Seit fast zwei Wochen sitzt ein 57-Jähriger aus Pfullendorf wegen Verdachts des versuchten Totschlags in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Hechingen wirft ihm vor, am Sonntagabend, 9. Februar, einen 47-Jährigen unvermittelt gegen den Kopf geschlagen, ihn gebissen und dann mit einem Messer in den Brustbereich gestochen zu haben. Der Tatverdächtige ist indes kein unbeschriebenes Blatt.
Die beiden Männer kennen sich
Bislang ist bekannt, dass die beiden Männer, die sich kennen, schon längere Zeit miteinander streiten. Zu den Hintergründen des Streits gibt die Staatsanwaltschaft Hechingen keine Auskünfte. Fest steht jedenfalls, dass sich die beiden Männer begegnet sind, als sich die Tat am Sonntagabend gegen 21.30 Uhr ereignet hatte.
Der 57-Jährige soll sein Auto im Pfullendorfer Stadtgebiet geparkt haben, um dann in seine Wohnung zu gehen, als er den 47-Jährigen und einen Angehörigen vor dem Haus sah, die dort zufällig zum Rauchen standen. Sie besuchten im Haus nebenan eine Bekannte, die zum Zeitpunkt der Tat in ihrer Wohnung war.
Streit auf der Straße eskaliert
Was genau dann passierte und warum der Streit so heftig eskalierte, ist nun Gegenstand der Ermittlungen des Kriminalkommissariats Sigmaringen. Nach Angaben der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Hechingen sei der Tatverdächtige nach dem Messerstich geflüchtet, konnte aber später von der Polizei widerstandslos festgenommen werden.
Opfer hat Glück
Das 47-jährige Opfer wurde nach der Tat vom Rettungsdienst medizinisch versorgt und zur weiteren Behandlung ins Krankenhaus gebracht. Es muss nach Informationen des SÜDKURIER wohl Glück gehabt haben, denn der Stich mit dem Messer soll nur um wenige Zentimeter das Herz verfehlt haben.
Der 47-Jährige wurde einen Tag später aus dem Krankenhaus entlassen, der Angehörige, der die Tat sah, blieb unverletzt. Der Tatverdächtige, der seither in Untersuchungshaft ist, „hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert“, sagt Staatsanwältin Jasmin Eppler.
Aufmarsch bei Biker Days
Nach der Tat machte es in Pfullendorf schnell die Runde, um wen es sich bei dem 57-Jährigen offenbar handelt. Er soll bis vor einigen Jahren der Präsident der Rockergang Black Jackets gewesen sein. Bei den ersten Biker Days im Jahr 2011 im Seepark Linzgau, als der Tatverdächtige als Präsident das Sagen hatte, waren die Black Jackets mit etwa 150 Mitgliedern aufmarschiert.
Großes Polizeiaufgebot
Für den damaligen Präsidenten, der aus Pfullendorf stammt, waren die Biker Days quasi ein Heimspiel. Weil die Präsenz der Black Jackets im Vorfeld angekündigt wurde, war ein großes Polizeiaufgebot vor Ort. Die Black Jackets verließen nach kurzer Dauer das Festivalgelände, stiegen auf ihre Motorräder und waren wieder weg, sodass es bei der Veranstaltung zu keinen Ausschreitungen kam.
Er ist gut vernetzt
Mittlerweile hat sich der Tatverdächtige, der nach den Black Jackets Mitglied bei den Hells Angels war, offensichtlich aus der Rockerszene zurückgezogen, soll aber nach wie vor gut vernetzt sein. Dadurch könnte die Vorgeschichte auch Tatrelevanz gewinnen: Im Umfeld des Opfers gibt es gewisse Unsicherheiten, ob Mitglieder von Rockergangs wegen ihrer Loyalität gegenüber dem früheren Präsidenten auf Rache gesinnt sind.
Die Pressestelle des Polizeipräsidiums Ravensburg macht auf Anfrage des SÜDKURIER keine Angaben zum Tatverdächtigen. Polizeipressesprecherin Julia Kumpf sagt dennoch, „dass die Polizei unter anderem auch für den Opferschutz tätig ist“.
Ermittlungen dauern an
Indes dauern die Ermittlungen weiter an. Nach dem derzeitigen Stand sei – so Staatsanwältin Jasmin Eppler – die Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung hoch. Bis dahin gilt jedoch die Unschuldsvermutung. In den nächsten Wochen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, ist mit einer Anklage gegen den 57-Jährigen zu rechnen und bei einer Verhandlung vor dem Landgericht Hechingen vermutlich mit einem Andrang von Rockern aus der Umgebung.