Herr Engesser, auf der Versammlung des Kreisfeuerwehrverbands Schwarzwald-Baar am Samstag in Blumberg geben Sie den Vorsitz des Verbands nach rund zehn Jahren ab. Welche Perspektive hat der Kreisverband?
Der Verband ist die Interessenvertretung der Feuerwehren im Landkreis, aber auch der Feuerwehrkameradinnen und -kameraden. Der Verband wird die vielfältigen Aufgaben und Veränderungen der Gesellschaft in seine Arbeit aufnehmen müssen. Die Perspektive des Verbandes hängt konkret von den Kameradinnen und Kameraden ab, die sich in diesem Verband engagieren.
Sie waren mehr als 30 Jahre in Verantwortung, Abteilungskommandant in Ihrem Heimatort Hondingen, Kommandant der Blumberger Gesamtwehr und seit 2016 Vorsitzender des Kreisverbands. Was sind für Sie die wichtigsten Entwicklungen in der Feuerwehr?
Ich bin seit 1973 Mitglied der Feuerwehr. Gravierend sind die Fortschritte und Entwicklungen im technischen Bereich: Fahrzeuge, zu der Zeit gab es noch etliche Tragkraftspritzenanhänger (TSA), auch Atemschutz gab es nur bei den Stützpunktwehren, auch die Ausbildung zum Truppmann/Truppführer gab es nicht, selbst die Atemschutzausbildung war sehr mangelhaft. In den letzten Jahren haben sich die Aufgaben nochmals erweitert, zum Beispiel Hilfe bei der Landeserstaufnahme und Unterbringung von Migranten oder auch ganz gravierend die Pandemie, die sich ebenfalls auf den Aufgabenbereich der Feuerwehren auswirkte. So mussten beispielsweise die Feuerwehren die mobilen Impfzentren mit aufbauen. Es gibt aber auch wichtige Entwicklungen, die negativ sind. Zum Beispiel hat die Bereitschaft zur Übernahme einer Führungsaufgabe wie die eines Abteilungskommandanten oder Kommandanten abgenommen.
Eine große Hilfe für die Arbeit der Rettungshelfer ist die technische Ausrüstung. Was sind hier die wichtigsten Verbesserungen?
Die Entwicklung der Fahrzeuge, Atemschutz, die Anschaffung von Einsatzleitfahrzeugen in vielen Wehren. Aber auch die Entwicklung in den Sondereinheiten wie Gefahrgutzug oder Höhenrettungsgruppe.
Zu der körperlich anstrengenden Arbeit der Feuerwehr kommt oft noch die psychische Belastung. Nach dem schweren Busunfall bei Donaueschingen 1992 wurde unter Ihrem Vorgänger Manfred Bau ein Einsatznachsorgedienst für die Rettungskräfte entwickelt. Für wie wichtig halten Sie dieses Angebot, und wie sehr wird es in Anspruch genommen?
Die Möglichkeit von Einsatzkräften, hier Hilfe und Unterstützung nach schweren Einsätzen zu finden, ist sehr wichtig. Ich denke, hier wurde und wird Vorbildliches geleistet. Neben Manfred Bau ist auch die Leistung von Manfred Pfeffinger sehr zu würdigen. Auch unser früherer Feuerwehrseelsorger Michael Radigk hat viel Aufbauarbeit geleistet. Die Arbeit der Mitglieder der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) ist absolut wichtig und unverzichtbar für unsere Feuerwehrangehörigen. Es muss selbstverständlich sein, dass Helfer selbst Hilfe bekommen, wenn sie sie benötigen. Leider hat diese Einrichtung nicht die politische Lobby auf Landesebene, die sie eigentlich verdient hätte. Im Schwarzwald-Baar-Kreis haben wir Ansprechpartner sowohl bei Landrat Sven Hinterseh als auch Amtsleiter Arnold Schuhmacher.
Feuerwehr ist eine kommunale Pflichtaufgabe. Bisher gibt es in allen 20 Städten des Schwarzwald-Baar-Kreises eine Freiwillige Feuerwehr, bei der Feuerwehr im Oberzentrum Villingen-Schwenningen wurden Überlegungen wegen einer Berufsfeuerwehr geäußert. Wie sehen Sie das?
Geregelt ist das Thema Berufsfeuerwehr im Landesfeuerwehrgesetz. Ob es in VS eine Berufsfeuerwehr geben wird, ist davon abhängig, wie sich die Einwohnerzahl entwickeln wird. Hauptamtliche Kräfte gibt es in VS schon einige. Mittlerweile haben wir in Donaueschingen auch einen hauptamtlichen Kommandanten. Hauptamtliche Kommandanten wird es, aufgrund von mangelnder Bereitschaft von Ehrenamtlichen zu kandidieren, geben.
In Ihrer Zeit als Kommandant in Blumberg haben Sie mit Ihren Kameraden die neun Abteilungen zu einer Gesamtwehr entwickelt, und um die Tagesverfügbarkeit zu sichern, vier Ausrückebereiche eingerichtet, wo bei Einsätzen jeweils mindestens drei Abteilungen gemeinsam alarmiert werden. Könnte dieses Modell die Freiwillige Feuerwehr sichern?
Dieses Modell kann Vorbild sein, aber letztlich ist die Organisation der Freiwilligen Feuerwehren innerhalb der Gemeinde nach den dort notwendigen Bedürfnissen zu regeln.
Wie ist es um die Führungskräfte bestellt: Was für Qualitäten brauchen sie, welche Bedeutung kommt ihnen zu?
Wir haben gut ausgebildete Gruppen- und Zugführer. Leider ist es jedoch schwer möglich, Menschen auf weitergehende Führungsaufgaben vorzubereiten. Dies ist sicher auch eine zukünftige Aufgabe des Kreisfeuerwehrverbandes. Entscheidungsbereitschaft und Menschenführung sind nicht über die Nacht nach einer Wahl abrufbar.
Wie hat sich die Kameradschaft in den vergangenen zehn Jahren entwickelt, wie steht es um die interkommunale Zusammenarbeit?
Die Kameradschaft hat durch Corona schwer gelitten, allerdings ist die Kameradschaftspflege im Kreis sehr unterschiedlich, wird aber von den Führungskräften insgesamt als wichtig aufgenommen. Bemerkenswert ist, dass Kameraden mit unterschiedlichem Wohn- und Arbeitsort sich in beiden Feuerwehren engagieren. Bei der interkommunalen Zusammenarbeit hat es sehr viele positive Entwicklungen gegeben. Sichtbares Zeichen sind hier zum Beispiel die Führungsgruppen, wo Mitglieder verschiedener Feuerwehren eng zusammenarbeiten.
Was wünschen Sie sich für die Feuerwehren im Schwarzwald-Baar-Kreis und für den Kreisverband unter der neuen Führung?
Personelle Kontinuität, damit auch langfristige Aufgaben und Projekte umgesetzt werden können. Wenn ich den künftigen, neu zusammengesetzten Vorstand betrachte, sehe ich der Zukunft positiv entgegen. Und natürlich eine gelebte Kameradschaft.
Fragen: Bernhard Lutz