Glockengeläut sorgt nicht bei jedem zu jeder Zeit für Freude. So kam es im kleinen Tengener Teilort Talheim zu Diskussionen, ob die Turmuhr schon morgens um 6 Uhr die Nachbarn wecken soll. Bevor die Debatte zum Getöse werden sollte, wählte der Ort einen ungewöhnlichen Weg: Es wurde abgestimmt. Ob die damalige Abstimmung zur Beruhigung der Diskussion geführt hat, wollte der SÜDKURIER jetzt wissen.

„Seit der Abstimmung ist das Glockenläuten kein Thema mehr im Dorf. Es wird von allen akzeptiert. Und alle können jetzt damit leben“, antwortet Ortsvorsteher Robert Mick. Die Abstimmung vor anderthalb Jahren sei ideal gewesen, schließlich herrsche im Ort traditionell eine hohe Wahlbeteiligung. Und dass die Glocken auch am Samstag und Sonntag um sechs Uhr läuten, war hitzig diskutiert worden.

Rund anderthalb Jahre war Ruhe im Dorf, als das Türmchen 2022 und 2023 saniert werden musste. Ein Zustand, an den sich einige schnell gewöhnt haben. Und so störten isch manche daran, als die Glocke danach wieder frühmorgens schlug. Das Läuten um 11 und um 12 Uhr und auch das Abendläuten störe niemanden, erklärt Mick. Sogar der Brauch, dass das Glöcklein das neue Jahr einläutet, finden alle in Ordnung. Aber ob es denn schon morgens um 6 Uhr sein muss? Und das auch am Samstag und Sonntag? Diese Frage musste geklärt werden.

Glocke ist schon seit Jahrzehnten präsent

Die beiden kleinsten Tengener Teilorte Talheim (110 Einwohner) und Uttenhofen (161 Einwohner) werden von einem gemeinsamen Ortschaftsrat verwaltet. Ortsvorsteher beider Dörfer ist Robert Mick aus Talheim. Seit über 120 Jahren krönt der Glockenturm das Talheimer Rathaus. Einige Jahrzehnte habe seine Mutter die Glocke per Hand geläutet, erinnert sich der Ortsvorsteher.

„Bis 1962 war alles rein mechanisch, dann wurde die Uhr teilelektrifiziert und der Stundenschlag ging fortan elektrisch“, blickt er in die Geschichte zurück. Im Jahr 1969 sei dann die Uhrenanlage das erste Mal komplett saniert und elektrifiziert worden. Eine Rechenschlaguhr sei eingebaut worden, die heute noch im Speicher steht. Ortsvorsteher Robert Mick erklärt: „Unten im Amtszimmer hing der Kontrollregulator bis zum Jahr 2009. Dann wurde er digitalisiert und das Umstellen von Winter- auf Sommerzeit ging fortan automatisch.“ Im Jahr 2022 sei die Rechenschlaguhr abgeschaltet worden.

Blick aufs Dorf. Soll die Glocke im Dorf morgens um 6 Uhr läuten? In Tengen-Talheim wurde diese Frage demokratisch gelöst.
Blick aufs Dorf. Soll die Glocke im Dorf morgens um 6 Uhr läuten? In Tengen-Talheim wurde diese Frage demokratisch gelöst. | Bild: Uli Zeller

Dass es sich bei denen, die das frühe Läuten störte, um eine Minderheit handeln musste, ist für Ortsvorsteher Robert Mick klar. Denn die Glocke wurde bereits zuvor wegen Schäden im Turm abgestellt. Damals hätten die Ortschaftsräte alle Talheimer persönlich besucht, berichtet er. Alle habe man gefragt, ob die Glocke wieder läuten soll. Und alle hätten dafür gestimmt – bis auf eine Enthaltung.

Wiederinbetriebnahme wurde noch beklatscht

Dazu passen die Reaktionen bei der Wiederinbetriebnahme vor über einem Jahr. „Klingt sie nicht schön?“, fragte Mick damals und erntete spontan Applaus. Der SÜDKURIER titelte: „Glocke und Turm sei Dank: Rathaus hat seinen Charme wieder.“ Auch für die Talheimerin Manuela Keller ist eines ganz klar: „Es ist toll, dass die Glocke wieder da ist und läutet. Das gehört zum Dorf.“

Die Turmuhr und insbesondere das stützende Gebälk war in die Jahre gekommen. Inzwischen wurde der restaurierte Turm wieder auf das ...
Die Turmuhr und insbesondere das stützende Gebälk war in die Jahre gekommen. Inzwischen wurde der restaurierte Turm wieder auf das Gebäuder der Ortsverwaltung gesetzt. | Bild: Uli Zeller

Doch dann kam eine Idee auf: Es würde doch auch noch reichen, wenn die Glocke morgens um 7 Uhr klingeln würde. Talheim wäre nicht Talheim, wenn man es dabei belassen hätte. Der kleinste Tengener Teilort wollte das Problem auf demokratische Art lösen, statt es zum Streit ausarten zu lassen.

110 Einwohner zählt der kleine Tengener Teilort Talheim.
110 Einwohner zählt der kleine Tengener Teilort Talheim. | Bild: Uli Zeller

Talheim findet besondere Lösung

In einer Sitzung, in der es darum ging, ob das Glöckle im Rathaus nun um 6 oder um 7 Uhr läuten sollte, habe Ortschaftsrat Raphael Schätzle aus Uttenhofen gesagt, er wolle nicht über die Köpfe der Talheimer hinweg abstimmen. So berichtet es Ortsvorsteher Robert Mick. Man solle doch die Talheimer selbst fragen. Und so kam es im September 2023 zum Bürgerentscheid, der vor allem eines gezeigt hat: Talheim kann Demokratie.

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Die Einwohner waren zur Wahl ins Schulhaus aufgerufen – eben in jenes Gebäude, auf dem die Glocke bimmelt. Vier Stunden hatten die Talheimer die Möglichkeit, ihre Stimmen abzugeben. Von 10 bis 14 Uhr. Und über 90 Prozent der Wahlberechtigten nutzten die Chance, stimmten ab und sorgten so dafür, dass der Bürgerentscheid rechtswirksam wurde. Beinahe 90 Prozent der Einwohner hätten dafür gestimmt, dass alles so bleibt, wie es immer war, berichtet der Ortsvorsteher. Das bedeutet: Die Glocke klingelt – und zwar schon morgens um 6 Uhr.