Sie hat den „Tatort“ sogar persönlich bei einer Ortsbegehung unter die Lupe genommen. Doch jetzt kam die Jugendkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen zu dem Schluss: Ob das, was sich im Frühjahr/Sommer 2022 am Seltenbach nahe des Waldshuter Rheinufers zugetragen hat, eine Vergewaltigung war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

So hieß es: im Zweifel für den Angeklagten und Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung. Da der 23-Jährige aber wegen weiterer Delikte angeklagt war, geht er jetzt doch für drei Jahre ins Gefängnis. So hoch liegt die vom Gericht ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Mann.

Wofür wird der 23-Jährige verurteilt?

Denn für räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter räuberischer Erpressung und Bedrohung sah die Kammer die Schuld des Mannes als gegeben.

Mitangeklagt war ein heute 18-Jähriger. Und auch er wurde der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der versuchten räuberischen Erpressung für schuldig erachtet. Da sich die Taten im April 2023 abgespielt haben sollen und der 18-Jährige zu der Zeit noch minderjährig war, droht ihm aber allenfalls eine Jugendstrafe.

Und die kann er noch abwenden, wenn er sich ein Jahr lang nichts mehr zuschulden kommen lässt. Bei „guter Führung“ wird der Schuldspruch der Kammer dann gelöscht. Das soll dem im Jugendstrafrecht zentralen Erziehungsgedanken Rechnung tragen.

Was den beiden Angeklagten zur Last gelegt wurde

Die beiden Angeklagten sollen im April 2023 laut Staatsanwaltschaft ein auserwähltes Opfer ausgeraubt haben. Dafür hätten sie zunächst auf den Geschädigten eingeschlagen und eingetreten. Einer der beiden Angeklagten habe ihm ein Taschenmesser an den Hals gehalten; der andere Angeklagte habe das Messer schließlich an sich genommen und damit dem Opfer in den Bauch gestochen.

Auch wegen Vergewaltigung stand jetzt ein 23-Jähriger vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen.
Auch wegen Vergewaltigung stand jetzt ein 23-Jähriger vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen. | Bild: Wagner, Hans

„Im Anschluss sollen die Angeklagten den Geldbeutel des Geschädigten, in dem sich 90 Schweizer Franken befunden hätten, herausverlangt und ihn zur Abhebung von weiteren 200 Euro von seinem Konto aufgefordert haben unter der Drohung, sonst erneut zuzustechen“, so die Anklage. Der 23-Jährige soll darüber hinaus im November 2023 einen Lehrer bedroht und im Frühjahr/Sommer 2022 eine junge Frau gegen deren Willen zum Oralverkehr gezwungen – und sich damit der Vergewaltigung schuldig gemacht haben.

Aber eben: Das ließ sich nicht beweisen. Die Frau hatte – ihre Aussage vor Gericht fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – gegenüber der Polizei ausgesagt, vom Beschuldigten unter Ausübung von Gewalt zum Oralverkehr gezwungen worden zu sein. Laut Aussage des Angeklagten war es aber einvernehmlicher Sex und die Initiative dazu sei von der Frau selbst ausgegangen. Kurios war, dass diese die mutmaßliche Tat erst im Januar 2023, also Monate danach, zur Anzeige brachte und das auch noch mitten in der Nacht im Polizeirevier von Waldshut.

Waren K-o.-Tropfen im Spiel?

In der Verhandlung war auch von an den Handgelenken erlittenen Verletzungen die Rede. Woher diese stammten, blieb indes unklar. Das mutmaßliche Opfer sagte gegenüber der Polizei zudem aus, einen vom Angeklagten angebotenen Joint abgelehnt zu haben. Sie habe sich dennoch „komisch“ gefühlt. Womöglich sei sie Opfer von K-o.-Tropfen geworden.

Auch die Vernehmung einer Zeugin, einer Freundin der Frau, blieb ohne weitere Erkenntnisse. Weitere Zeugen vorzuladen, erwies sich als schwierig. Eine angeblich die Frau betreuende Psychotherapeutin gab an, diese gar nicht zu kennen. Schließlich stieß die Kammer auf eine Mitarbeitende von deren Praxis, die zu dem Vorfall befragt worden ist. Was sie berichtete, blieb aber unbekannt. Denn auch ihr Bericht wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen. Auch als Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung ihre Plädoyers hielten, war kein Publikum zugelassen.

Erst der Urteilsverkündung konnte dieses erneut beiwohnen.