen Ausschanktheke ist er dafür zuständig, dass am Zapfhahn die Bierkrüge nicht ausgehen. Und Elias ist aufmerksam. Geduldig prüft er mit der Hand, welche Krüge nach dem Spülen wieder so weit abgekühlt sind, dass sie vor zum Ausschank können. Am Ende, so schätzt Frank Beising, werden es um die 1000 Bierkrüge sein, die Elias an diesem Abend schleppen wird. Ein Kraftakt, der im Spaß bereite, wie Elias verrät: „Ich habe dieses Jahr vor an vier Tagen zu helfen, die anderen beiden kann ich leider nicht.“
Ein eingespieltes Bieranstich-Team
Es sind Helfer wie Elias, die auch Bürgermeister Patrick Stärk Respekt abverlangen. Er ist an diesem Abend natürlich zum Bieranstich des 57. Herbstfestes anwesend. Knappe vier Schläge braucht er dieses Mal.

„Wenn man sieht, wie da innerhalb von eineinhalb Wochen solch eine Infrastruktur entsteht, dann kann man davor nur den Hut ziehen“, betont Stärk. Auch Michael Heinermann, Vorsitzender der Musikkapelle Ehingen, zeigt sich froh, dass das Herbstfest auch zum 57. Mal wieder stattfinden kann. „Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass der Aufbau wieder reibungslos geklappt hat“, ruft er den Gästen im Festzelt zu. Oder anders formuliert: „Endlich wieder Herbstfest!“

Das Herbstfest sei für Heinermann zwar unabrückbar mit Ehingen verbunden, aber auch jedes Jahr ein Kraftakt. Und natürlich auch die wichtigste Einnahmequelle für die Musikkapelle. An einem Festtag rechnet er mit rund 1600 Gästen. Für ihn mache das Herbstfest die familiäre Atmosphäre aus und natürlich die hohe Qualität beim Essen.
Und noch etwas macht ihn stolz: „Wir sind dieses Jahr das längste Fest im Landkreis“, sagt Heinermann, „und das im kleinen Ehingen“. Zur Erinnerung: Die Kirchweih in Hilzingen und der Schätzele-Markt in Tengen dauern nur ein Festwochenende.