Im Gemeinderat von Mühlhausen-Ehingen kann es manchmal doch etwas lauter zugehen. Nicht aber in dieser Ratssitzung. An diesem Montagabend ist alles mucksmäuschenstill. Der versammelte Ratstisch schaut gebannt zu Bürgermeister Patrick Stärk, der eine Goldmedaille in den Händen hält. Eine echte, mit den Olympischen Ringen vorne drauf. „Man, ist die aber schwer“, sagt er. Daneben steht Yannis Fischer. Geboren und aufgewachsen in Mühlhausen-Ehingen, Leichtathlet und seit ein paar Tagen auch frischgebackener Para-Weltmeister im Kugelstoßen.
Ein echter Mühlhausen-Ehinger
Der Rummel ist Yannis Fischer fast ein bisschen peinlich. Bescheiden steht er neben Bürgermeister Patrick Stärk, trägt sich danach ins Goldene Buch der Gemeinde ein. Eine besondere Auszeichnung, wie der 21-jährige Ausnahmeathlet im Gespräch mit dem SÜDKURIER schildert. „Es ist etwas ganz besonderes, sich ins goldene Buch seiner Heimatgemeinde eintragen zu dürfen. Ich bin hier aufgewachsen, war in Mühlhausen-Ehingen im Kindergarten und bin dort zur Schule gegangen“, sagt er.
Zudem sei er einer von ganz wenigen Sportlern, die diese Ehre zu Teil geworden ist. Bisher steht im Goldenen Buch der Gemeinde nämlich nur Julia Matt, die mit ihrem Kunstrad-Team vom RMSV Aach die Europameisterschaft in der Schweiz gewonnen hat. „Das bedeutet mir wirklich sehr, sehr viel“, betont Fischer. Denn er werde zwar immer in Singen verortet, wo er die ersten sportlichen Anfänge beim Stadtturnverein Singen gemacht habe. „Aber meine Heimat ist und bleibt Mühlhausen-Ehingen“, so Fischer weiter
Die ganze Gemeinde ist stolz
Das ringt Bürgermeister Patrick Stärk ein Schmunzeln ab. Er sei nicht so vermessen zu sagen, dass Mühlhausen-Ehingen nun Weltmeister sei – wie es eine Zeitung bei der Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum Papst titelte. Ein ähnlicher Titel wie „Wir sind Weltmeister“ würde die Leistung von Yannis Fischer bei der Para-Weltmeisterschaft verwässern, denn der Triumph sei ein ganz persönlicher und stelle den sportlichen Höhepunkt seiner bisherigen Karriere dar.
„Aber stolz dürfen wir als Mühlhausen-Ehinger schon auf Sie sein, lieber Yannis“, so Stärk weiter. Immerhin habe er bis Ende 2021 seinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde gehabt und sei seither mit Nebenwohnsitz gemeldet. „Deshalb, liebe Singener, lasst uns doch unseren Yannis noch etwas“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Auch wenn Oswald Ammon, ehemaliger Behindertenbeauftragte des Landkreises, als Entdecker und Förderer von Fischer beim Stadtturnverein einen großen Anteil an seinem Erfolg trage.
So hat Yannis Fischer den Triumph erlebt
Auch Tage nach dem Triumph in Paris bei den Para-Weltmeisterschaften kann der deutsche Fahnenträger Yannis Fischer seinen Erfolg noch kaum glauben. Noch immer wirke alles surreal. „Während dem Wettkampf hatte ich eine positive Stimmung und dachte, da könnte heute etwas drinnen sein“, schildert er die Zeit vor dem Goldcoup.
Und er sollte Recht behalten: Fischer bescherte dem Deutschen Behindertensportverband überraschend die zweite Goldmedaille. Der 1,27 Meter große Kugelstoßer gewann in der Klasse der kleinsten Kleinwüchsigen, nachdem seine er seine Kugel 11,43 Meter weit stieß. Bei den Paralympics im Vorjahr in Tokio hatte der 21-Jährige aus Singen noch Rang sechs belegt. „Beim letzten Stoß wusste ich, dass es weit gegangen ist. Ich habe einfach nur gebannt auf die digitale Tafel geschaut und als ich dann von 3 auf 1 gesprungen bin, habe ich meinen Emotionen freien Lauf gelassen“, sagt er.
Und die Weite hatte es in sich: Die 11,43 Meter seien laut dem Para-Sportler aus dem Hegau „absolut heftig“. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so eine krasse Weite abrufen kann.“ Dass er sich steigern kann, hat Yannis Fischer eindrucksvoll seit 2021 gezeigt. Bei der Europameisterschaft 2021 waren es 9,77 Meter, dann bei den Paralympischen Spielen in Tokio im Jahr 2021 schon 10,16 Meter und jetzt 11,43 Meter.
17 Zentimeter bis zum Weltrekord
Sein nächstes großes Ziel habe er schon fest im Blick: die Paralympischen Spiele 2024 in Paris. Dort will er wieder um eine Medaille stoßen. Obgleich er wisse, dass der Druck durch den Weltmeistertitel nicht kleiner werde. „Ich möchte auch dort eine Medaille gewinnen, das ist das große Ziel. Es muss nicht die goldene sein, aber ich kann auch diese schaffen“, sagt er. Und dann fügt er noch mit einem Funkeln in den Augen hinzu: „Zum Weltrekord, der aktuell bei 11,60 Meter liegt, fehlen noch 17 Zentimeter. Irgendwann möchte ich in der Lage sein, diese Weite schaffen zu können.“
Dass er sich von 2021 bis 2023 um einen Meter verbessert habe, sei wirklich sehr gut. Das sei ein ganzes Stück. „Hört sich das jetzt zu arrogant an?“, fragt Yannis mit einem Blick zu Bürgermeister Patrick Stärk. Der antwortet nur: Die Entwicklung von Fischer sei atemberaubend. „Diese Entwicklung kommt aber nur durch Ehrgeiz, unbändigem Fleiß und natürlich auch Talent“, so Stärk.