Wenn andere wegrennen, fängt für Rolf Moll und seine 30 Männer die Herausforderung erst an. So beschreibt zumindest der Firmengründer die teils extremen Unfälle und Aufgaben, die sein gleichnamiges Stockacher Abschleppunternehmen zu meistern hat. Er spricht von der Champions League des Abschleppens. Und um dort zu mitspielen, braucht es teure Investitionen, die nicht jeder wagt: Denn große Lastwagen, Traktoren oder gar Flugzeuge lassen sich ohne Riesenkran, Tieflader und geschultes Personal nicht bergen.

In Süddeutschland kann das nicht jeder, weshalb der Stockacher Betrieb von Freiburg im Osten bis Ravensburg im Westen, von der Schweizer Grenze im Süden bis nach Reutlingen im Norden im Einsatz ist. Zuletzt beim schweren Unfall auf der B33 bei Singen, als Moll und seine Leute die eingestürzte Schilderbrücke wegschleppten. „Bei allem, was groß, dick, schwer und sperrig ist, haben wir uns in den vergangenen 30 Jahren einen guten Ruf erarbeitet“, sagt Rolf Moll.
Doch verglichen mit anderen Einsätzen sei jener bei Singen eher klein gewesen, so der Experte, während er bei einem Gang über das 20.000 Quadratmeter große Firmengelände im Industriegebiet Hardt über seine Geräte, den Ablauf von Einsätzen und seine extremsten Fälle spricht.
Ein Kran kostet eine Million Euro
Der Platz im Hardt ist dringend notwendig. Auf dem Firmengelände befinden sich etliche Garagen für große Kräne, mehrere Lastwagen und Abschlepper, eine Reinigungsmaschine und abgeschleppte Fahrzeuge – inklusive hauseigener Waschanlage mit 40 Metern Länge. Rolf Moll zeigt einen 100-Tonnen-Kran, der eine Million Euro wert ist, und einen Tieflader mit einem Auflieger, der so flach ist, dass er trotz geladenem Wohnmobil unter einer Brücke durch passt.
In seinem Lager sind zudem Container, Verbindungsstücke, Werkzeuge, Reinigungsmaschinen, die auch Öl entfernen können – sogar aufpumpbare Kissen, die laut Moll 70.000 Euro pro Stück kosten. Er sagt: „Die Bandbreite ist entscheidend. Solche Geräte kaufe ich nur, wenn ich sie mehr als einmal pro Jahr brauche. Deshalb hätte es keinen Sinn, wenn viele Unternehmen in einer Region das übernehmen.“
350 Schwerlasteinsätze pro Jahr
Mit diesem Gerät übernimmt das Unternehmen sowohl Einsätze im normalen Personenwagenbereich als auch im Schwerlastverkehr. „Wir können auch bei einem großen Unfall alles erledigen: bergen, sichern, abschleppen, verwahren und die Straße reinigen“, listet Moll auf. Im Schwerlastverkehr erledigt seine 30 Mann starke Truppe rund 350 Einsätze pro Jahr, schätzt Moll. Darunter sind Fälle wie eingesunkene Kräne, umgekippte Traktoren oder Lastwagen mit voller Ladung, ausgebrannte Busse und Wohnmobile mit Panne. Angerufen wird Moll von Fahrzeughaltern, Firmen – oder der Polizei.

Wie oft genau diese bei Unfällen im Landkreis Konstanz Abschleppunternehmen zu Hilfe ruft, kann das Präsidium Konstanz auf SÜDKURIER-Nachfrage nicht sagen. Allerdings beauftragt die Polizei einen Abschleppdienst auch nur dann, sofern der Fahrer des Fahrzeugs nicht mehr vor Ort oder nicht mehr in der Lage ist, selbstständig einen Abschleppdienst zu verständigen, teilt Pressesprecherin Katrin Rosenthal mit.
Die Kosten dafür übernehme zunächst die Polizei, anschließend würden sie dem Unfallverursacher in Rechnung gestellt. Liegt dem Abschleppen ein Ermittlungsverfahren zugrunde, so würden die Kosten ebenfalls durch die Polizei bezahlt und anschließend der Staatsanwaltschaft mittgeteilt, damit von dort aus die Kosten beim Beschuldigten eingetrieben werden.
So läuft ein Einsatz ab
Der Ablauf eines Einsatzes ist grundsätzlich immer der gleiche, beschreibt Moll: Der Anruf geht in der Zentrale ein, dann fährt zunächst ein erfahrener Einsatzleiter vor, schaut sich die Lage vor Ort an und fordert das benötigte Material sowie Personal an. „Es hätte ja keinen Sinn, auf Verdacht mit einem Riesenkran nach Ravensburg zu fahren“, erklärt er. Vor Ort koordinieren seine Leute sich mit Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Straßenmeisterei. Damit das alles auch am Wochenende und nachts funktioniert, arbeite sein Team im Bereitschaftsdienst.
Wenn es ernst wird, seien Knowhow und Erfahrung das Wichtigste. Nicht jeder Mitarbeiter sei schon bereit für den Schwerlastverkehr und die großen Maschinen. Wichtig seien Physikkenntnisse. Denn man müsse wissen, wo man einen umgestürzten Lastwagen andocken und anheben muss, ohne noch mehr Schaden anzurichten.
Einsatz beim Flugzeugabsturz bei Überlingen 2002
Entsprechend heftig sind die Einsätze, bei denen Moll in seinen gut 35 Einsatzjahren bereits vor Ort war. Der extremste sei der Flugzeugabsturz bei Überlingen 2002 gewesen, als zwei Maschinen kollidierten. Als der Anruf kam, habe er zunächst an eine Übung gedacht. „Flugzeugabsturz? Bei uns? Ich habe erst einmal auf dem Polizeirevier nachgefragt und noch gesagt, was das für eine blöde Zeit für eine Probe sei“, erinnert er sich. Doch der Einsatz war real.

In der dunklen Nacht habe er vor Ort das Ausmaß erst einmal gar nicht erkannt. „Aber der Anblick am nächsten Morgen war natürlich heftig“, so Moll über verbrannte Flugzeug- und Leichenteile. Tagelang sei man im Einsatz gewesen, habe in unwegsamem Gelände Wrackteile bergen und abschleppen müssen. Zudem habe man keinerlei Erfahrung mit Kerosin gehabt. „Wir wussten nicht, ob das explodieren kann.“
Besonders war für ihn auch ein Einsatz, als sie eine untergegangene Plattform im Bodensee mit einem Kran und Ballons von einer Fähre aus bergen und dann in den Hafen schleppen mussten. „Mit sowas hatten wir keinerlei Erfahrung. Aber genau das mag ich, es ist sehr spannend und herausfordernd“, so Moll.
Einsätze sind emotional aufwühlend
Extrem war auch der Brand des Autotransporters mit mehreren E-Autos im Jahr 2023 bei Überlingen. Moll erzählt: „Das war ein Schlachtfeld, überall ausgebrannte Wracks, viel Gefahrgut, etliche Einsatzfahrzeuge. Da kamen auch wir an unseren Grenzen.“ Mit dabei war er zudem bei einem Unfall, bei dem ein Kleinflugzeug in einem Dach eines Hauses einschlug. „Wir mussten das Flugzeug inklusive zweier Leichen vorsichtig aus dem Dach herausheben“, berichtet Moll.
Ohne Spuren gehen solche Einsätze aber auch an erfahrenen Haudegen wie Rolf Moll nicht vorbei. „Natürlich ist sowas emotional belastend, vor allem ist ein Mensch nicht jeden Tag gleich gut drauf. Deshalb haben meine Mitarbeiter die Freiheit, etwas abzulehnen oder in zweiter Reihe zu arbeiten, wenn es gerade nicht geht“, erklärt er.
Das sei gerade dann der Fall, wenn es um tote Menschen geht. Er selbst könne zwar vieles ausblenden, sagt aber auch: „Was mich selbst nach 40 Jahren noch an meine Grenze bringt, ist der Geruch.“