Ein 57-Jähriger aus Pfullendorf muss sich seit Dienstag, 5. August, vor dem Landgericht Hechingen wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Er soll am 9. Februar dieses Jahres auf dem Hof vor dessen Wohnung einen 47-Jährigen außer Faustschlägen und Kopfstößen eine drei Zentimeter tiefe Stichwunde im Brustbereich zugefügt haben. Unklar ist nach dem ersten Verhandlungstag, womit die Tat verübt worden war. Auslöser für die Auseinandersetzung war wenige Monate zuvor eine Trauerfeier.

Ex-Präsident der Black Jackets

Schwere Motorräder, harte Männer in Kutten? Davon war am Dienstagmorgen nichts zu sehen, obwohl mit einer Solidarität gegenüber des früheren Präsidenten der Rockergang Black Jackets zu rechnen war. Und so war es nur eine Handvoll Zuhörer, die wissen wollte, was sich am 9. Februar zwischen 20.30 und 21.30 Uhr tatsächlich ereignet hatte, als der Streit zwischen dem Beschuldigten und dem Geschädigten eskaliert war.

Ehefrau verweigert die Aussage

Im Publikum saß auch die Ehefrau des 57-Jährigen, die zuvor im Zeugenstand ihre Aussage verweigerte. Ihr Mann, der seit der Tat in Untersuchungshaft sitzt, schwieg ebenfalls zu den Vorwürfen. Die Verteidigung überließ er seinem Anwalt Uwe Böhm, der den Wahrheitsgehalt der Hauptbelastungszeugen auf den Prüfstand stellte. Sein Mandant schüttelte bei dessen Aussagen ungläubig den Kopf.

Ehrverletzend und respektlos

Dass es überhaupt zu der Auseinandersetzung gekommen war, ist auf eine ein paar Monate zuvor stattgefundene Trauerfeier eines türkischen Mitbürgers in der Moschee zurückzuführen. Der Angeklagte begrüßte jeden Gast per Handschlag. Der 47-Jährige aus einer Nachbargemeinde streckte ihm zwar auch die rechte Hand entgegen, ließ aber seine linke Hand in seiner Hosentasche stecken, was der 57-Jährige mit deutscher Staatsangehörigkeit ihm gegenüber als ehrverletzend und respektlos empfand.

Sie kennen sich von der Arbeit

Er erwartete von ihm an Ort und Stelle eine Entschuldigung, wozu jedoch der 47-Jährige keine Veranlassung sah. Weitere Trauergäste schlichteten den Streit, der 47-Jährige fuhr mit dem Auto davon, soll am Steuer mit dem Zeigefinger eine Geste Richtung des 57-Jährigen gemacht haben, die bedeuten könnte, dass sich die beiden nochmal sehen würden, wenngleich für den Geschädigten seinen Angaben nach die Geschichte damit erledigt gewesen sei. Beide Männer hatten zuvor wenig miteinander zu tun, trafen sich lediglich Jahre zuvor bei ihrem früheren gemeinsamen Arbeitgeber in Pfullendorf. „Da hat er immer erzählt, dass er der Mafioso von Pfullendorf ist“, sagte der 47-Jährige als Zeuge aus, der im Prozess von einem Nebenkläger vertreten wird.

Das könnte Sie auch interessieren

Beim Rauchen mit seinem Schwager

Die nächste Begegnung der beiden Männer war eher zufällig, endete aber nicht mehr friedlich. Der 47-Jährige kündigte am 9. Februar seiner Schwester und seinem Schwager einen Besuch ab. Das Ehepaar ist direkter Nachbar des Angeklagten, mit dem es bislang keine Probleme gehabt habe. Während die Schwester oben in ihrer Wohnung blieb, rauchten ihr Mann und ihr Bruder in der Garage eine Zigarette, als der Angeklagte mit seinem Auto in den Hof hineinfuhr, offenbar kurz anhielt, sein Auto parkte und dann schnurstracks Richtung Garage ging. Der Schwager bat den 47-Jährigen noch darum, ruhig zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen. Doch in den nächsten Minuten kam es zu Handgreiflichkeiten, weil der Angeklagte offenbar die Szenerie der Trauerfeier nicht vergessen hatte.

Kapuze über das Gesicht gezogen

Der Geschädigte sagte aus, dass ihn der Angeklagte zur Mitte des Hofs förderte und erneut eine Entschuldigung von forderte. Weil er dies verneinte, soll er unvermittelt zuerst einen Kopfstoß gegen die Nase bekommen haben, infolge dessen er stürzte. Es soll einen weiteren Kopfstoß gegen die Stirn und mehrere Faustschläge ins Gesicht und gegen den Oberkörper gegeben haben. „Er hat mir die Kapuze über mein Gesicht gezogen“, so der Geschädigte, der zugab, zurückgeschlagen zu haben, um sich zu wehren.

Schwager will schlichten

Der Schwager versuchte zwar mehrfach, den Angeklagten wegzuziehen, hatte dazu aber keine Kraft mehr. Erst als er dem Angeklagten mit der Polizei drohte, soll er aufgehört haben, auf ihn einzuschlagen. Und dann wurde es kurios: Der Angeklagte gab dem mit Blut verschmierten Geschädigten sein bei der Schlägerei verlorenes Handy zurück, soll ihn umarmt und dabei gesagt haben, dass alles wieder gut sei. Dann ging er mit leichten Verletzungen im Gesicht zu Fuß in seine Wohnung zurück, vor dessen Haustür er kurze Zeit danach von der bereits alarmierten Polizei festgenommen wurde. Er leistete keinen Widerstand.

Bisswunde am Finger

Der Geschädigte schleppte sich indes leicht benommen Richtung Straße, wartete dort auf einem Stein sitzend mit seiner inzwischen über den Vorfall benachrichtigten Schwester und seinem unversehrten Schwager auf die Rettungskräfte und die Polizei. Erst jetzt wurde klar, dass das Opfer mit einer tiefen Stichwunde in der Brust schwer verletzt wurde – aber nicht lebensgefährlich, weil keine Organe getroffen wurden. Er kam ins Krankenhaus nach Ravensburg, hatte mehrere Hämatome, eine gebrochene Nase, einen Kieferbruch und eine Bisswunde an seinem Zeigefinger. Der Geschädigte ist seit der Tag krankgeschrieben und kann bis heute nachts nicht gut schlafen.

Ein spitzer Gegenstand

Bei der Wohnungsdurchsuchung des Angeklagten wurde zwar mehrere Messer sichergestellt. Ob eines der Messer als Tatwerkzeug benutzt wurde, konnte bislang nicht bewiesen werden, zumal das Opfer sich nur daran erinnern konnte, dass es ein spitzer Gegenstand war, den er aber in seiner gebückten Haltung nicht sehen konnte – er nicht und auch nicht sein Schwager. Verteidiger Uwe Böhm will bei der Fortsetzung der Verhandlung am Donnerstag, 7. August, weitere Zeugen einladen, die seinen Mandanten entlasten. Böhm ist der Ansicht, dass der Geschädigte die Geschehnisse bei der Trauerfeier nicht auf sich sitzen lassen wollte.