Ein heute 23-Jähriger aus Meßkirch wurde vom Schöffengericht in Sigmaringen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt, weil er mit seiner damals 16-jährigen Freundin in fünf Fällen Cannabis geraucht haben soll. Die heute 17-Jährige erlitt in der Folge des regelmäßigen Drogenkonsums eine schwere Psychose und stürzte sich in der Wohnung ihrer Mutter im August des vergangenen Jahres aus dem Fenster. Dabei brach sie sich beide Beine. Bis heute ist die 17-Jährige krankgeschrieben und kann nicht richtig laufen. War daran ausschließlich der Angeklagte Schuld, weil er mit ihr Cannabis konsumierte? Mit dieser Frage beschäftigte sich Amtsrichter Jürgen Dorner gemeinsam mit zwei Schöffen.

Angeklagter räumt Abgabe sofort ein

Die Staatsanwaltschaft Hechingen legte dem 23-Jährigen zur Last, während der rund einjährigen Beziehung mit dem Mädchen in mindestens 34 Fällen Joints geraucht zu haben, obwohl er wusste, dass sie minderjährig ist. Mit der Überlassung von Betäubungsmittel an Minderjährige machte sich der Angeklagte strafbar. Vor Gericht räumte der Angeklagte sofort ein, dass er mit dem Mädchen Joints gekifft habe. Allerdings wäre das nur ein paar Mal gewesen. „Es wird so hingestellt, als wäre ich jemand, der Jemanden zu so etwas zwingen würde“, sagte er vor Gericht. Seine Ex-Freundin habe nie abgelehnt.

Mädchen soll schon vorher Probleme gehabt haben

Die Beziehung sei beendet gewesen, als das Mädchen im Sommer 2020 aus dem Fenster sprang und dann zum zweiten Mal in der Jugend- und Kinderpsychiatrie in Mariaberg untergebracht war. Er schilderte dem Gericht, dass das Mädchen immer wieder mit ihrer Mutter gestritten und Tabletten genommen habe, aber er könne nicht sagen welche. Nach einem ersten Klinikaufenthalt habe er mit seiner Freundin keine Drogen mehr konsumiert. Warum das Mädchen dann im August 2020 aus dem Fenster sprang, konnte er sich nicht erklären. Schließlich sei sie zu dem Zeitpunkt sechs Monate abstinent gewesen.

Prognose des Angeklagten ist günstig

Für das Gericht spielte es eine entscheidende Rolle, ob psychischen Probleme erst durch den Drogenkonsum kamen oder nicht, denn daran orientierte sich das Strafmaß. Für schwere Fälle kann eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Bislang ist der junge Mann aus Meßkirch nicht vorbestraft. Er hat eine abgeschlossene Ausbildung und ein geordnetes Leben. Seit einem halben Jahr ist er zwar arbeitslos, habe aber Aussicht auf eine feste Arbeitsstelle. Drogen konsumiere er seit dem Ende der Beziehung gar nicht mehr.

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Mädchen verschweigt dem Richter frühere Probleme

Die heute 17-Jährige schilderte die Vorfälle anders. Sie hätten fast täglich in der Wohnung des Angeklagten gekifft. Anfang 2020 habe sie die erste Psychose gehabt und mit den Drogen aufgehört. Auf die Frage, warum sie sich nicht von ihrem Freund getrennt habe, gab sie an, sie hätte Angst gehabt. Im August sei die Lage eskaliert. „Da wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte und habe keinen anderen Ausweg gesehen als aus dem Fenster zu springen“, antwortete sie auf die Frage des Verteidigers, warum sie aus dem Fenster gesprungen sei. Zu Beginn der Beziehung habe ein Treffen in der Wohnung mit mehreren Freunden des Angeklagten stattgefunden. „Die haben gefragt, ob ich auch ziehen will“, sagte sie aus. Das hätte sie bejaht und mitgemacht. Danach habe man regelmäßig Cannabis geraucht. Auf Nachfragen schilderte sie, dass die Beziehung schwierig gewesen sei. Das damals 16-jährige Mädchen begann eine Gesprächstherapie, schaffte es aber nicht, sich von dem Beschuldigten zu trennen. Probleme innerhalb der Familie habe es erst durch die Beziehung gegeben.

Ärztliches Attest offenbart dem Gericht wichtige Details

Licht ins Dunkel brachte ein vor Gericht vorgelesenes ärztliches Attest aus der Psychiatrie. Demnach war das Mädchen bereits 2017 wegen familiärer Probleme in ärztlicher Behandlung. Neben der Psychose wurde im Februar 2020 eine erhebliche Entwicklungsverzögerung, eine problematische Elternsituation und eine unterdurchschnittliche Intelligenz attestiert. „Es lässt sich nicht feststellen, dass der Cannabiskonsum mit dem Angeklagten alleinursächlich ist“, fasste Richter Jürgen Dorner zusammen.

Staatsanwalt forderte 18 Monate zur Bewährung

Der Staatsanwalt fordert in seinem Plädoyer eine Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zur Bewährung sowie eine Geldstrafe von rund 500 Euro. Mehr als fünf Fälle seien nicht mehr nachweisbar, aber es handle sich um einen schweren Fall, denn der Angeklagte habe gewusst, dass das Mädchen minderjährig ist. „Cannabis ist verboten, weil es neurologisch auf das Gehirn einwirken kann“, sagte er zum Angeklagten. Weil die Prognose aber günstig sei, könne die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden.

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Verteidigung sieht minderschweren Fall gegeben

Der Pflichtverteidiger forderte eine Gesamtstrafe von acht Monaten zur Bewährung und eine Geldstrafe von 500 Euro. Es handle sich um einen minderschweren Fall, denn die Beschuldigte habe mitrauchen wollen und das auch eingeräumt. Zudem habe die Zeugin bereits vor der Beziehung Probleme gehabt und dies in ihrer Aussage verschwiegen. Sie sei also nicht glaubwürdig.

So fiel am Ende das Urteil aus

Nach Beratung mit den beiden Schöffen verurteilte Amtsrichter Jürgen Dorner den Angeklagten zu einem Jahr auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 750 Euro. Der Angeklagte habe vor Gericht einen guten Eindruck gemacht. Man glaube ihm, dass er seine Lektion gelernt habe und er sei nicht vorbestraft. Zudem habe er eingeräumt, dem Mädchen Drogen gegeben zu haben. „Wir sind der Meinung, Sie haben den Warnschuss verstanden. Lassen Sie die Finger von Drogen“, gab er dem 23-Jährigen mit auf den Weg.