Wenn Ehepaare heute vor Gericht stehen, geht es in der Regel um eine Scheidung. Um das Jahr 1800 konnte es schon mal das genaue Gegenteil sein. So hatte der frischgebackene Schlossherr in Zizenhausen, Landrichter Carl Anton von Krafft, mit der Familie seiner künftigen Schwiegertochter eine Auseinandersetzung darüber, dass sein 21-jähriger Sohn Josef Anton von Krafft und die zwei Jahre jüngere Freiin Josefine Wilhelmine Therese von La Sollaye aus Radolfzell überhaupt den Bund der Ehe schließen konnten.

Alles begann damit, dass der Vater für seinen Sohn um die Hand der zukünftigen Braut anhielt, beschreibt Kurt Schmid in der Ortschronik über Zizenhausen. Josephines Vater, Leopold Freiherr von La Sollaye, wollte Bedenkzeit, doch es kam keine Antwort. Also fragte Krafft in einem Brief nach und argumentierte, dass sein Sohn in der Lage sei, der jungen Freiin Josephine ein standesgemäßes Leben zu sichern. Wieder keine Antwort. Doch Anfang des Jahres 1800 stand "die junge Braut eines Tages plötzlich selbst in Zizenhausen vor der Haustüre derer von Krafft", schreibt Schmid. Diese Haustüre war das hölzerne Portal des ab 1795 neu erbauten Schlosses – heute ist das Gebäuude das Rathaus.

Josefine, teils auch Josepha geschrieben, war zuhause weggelaufen und der künftige Schwiegervater nahm sie auf. Die Folge: ein Streit der Familien und ein Gerichtsverfahren. Josef und Josepha wollten heiraten, aber der Vater der Braut verweigerte die Einwilligung und die Ereignisse gingen über Kreuz: Die Hochzeit des jungen Paars war am 26. Januar 1800, obwohl der Brautvater dagegen war. Am 1. März erhielt der Schwiegervater Krafft ein Schreiben, das die Rückkehr der Tochter forderte. Am 4. März ergab sich eine Wendung, als sich Josephas Mutter einschaltete und angab, dass sich die Tochter schon seit mehreren Jahren unter ihrer alleinigen Aufsicht befände. Ihr weiteres Schreiben offenbarte eheliche Probleme zwischen ihr und ihrem Ehemann, wie auch Kurt Schmid folgerte. Letztendlich kam am 26. November, also genau zehn Monate nach der Hochzeit, Carl Friedrich, der erste Sohn des jungen Paares, das nun in Radolfzell wohnte, zur Welt. Der Rechtsstreit war allerdings erst im Juli 1802 endgültig geklärt.

Das Schloss, das 1936 zum Rathaus der Gemeinde wurde, ist ein Bau mit Ökonomiegebäuden, das zeitgenössisch so beschrieben wurde: "Das Schloss ist dreistöckig in der Frontspitze mit Schlaguhr und einer Glocke, im Gebäude sind zehn heizbare Zimmer, ein Saal und zwei Kabinette, drei Zimmer für Dienstleute und zwei Küchen, zwei Steißgemache und vier Gewölbekeller." Carl Anton von Krafft wurde 1805 in den erblichen Reichsfreiherrenstand erhoben. Mit Josef und Josefines Sohn setzte sich ihre Linie zunächst fort, erlosch dann aber später. Josef Anton von Krafft hatte noch eine ältere Schwester namens Anna Maria von Krafft, die unverheiratet und kinderlos blieb sowie einen jüngeren Bruder, Friedrich Franz von Krafft. Dessen Familienzweig existiert weiter.

 

Die Serie

Stockach und seine Umgebung stecken voller historischer Schätze und Geheimnisse. Es gibt bekannte Burgruinen und Schlösser, aber auch Bauten und historische Persönlichkeiten, die vom Nebel der Zeit umhüllt sind. Die Serie „Burg- und Schlossgeschichten“, die in loser Folge erscheint, wirft Schlaglichter auf weniger bekannte Geschichten, Sagen oder Personen, die mit den Adelssitzen um Stockach, Bodman-Ludwigshafen, Hohenfels, Eigeltingen und Orsingen-Nenzingen zu tun haben.