Die zweite Meinung über die Zukunft der Kliniken GmbH folgt weitgehend den Empfehlungen des Erstgutachtens. Die stationäre Versorgung soll im Krankenhaus Sigmaringen konzentriert sowie Pfullendorf und Bad Saulgau geschlossen werden. Für die kleineren Häuser gibt es Empfehlungen für deren Nachnutzung. In einem Pressegespräch erläuterte Dr. Arne Berndt von der Beratungsfirma WMC Healthcare das zweite Gutachten, das rund 170 Seiten umfasst. Er machte deutlich, dass zunehmende Regulatorik, Spezialisierung und Ambulantisierung den wirtschaftlichen Druck vor allem auf kleinere Krankenhäuser erhöhen, sodass 2016 bis 2019 fast jede zweite Klinik ein Minus aufwies, so auch die SRH Kliniken GmbH Kreis Sigmaringen.
Medizinische Versorgung am zentralen Krankenhaus Sigmaringen ist gesichert
In Zukunft müsse man mit rückläufigen Fallzahlen im stationären Bereich rechnen, erklärte Berndt, dass kleinere Grundversorger für zu wenige Fälle eine zu große Infrastruktur vorhalten müssten. In Pfullendorf und Bad Saulgau komme hinzu, dass die Erträge der dort behandelten Fälle ökonomisch nicht rentabel seien. Hinzu komme ein Fachkräftemangel, wobei nach Überzeugung des WMC-Experten größere Kliniken für medizinisches Personal attraktiver sind. Eine Herausforderung der Zukunft für das Gesundheitsweisen sei, die Leistung an die Pflegekapazität anzupassen.
Auch die Notaufnahme verfügt über ausreichende Kapazitäten
Sigmaringen verfüge mit der Inbetriebnahme des Neubaus über die nötige Pflege- und Operationskapazität, um die Patienten aus Pfullendorf und Bad Saulgau aufzunehmen. Dasselbe gelte auch für die Notfallaufnahme, wobei in Bad Saulgau die von der KV betriebene Notfallpraxis erhalten bleiben soll.
Dies habe die KV auch schriftlich zugesichert, erklärte Landrätin Bürkle. Da schon bisher schwere Fälle direkt in die Notaufnahme gebracht wurden, würde sich medizinisch nichts verändern. In der Kurstadt könnte sich WMC zudem die Einrichtung einer solitären Kurzzeitpflege vorstellen, für die das vor sieben Jahren eröffnete Bettenhaus genutzt werden könnte.
Durchschnittliche Hausarztversorgung im Landkreis Sigmaringen
Als Handlungsoption für Pfullendorf steht die Unterbringung der Psychiatrie aus Sigmaringen mit 90 Plätzen im Raum. Zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung soll ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in Trägerschaft der Kliniken GmbH gegründet werden.

Die Kliniken sollen hierfür Arztsitze erwerben, wobei nach Angaben von SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust man einen Antrag auf Sonderbedarfe stellt. Die Eröffnung eines MVZ könne nur gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten erfolgen und Bürgermeister Thomas Kugler machte deutlich, dass sich die Stadt einem solchen Konstrukt beteiligen sollte. Um Ärzte zu gewinnen, kann er sich auch vorstellen, ansiedlungswillige Mediziner bei der Bauplatzvergabe aktiv zu unterstützen. Landrätin Stefanie Bürkle wies darauf hin, dass letztlich der aus KV und Krankenkasse bestehende Zulassungsausschuss über die Vergabe von Arztsitzen entscheide. Nach den Untersuchungen von WMC liegt der Landkreis bei der Hausarztversorgung im Bundesdurchschnitt, aber bei den Fachärzten gibt es eine gravierende Unterversorgung.
Spitalfonds will Gesellschafteranteil verkaufen
Mit der Unterbringung der Psychiatrie in Pfullendorf erfülle der Spitalfonds den in der Stiftungsurkunde ausdrücklich erwähnten Betrieb eines Krankenhauses vor Ort nicht mehr, ergänzte Kugler, dass man deshalb auch keine Zukunft mehr in der Klinik GmbH sehe. Als Konsequenz will der Spitalfonds seinen 12,74-Prozentanteil an der Klinik GmbH an den Landkreis und den Mehrheitsgesellschafter SRH Holding für 2,1 Millionen Euro verkaufen. Diesem Deal muss aber der Kreistag noch zustimmen.
Mit der Psychiatrie könnte man das Gebäude sinnvoll nutzen und einen Leerstand vermeiden, ergänzte Kugler, dass für Pfullendorf die Einrichtung eines ambulanten Operationszentrums wichtig wäre. Diese Nachnutzung könnte man zwar prüfen, aber die Erfolgsaussicht sei fraglich, urteilt das WMC-Gutachten. Letztlich soll für Pfullendorf und Bad Saulgau die vom Land entwickelte Idee von Primärversorgungszentren aufgegriffen und für deren Umsetzung Förderprogramme von Bund und Land genutzt werden.
Transformationsprozess kann Jahre dauern
Auf die SÜDKURIER-Frage, dass viele Bürger befürchten, die alte Krankenhausstruktur würde wegfallen, ohne dass die neue MVZ-Struktur aufgebaut sei, erklärte Geschäftsführer Faust, dass es keinen harten Schnitt geben werde und SRH-Chef Werner Stalla versicherte, man werde den ambulanten Bereich so gut wie möglich unterstützen. „Dieser Transformationsprozess kann Jahre dauern“, sagte WMC-Experte Arne Berndt von seinen Erfahrungen, was den MVZ-Aufbau nach der Schließung von Krankenhäusern betrifft und ergänzte, dass die „Deutschen an ihren kleinen Krankenhäusern hängen“, obwohl letztlich die bestmögliche medizinische Versorgung im Fokus stehen müsse.
Keine Aussage zum aktuellen Personalbestand
Keine konkreten Zahlen gab es von Jan-Ove Faust auf die Frage nach dem aktuellen Personalstand in den Krankenhäusern Pfullendorf und Bad Saulgau. Erst nach der Beschlussfassung über das medizinische Konzept, werde man eine Feinplanung für den Klinikbetrieb in Sigmaringen erstellen und daran die Personalplanung ausrichten, wobei man mit den Betriebsräten sprechen wird. Einen Arbeitsauftrag für die SRH-Geschäftsleitung formulierte WMC-Gutachter Berndt bezüglich des künftigen Betriebes im Krankenhaus Sigmaringen, der optimiert werden müsse.
Zeitplan für die Entscheidungsfindung
Die Mitglieder des Kreistages und des Spitalfonds wurden nach Informationen des SÜDKURIER am Montag in nicht öffentlicher Sitzung über das Gutachterergebnis informiert. Der Gemeinderat Pfullendorf beschäftigt sich am 3. März (18 Uhr), in der Stadthalle in einer außerordentlichen Sitzung mit dem Gutachten, das in einer Bürgerinformationsveranstaltung am 8. März (19 Uhr) in der Stadthalle vorgestellt wird. In der Göge-Halle in Hohentengen findet am 23. Februar (19 Uhr) eine Infoveranstaltung statt. Der Kreistag entscheidet am 14. März.