Hugo Lehmann ist sauer, so richtig sauer. Und zwar auf die Gemeinderäte, Gewerbetreibende und auch gutverdienende Stockacher, die sich in seinen Augen nicht solidarisch mit der Stadtgemeinschaft zeigen. Denn das Engagement der Stockacher im Parkverein, dessen Vorsitzender Lehmann ist, lässt dramatisch nach. Dabei ermöglicht der Verein, kostenlos für eine Stunde in der Innenstadt zu parken – was nicht zuletzt die Innenstadt attraktiver machen soll, deren Belebung immer wieder Thema ist.

Hugo Lehmann ist Vorsitzender des Parkvereins. Er sieht ein Versagen der Gemeinderatsfraktionen und der Gewerbetreibenden in der Stadt.
Hugo Lehmann ist Vorsitzender des Parkvereins. Er sieht ein Versagen der Gemeinderatsfraktionen und der Gewerbetreibenden in der Stadt. | Bild: Dominique Hahn

Im Juli wurde Lehmann deshalb bereits im Gemeinderat vorstellig und schilderte die verheerende Situation des Vereins. „Wir sind an dem Punkt, an dem Stockach sich fragen muss, ob es das kostenlose Parken überhaupt noch will“, sagt Lehmann. Genau diese Frage stellte er bereits in der Sitzung auch den Räten.

Passiert sei seither aber wenig – zu wenig, wenn es nach Lehmann geht. Er spricht von leeren Versprechungen, Versagen und Egoismus. Und droht mit der Auflösung des Vereins und damit dem Ende des kostenlosen Parkens.

Lehmann wirft Gemeinderäten „Versagen“ vor

Denn auf seine Frage im Rat hätten nur zwei Fraktionen geantwortet: CDU und Freie Wähler. Taten ließen jedoch nur die Freien Wähler folgen, sie traten am Tag darauf geschlossen in den Parkverein ein, berichtet Lehmann. Bei der CDU sei nichts passiert. „Das macht mich stinksauer, ich finde das unverständlich und es ärgert mich richtig“, so Lehmann, der selbst CDU-Mitglied ist.

SPD und Grüne hätten auf eine Frage nicht einmal reagiert, was er als mangelnde Würdigung von Ehrenamt und fehlende Solidarität interpretiert. Den Gemeinderäten, von denen laut ihm nur 70 Prozent im Verein Mitglied sind, wirft er daher – mit Ausnahme der Freien Wähler – angesichts von deren Vorbildfunktion „Versagen“ vor.

„Wir reden politisch immer wieder über die Verbesserung der Oberstadt. Das kostenlose Parken ist dafür ein wichtiges Mosaiksteinchen. Da ...
„Wir reden politisch immer wieder über die Verbesserung der Oberstadt. Das kostenlose Parken ist dafür ein wichtiges Mosaiksteinchen. Da müssen dann auch Mandatsträger mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt Wolf-Dieter Karle (FW). | Bild: Fw

So reagieren die Fraktionen

Wolf-Dieter Karle (FW) kann Lehmanns Ärger verstehen, er habe seine Fraktion bereits im Juli aufgefordert, geschlossen in den Verein einzutreten. „Das kostenlose Parken ist ein Vorteil, der Stockach ausmacht. Das sollten wir nicht verlieren“, begründet Karle mit Blick auf hohe Parkgebühren in Nachbarorten wie Bodman-Ludwigshafen oder Singen.

Karle sagt: „Wir reden politisch immer wieder über die Verbesserung der Oberstadt. Das kostenlose Parken ist dafür ein wichtiges Mosaiksteinchen, da wir so Leben in die Stadt kriegen. Da müssen dann auch Mandatsträger mit gutem Beispiel vorangehen“, fordert er von seinem Ratskollegen.

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Stetter widerspricht der Kritik

CDU-Fraktionschef Christoph Stetter möchte die Kritik hingegen so nicht stehen lassen. So seien rund zwei Drittel seiner Fraktion Mitglied im Verein oder hätten einen Antrag gestellt – er selbst bereits vor vielen Jahren. Die Arbeit und das Anliegen des Vereins begrüßt Stetter als tolle Sache, hinter der die CDU auch stehe.

„Die Frage ist, wo fängt man an und wo hört man auf. Nicht jeder Gemeinderat kann in jedem Verein sein“, sagt Christoph Stetter (CDU).
„Die Frage ist, wo fängt man an und wo hört man auf. Nicht jeder Gemeinderat kann in jedem Verein sein“, sagt Christoph Stetter (CDU). | Bild: Agentur Seliger Brands

„Aber es gibt in Stockach rund 100 Vereine. Die Frage ist, wo fängt man an und wo hört man auf. Nicht jeder Gemeinderat kann in jedem Verein sein“, sagt er. So vertrete jeder dieser Vereine ein wichtiges Anliegen, allerdings könne nicht jeder überall Mitglied sein. „Nicht Mitglied zu sein, bedeutet nicht, eine Sache nicht zu unterstützen oder nicht wertzuschätzen. Wir als Fraktion stehen hinter dem Parkverein, aber ob jemand Mitglied wird oder nicht, ist jedem selbst überlassen“, stellt er klar.

Grüne schlagen Weiterentwicklung des Vereins vor

Alice Engelhardt von den Grünen erklärt: „Mir ist wichtig zu betonen, dass der langjährige Einsatz von Herrn Lehmann für den Parkverein gelebtes bürgerschaftliches Engagement ist und von unserer Seite aus großen Respekt verdient.“ Dennoch sei niemand aus ihrer Fraktion Mitglied im Verein. Sie selbst habe dies aus „verschiedenen Gründen“ auch nie in Erwägung gezogen. Und, fügt sie hinzu: „Die Entwicklung in der Oberstadt zeigt, dass der Parkverein es nicht geschafft hat, mehr Menschen in die Stadt zu bringen.“

„Die Entwicklung in der Oberstadt zeigt, dass der Parkverein es nicht geschafft hat, mehr Menschen in die Stadt zu bringen“, sagt Alice ...
„Die Entwicklung in der Oberstadt zeigt, dass der Parkverein es nicht geschafft hat, mehr Menschen in die Stadt zu bringen“, sagt Alice Engelhardt (Grüne) | Bild: www.ma-ke.net

Zudem erfordere die Klimakrise ein Umdenken in der Mobilität. Selbst bei 50 Cent Parkkosten pro halbe Stunde im Parkhaus sei Stockach noch immer günstiger als andere Orte. Sie findet außerdem nur die Förderung des Parkens im Parkhaus sinnvoll, jedoch nicht in der Hauptstraße. Stattdessen wünscht Engelhardt sich eine Weiterentwicklung des Parkvereins, um sich zum Beispiel mit Klima-Kompetent-Mobil (Car-Sharing) und dem Förderverein Ablachtalbahn für eine lokale Realisierung der Verkehrswende einzusetzen.

Claudia Weber-Bastong (SPD) teilt mit, sie wisse nicht, wer aus ihrer Fraktion Mitglied im Parkverein ist. Sie sei für den Erhalt des kostenlosen Parkens, auch wenn sie selbst als konsequente Radfahrerin eine Mitgliedschaft ausschließt. Allerdings sieht sie die Verantwortung bei den Gewerbetreibenden und nicht bei den privaten Mitgliedern, da insbesondere die Gewerbetreibenden Nutznießer seien.

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Scharfe Kritik auch an den Gewerbetreibenden

Das sieht auch Lehmann so. Während er die Stadtverwaltung von seiner Kritik explizit ausnimmt, sagt er in Richtung Gewerbe: „Der Erhalt des Vereins ist Aufgabe derjenigen, die es sich leisten können und selbst davon profitieren“, stellt er klar. Gemeint seien Händler, Gewerbetreibende und Vermieter von Ferienwohnungen. Ihnen wirft er fehlende Solidarität vor. Hauptprofiteure müssen sie ihren Beitrag leisten, fordert Lehmann.

Doch stattdessen seien seit 2015 sogar 51 Gewerbetreibende aus dem Verein ausgetreten. Besonders geärgert habe ihn dabei auch so manche Begründung. So hätten Händler gesagt, sie hätten gar keinen Parkplatz direkt vor ihrem Geschäft oder hätten lange genug gezahlt. Manche hätten auch kritisiert, dass keine Spendenquittung möglich ist.

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Ist der Verein zu Unbekannt?

Als zweite Ursache für den Mitgliederschwund hat Lehmann neben der fehlenden Solidarität die Unbekanntheit seines Vereins ausgemacht. „Viele nehmen das kostenlose Parken einfach hin. Dass unser Verein und Mitgliederbeiträge dahinterstecken, ist vielen wohl gar nicht bewusst“, sagt er. Um den Verein zu retten, fordert der Vorsitzende ein Umdenken in der Stadt.

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Helfen soll dabei Mario Lovecchio, ein Bekannter Lehmanns und Schriftführer des Vereins. Er sagt: „Wir müssen Lösungen finden, um mehr Menschen anzusprechen.“ Dazu sei der Verein bereits in Gesprächen mit der Stadt, um Aufkleber an Säulen und Werbeflächen anzubringen, die auf den Verein hinweisen. Zudem wolle man im Internet aktiver werden und eine Facebook-Gruppe gründen. Auch wolle man Unternehmen direkt anschreiben.

Sollte all das kein Erfolg haben, sieht Lehmann jedoch schwarz: „Wenn wir es nicht schaffen, mehr Mitglieder zu gewinnen, dann werde ich den Verein auflösen.“