Ins Schwärmen gerät Michael Skuppin, wenn er über Pfullendorf und seine Historie spricht. Eine „verkannte Schönheit“ und „lebende Theaterkulisse“ sei die ehemalige Reichsstadt, die Besuchern soviel bieten könne. Skuppin muss es wissen, denn er hat für viele Gemeinden mit der notwendigen historischen Tiefe Führungen entwickelt und führt als Räuber Max Elsässer Besucher auch durch die heimische Innenstadt. Die Tourismusinformation bietet derzeit schon unterschiedliche Führungen an – Räuberführung, Klosterführung bis hin zur Kellerführung, die coronabedingt aktuell nicht stattfinden.
Erlebnis-Charakter einer Führung ist wichtig
Allen Angeboten gemeinsam ist der „Erlebnis-Gedanke“, denn es genügt nicht mehr, den Besuchern die Fakten und Daten einer Stadt zu vermitteln, sondern die Gäste wollen mit Lebendigkeit, Authenzität und Originalität begeistert werden. Michael Skuppin nutzt dafür den Begriff „Kopfkino“, das dem Besucher die Vergangenheit lebendig erscheinen lässt.
Historisches und Persönliches
Dieser Anspruch wird bei der neuen Erlebnisführung absolut erfüllt – wenn Schankmagd Josepha von Bürgern, Bier und alten Zeiten erzählt. „I bin d‘Josepha, und hier beim Kronawirt...it bloß Schankmagd“, stellt sich Josepha den Besuchern vor. In dem historischen Outfit aus dem Jahr 1774 steckt Hanna Stauß, die schon Theatererfahrung mitbringt und derzeit eine zweijährige Fortbildung für Kunst und Improvisation in Karlsruhe absolviert. Die junge Frau verschmilzt schier mit ihrer Figur und mit Spaß und Heimatstolz verkörpert sie die Rolle der Schankmagd, die auch hinter die Kulissen blickt und schwätzt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Ungeniert plaudert sie über die Eigenheiten der Bewohner und die politische Macht der Männer.
Leben in der Vergangenheit erleben und die Stadt kennenlernen
Bei einem Pressegespräch stellten Tourismuschefin Ulrike Schwichtenberg und Bürgermeister Thomas Kugler mitsamt den Protagonisten die neue Erlebnisführung vor. Die Konzeption erfolgte mit der Kunsthistorikerin Helga Müller-Schepper, erklärte Schwichtenberg, dass man auch die Rolle der Frauen sowie die Zunftgeschichte in die Führung einbaute. „Das Leben in der Vergangenheit erleben und die Stadt kennenlernen“, nannte sie als Ziel, wobei ausdrücklich auch die Pfullendorfer eingeladen sind, ihre Stadt zu erleben. „Die Stadt gibt so viel her, auch viele Merkwürdigkeiten“, nennt Michael Skuppin beispielhaft, dass es in Pfullendorf trotz 80 unterschiedlichen Berufen dereinst nur fünf Zünfte gab. Bei ihrem Stadtrundgang weiß Schankmagd Josepha auch, warum sich die Pfullendorfer mit einer Handvoll Zünften begnügten: „Damit hatten die Zunftmeister im mächtigen Rat der Stadt das Sagen.“
Stadt steckt voller Geschichten
Akribisch durchforstete Michael Skuppin die Archive, um jegliche historische Ungereimtheiten bei der Figur der Josepha zu vermeiden. Klar ist für den erfahrenen Theatermann, dass es auf die glaubhafte Präsentation der historischen und persönliche Ebene ankommt und mit Hanna Stauß hat man eine Protagonistin gefunden, die die Mischung aus Rolle und Improvisation bestens kennt, durch ihr Mitwirken beim Input-Theater in Sigmaringen. Die junge Frau, die aus Inneringen kommt, identifiziert sich bereits voll mit der Pfullendorfer Geschichte.
Idee: Gruselnacht im Obertor

Skuppin hätte noch viel „Historie in der Schublade“, die man präsentieren könnte. Die ehemals Freie Reichsstadt Dinkelsbühl ist kleiner als Pfullendorf und beherbergt ein Landestheater, das jährlich tausende Besucher anzieht. Im Obertor könnte man eine „Gruselnacht“ anbieten. „Es gibt hier so viele Plätze, die man nutzen könnte, denn Pfullendorf steckt voller Geschichten.“
Nachfrage nach Angeboten ist vorhanden
Bürgermeister Kugler berichtete von einer stetig erhöhten Nachfrage nach Erlebnisführungen und man habe nun ein tolles zusätzliches Angebot. Dies könne man auch bei Reiseveranstaltern gut platzieren, ergänzte Touristinfo-Leiterin Schwichtenberg.
Hanna Stauß schlüpft perfekt in historische Rolle
Bei einer kleinen Kostprobe durften die Medienvertreter Josepha dann live erleben und tatsächlich begeistert Hanna Stauß in ihrer Rolle. Sie nimmt die Besucher an die Hand, führt sie an besondere Plätze und erzählt aus dem Innenleben der Stadt historisch Verbürgtes. Dass Pfullendorf einst 18 Brauereien hatte, wobei das „Spitalbier“ wohl nicht so gut geschmeckt haben soll, aber die wertvolle Arbeit des Spitalfonds wurde schon vor mehr als 200 Jahren gewürdigt. Das Spital füttere Pfullendorf durch, berichtet Josepha von täglich 100 Mahlzeiten, die an Bedürftige ausgegeben wurde. Dann zeigt sie auf das Schild „Metzgergasse“, das an die Zunft der Metzger erinnert, in der allerdings auch Bauarbeiter Mitglied werden mussten.
Brunnenbau hat das Leben erleichtert
Die erzählerische Verquickung zwischen historischer Faktenlage und dem Leben der Menschen im Jahr 1774 zeigt sich beispielsweise an der Station am Hechtbrunnen, der im Jahr 1773 gebaut wurde. Bis dahin mussten alle Bewohner der Oberstadt, und somit auch Dienstmagd Josepha für die „Krone“, das Wasser aus der Unterstadt mühsam nach oben schleppen. „Grüß Gott! Kennet ihr mi?“, fragt Josepha zu Beginn des etwa 75-minütigen Rundganges und nach dem Ende der Erlebnisführung kennen die Besucher sicher nicht nur das Leben der Schankmagd, sondern auch die Stadt Pfullendorf viel besser als zuvor.
Termine und Kosten
Die ersten Führungen finden am 15. September (17 Uhr), 19. September (10.45 Uhr) und 1. Oktober (16 Uhr) statt. Erwachsene zahlen dabei 5 Euro und Kinder bis zwölf Jahren sind frei. Gruppen bis maximal 30 Personen bezahlen 120 Euro und der Termin wird individuell abgestimmt. Die Führung beginnt am Markplatz und dauert etwa 75 Minuten.
Information und Buchung unter Tel. 0 75 52/25 11 31 oder info@noerdlicher-bodensee.de