Singen Welche Schätze im Stadtarchiv schlummern, erfuhren die Teilnehmer des Workshops „Mitläufer, Belastete & Co. – Entnazifizierung in Singen“. Im ersten Teil der Veranstaltung informierte die Leiterin des Stadtarchivs, Britta Panzer, über die im Magazin lagernden Quellen und Dokumente. Sie erläuterte die vielfältigen Aufgaben eines Archivars. Zu denen gehöre es etwa, aus einer Fülle von Informationen zu einem bestimmten Ereignis die wesentlichen herauszufiltern, damit ein zukünftig Interessierter nicht von einer Dokumentenflut erschlagen werde, wenn er sich darüber informieren wolle.
Mit einem kurzen Film sowie weiteren Erläuterungen über den Entnazifizierungsprozess in der französischen Besatzungszone führte die Stadtarchivarin in den eigentlichen Workshop ein. Ziel der Entnazifizierung sei es gewesen, NS-Verbrecher strafrechtlich zu belangen und Regimeträger von wichtigen Positionen in Politik und Gesellschaft fern zu halten, so Panzer. In den ersten Monaten nach dem Krieg sei dieser Prozess recht unstrukturiert verlaufen. In sogenannten antifaschistischen Ausschüssen hätten ehemalige SPD- und KPD-Mitglieder Personen, die in das NS-System verstrickt gewesen seien, aufgedeckt.
Laut Panzer habe man ab dem Herbst 1945 versucht, mit einer gewissen Systematik und nach einheitlichen Kriterien zu verfahren. In der öffentlichen Verwaltung Beschäftigte sollten mittels Fragebögen über ihre Aktivitäten in der NS-Zeit Auskunft geben. Allerdings hätten diese Angaben allein aufgrund des hohen Volumens nicht allzu streng hinterfragt werden können. Die Verwaltungen seien personell ausgedünnt gewesen, da viele Beamte im Krieg gefallen oder in Kriegsgefangenschaft geraten waren. So wurde ein Großteil der Geprüften als Mitläufer eingestuft. Ehrenerklärungen Dritter, die sogenannten Persilscheine, genügten, Personen zu entlasten.
Das Archivmaterial bestätigte die Ausführungen der Stadtarchivarin. Erstaunlich viele Ehefrauen bestätigen darin mittels dem genannten Persilschein, dass ihre Gatten in keinster Weise mit dem NS-Regime verstrickt waren. Eine umfangreiche Liste offenbarte, zu welchem Zeitpunkt Mitglieder der Partei beitraten. So waren etliche Kaufleute und Beamte bereits Anfang der 30er Jahre dabei. (bhi)