Die Frage nach dem eigenen Lebensweg beschäftigt derzeit nicht nur Schulabsolventen, die sich für Ausbildung oder Studium entscheiden müssen. Auch Flüchtlinge, die nach Radolfzell kommen, beschäftigen sich mit ihrer Zukunft. Hilfe erhalten sie dabei seit Mai von zwei Integrationsmanagern. Doch was machen die eigentlich? Um das zu erklären, hat die Stadt Radolfzell zu einem Pressegespräch eingeladen und dabei wurde rasch klar: Die Duden-Definition, derzufolge ein Manager geschäftlich einen Menschen betreut, kommt der Arbeit von Carsten Hahn und Sebastian Vogt ziemlich nahe.
Hilfe zur Selbsthilfe: Sie zeigen einen Weg
Integrationsmanager übernehmen laut Bürgermeisterin Monika Laule dann, wenn Flüchtlinge eine Duldung haben oder länger als zwei Jahre in Deutschland leben. Im Auftrag des Landkreises Konstanz kümmern sie sich gemeinsam mit den Betroffenen um Themen wie Arbeit, Wohnen, Sprache. "Es geht darum, Menschen in die Lage zu versetzen, Miet- und Arbeitsverträge abzuschließen wie jeder andere auch", sagt Laule. Dabei sei besonders Wohnraum eine Herausforderung, waren sich die Anwesenden einig. Die Arbeit der Integrationsmanager soll zur Selbsthilfe motivieren: "Wir sind nicht diejenigen, die alles abnehmen", betont Carsten Hahn. Sie seien vielmehr diejenigen, die den Weg aufzeigen.
Integrationsplan für gezieltes Vorgehen
Ein recht neues Hilfsmittel für diese langfristige Herangehensweise soll ein Integrationsplan sein. Dabei besprechen die Integrationsmanager mit einem Geflüchteten, wie er sich seine Zukunft vorstellt. Ausbildung oder direkt arbeiten? Welche Vorkenntnisse besitzt er? Und welche Förderung ist sinnvoll? Entsprechend könne man den Betroffenen zielgerichtet unterstützen, etwa mit einem Sprachkurs speziell für den technischen Bereich, wenn derjenige einen solchen Beruf anstrebt. "Viele sind schon richtig selbstständig", sagt Hahn über die von ihm Betreuten. Das sei auch notwendig – beim Integrationsplan werde auch festgehalten, was ein Flüchtling leisten muss, um sein Ziel zu erreichen.
1,7 Stellen für Betreuung von 181 Flüchtlingen
Anders wäre es angesichts der Betreuungszahlen auch nicht möglich: Carsten Hahn ist im Auftrag des Landkreises Konstanz zuständig für 100 Menschen, die in der Kasernenstraße in Radolfzell wohnen. "Die sozialpädagogische Arbeit steht und fällt mit dem Kontakt", sagt er, daher habe er sich im Mai erst einmal allen mit einem Brief vorgestellt. Sebastian Vogt kümmert sich um aktuell 81 Menschen, die in den Radolfzeller Ortsteilen oder Einzelwohnungen leben. Gemeinsam teilen sie sich 1,7 Stellen. Nicht jeder habe jede Woche Gesprächsbedarf, sagt Vogt, daher würde sich die Nachfrage derzeit ganz gut verteilen. "Und es ist immer das Ziel eines Sozialarbeiters, dass er am Ende nicht mehr gebraucht wird", sagt Vogt. Bis dahin sei aber noch viel zu tun.
Projekt ist auf zwei Jahre ausgelegt
Ein Druckmittel in Form möglicher Sanktionen gebe es übrigens nicht, wie Vogt erklärt. "Das geht nur über Absprachen." Zu ihrer Arbeit gehöre es auch, den deutschen Alltag zu erklären. Mal gehe es um die erste Orientierung, mal um konkrete Fragen zur Steuererklärung. In diesem Fall müsse er dann aber an einen Steuerberater verweisen, sagt Vogt mit einem Lachen. Ihre Tätigkeit müssten sie genau dokumentieren, damit das zunächst auf zwei Jahre ausgelegte Projekt des Integrationsmanagements ausgewertet werden kann.
Den Bedarf für Integrationsarbeit zeige auch ein Blick in die Bevölkerungsstatistik, wie der Integrationsbeauftragte Günter Wenger erklärte: Von 31 188 Radolfzellern zum Jahresende 2017 haben 22 bis 25 Prozent einen ausländischen Pass oder einen Migrationshintergrund. Insgesamt stammen die Menschen aus über 100 Nationen, die meisten aus Italien, der Türkei und dann Syrien.
Ansprechpartner und Integrationskonzept
- Zuständige: Neben ehrenamtlichen Helfern kümmern sich mehrere Beteiligte in Radolfzell hauptberuflich um Flüchtlinge: Für die Stadt Radolfzell sind das Susanne Schaffart als Flüchtlingskoordinatorin, die alle Akteure miteinander vernetzt, sowie Holger Vetter als Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste und Günter Wenger, der seit 2012 Integrationsbeauftragter ist. Integrationsmanager sind Carsten Hahn und Sebastian Vogt. Hahn ist seit Mai für Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft in der Kasernenstraße in Radolfzell zuständig. Sebastian Vogt kümmert sich seitens der diakonischen Werke um die Ortsteile und Menschen, die in Einzel-Wohnungen untergebracht sind. Bärbel Wagner ist Fachbereichsleiterin der Diakonie und koordiniert die 25 Integrationsmanager-Stellen im Landkreis.
- Das Integrationskonzept des Landkreises Konstanz wurde im Januar vom Kreistag verabschiedet und beschreibt auf knapp 200 Seiten Maßnahmen und Ideen in den Handlungsfeldern Sprache, Arbeit, Bildung, Wohnen, Gesundheit, Kultur und Freizeit fest. Außerdem geht es um Beteiligung, ehrenamtliches Engagement, Zusammenarbeit der Kommunen, interkulturelle Öffnung und Antidiskriminierung. Dabei dienen auch Beispiele aus Radolfzell als Vorbild: das Sprachcafé, das Haus der Vielfalt und Café International, der Gemeinschaftsgarten sowie der Badeflyer sind lobend erwähnt.
- Das Integrationsverständnis ist laut Integrationskonzept folgendes: "Integration ist ein langfristiger, gesamtgesellschaftlicher Prozess, dessen Ziel die gleichberechtigte und umfassende Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Leben ist."