Bei einem Podiumsgespräch auf dem Hottenlocher Hof ging es kürzlich um das Thema „Zukunft schaffen durch eine bäuerliche Landwirtschaft, Höfesterben – das große Ringen um Boden und Eigentum“. Das Publikumsinteresse an der Veranstaltung war groß. Gastgeber Alexander Zulic verglich seine Situation mit der von jungen Landwirten: „Wir sind abhängig vom Eigentümer, der uns das Gut verpachtet. Wir haben keine andere Möglichkeit, wir haben nichts geerbt und können nicht irgendwo etwas kaufen.“ Grund und Boden müssten verfügbar gemacht werden, damit gut ausgebildete junge Menschen die Möglichkeit haben zu starten und zu leben, nicht nur zu überleben, so seine Meinung.
Laut Moderator Uwe Urbschat haben kleinere Betriebe, Neugründungen und Junglandwirte wenig Chancen, zu Grund und Boden zu kommen. Es gebe einerseits Höfe, die möglichst innerfamiliär Nachfolger suchen und andererseits gut ausgebildete, hochmotivierte Junglandwirte, die Höfe und Land suchen. „Eine paradoxe Situation: Wir brauchen eine langfristige, ökonomisch haltbare und stabile Gestaltungsform“, forderte er.

Der Haken an Krediten
Als Landwirtin auf Hochsuche schilderte Mathilde Klinkmüller ihre Lage. Sie habe zwei Kinder und kein Geld. Als Nebenerwerbslandwirtin müsste sie parallel arbeiten gehen, um einen Hof zu finanzieren. Ihr Ziel sei die Vollerwerbslandwirtschaft, doch einen Kredit für einen größeren Hof könne sie durch landwirtschaftliche Arbeit nie abbezahlen. Sie wünscht sich eine außerfamiliäre Hofübernahme. Bisher habe es nur einmal die Möglichkeit gegeben, doch Hof und Gegend hätten nicht gepasst.
Der Landtagsabgeordnete Martin Hahn, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Landwirt, betonte, er glaube nicht, dass Gesetze weiterhelfen würden. „Baden-Württemberg hat eins der besten Agrarstrukturverbesserungsgesetze in Deutschland“, sagte er. Einen Nachfolger zu finden, sei auch sein Problem. Er habe schon eine Pächterfamilie auf dem Hof und sehr großen Respekt vor Menschen, die eine außerfamiliäre Hofübergabe praktizieren. Er selbst sei noch nicht so weit.
Debatte über Niederlassungsprämie
Auch Agrarökonom Frieder Thomas betonte, die Politik werde nur große Rahmenbedingungen, aber nicht den Betrieb organisieren können. Man diskutiere über eine Niederlassungsprämie, bei der alle flächenunabhängig das gleiche Geld bekommen, das sie auch für gebrauchte Maschinen einsetzen dürfen. So wolle man ganz vorsichtig das Finanzierungsproblem angehen. In Bezug auf die Kriterien zur Bodenverpachtung sei politisch nur begrenzt etwas zu machen. „Die Kirchen sind die größten Landbesitzer“, sagte er. Über Vergabepraktiken werde diskutiert, Ansätze seien vorhanden, so Thomas.

Stefan Illi, Vorsitzender der Genossenschaft Kulturland, sprach eine andere Möglichkeit an. In der Genossenschaft geben Nicht-Landwirte Geld und halten Anteile am Land, das die Genossenschaft kauft. 700 Hektar und 40 Partnerhöfe seien es inzwischen in Deutschland. Ein Landwirt könne die Landpreise nie finanzieren, wenn er sie aus seinen Erträgen erwirtschaften müsse, sagte er. Auch die Pachtpreise seien gestiegen. Die Pächter seien gezwungen, zu die Landwirtschaft intensivieren. Die Folge sei unter anderem ein Biodiversitätsverlust. 70 Prozent der Insektenmasse seien in zehn Jahren verloren gegangen. „Das muss uns Bürger interessieren, wir müssen uns einmischen, damit es anders wird.“
Wirtschaftliche Lage ist sehr angespannt
Landwirt Andreas Deyer, Nachbar und Vorsitzender des Kreisverbands Stockach beim BLHV, sah die Wettbewerbs- und Rahmenbedingungen der Landwirtschaft als Grundproblem. „Die Hofgeneration ist, ohne dass der Nachfolger Rente zahlt, nicht so abgesichert, dass sie ihren Ruhestand bestreiten kann“, sagte er. Die wirtschaftliche Situation in der Landwirtschaft sei sehr angespannt. Ein Familienbetrieb könne nur durch Mithilfe der ganzen Familie am Leben gehalten werden, weil die, die mithelfen, nicht entlohnt werden müssten.
Außerfamiliäre Hofübergaben seien in den vergangenen Jahren zum Thema geworden. Eine Vertrauensstelle helfe, Vorstellungen von Hofabgebern und Hofsuchern abzuklären. Der Hofabgeber bleibe oft auf dem Hof, weil er es sich nicht leisten könne, wegzuziehen. Deyer machte dazu klar: „Man muss miteinander können, das ist eine große Herausforderung.“
Zuletzt erklärte Reinhard Schulze, Leiter des Landwirtschaftsamts Stockach und Schulleiter, die Junglandwirteprämie sei EU-gesteuert und in der Menge begrenzt. Der größte Betrieb könne in fünf Jahren 80.000 Euro bekommen, das sei gut, aber nicht füllend. Er bot an, die recht junge Vertrauensstelle bekannter zu machen.
Landwirte werden zu schlecht bezahlt
Mit Blick auf die künftige Entwicklung Landwirtschaft sagte Martin Hahn, es brauche ökologische Kost in den Kantinen in Unternehmen. Das zentrale Problem seien aber die nicht auskömmlichen Preise. Die Landwirte leisteten Beispielhaftes und würden schlecht dafür bezahlt. Die Menschen müssten bereit sein, mehr für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu zahlen. Das betonte auch Andreas Deyer. Er hoffte auf weltweite ökosoziale Standards bei menschlicher Arbeit, beim Boden, beim Umgang mit der Natur und dem Einsatz von Betriebsmitteln.
Frieder Thomas setzte unter anderem auf Regeln, wie Boden von A nach B verkauft wird und forderte faire Warenpreise. Stefan Illi betonte dagegen, Land dürfe nicht als Ware verstanden werden. Jungeinsteiger und ökologische Maßnahmen sollten gefördert werden und Bürger müssten sich aktiv einmischen.
Für Mathilde Klingmüller muss die außerfamiliäre Hofübergabe zur Regel werden. Und Reinhard Schulze hoffte, dass die Landwirte in 30 Jahren wertgeschätzt werden, dass es weiterhin bäuerliche Familienbetriebe gibt und diese mit Wertschöpfung vielseitige biodiverse Landwirtschaft betreiben können.