„Wie swingt Villingen-Schwenningen?“: So lautete die Leitfrage eines Erzählcafés im Villinger Franziskanermuseum, das als Begleitveranstaltung zur aktuellen Jubiläums-Ausstellung „Wie tickt Villingen-Schwenningen?“ konzipiert war. Friedhelm Schulz, der ausgewiesene und anerkannte Jazzkenner, moderierte die mit 70 Interessenten gut besuchte Veranstaltung und erreichte mühelos sein vorgegebenes Ziel: Die Veranstaltung sollte Zeitzeugen und Experten in ungezwungener Atmosphäre zum autobiografischen Erzählen bringen.

Konkret im Auge hatte Schulz dabei die etwa 60 Jahre alte Geschichte des Jazz in der Gesamtstadt. Die war wesentlich geprägt durch drei zentrale Elemente, die Schulz als „Dreifaltigkeit“ bezeichnete, das heißt durch den seit über einem halben Jahrhundert bestehenden Jazz-Club in der Villinger Webergasse, das fast schon zur Legende gewordene Plattenlabel MPS der Musik Produktion Schwarzwald und das Festival „VS swingt“.

Für einen lebendigen Blick zurück sorgten am Erzählertisch mit Lisa Boulton und Hans Sutermeister zwei ortsbekannte Persönlichkeiten, deren Namen mit dem Jazz in der Stadt aufs Engste verbunden sind. Reinhard Lenius alias „Schnalzi“ zählt ebenfalls seit Jahrzehnten zur Jazzszene, und Stefan Merkl, Musiklehrer am Gymnasium am Deutenberg, fördert an seiner Schule junge Musiker, die sich in verschiedenen Formationen praktisch dem Jazz widmen.

Der Jazzkenner Friedhelm Schulz (Mitte) moderiert im Franziskaner das Erzählcafé "Wie swingt Villingen-Schwenningen?" mit Stefan Merkl ...
Der Jazzkenner Friedhelm Schulz (Mitte) moderiert im Franziskaner das Erzählcafé "Wie swingt Villingen-Schwenningen?" mit Stefan Merkl (von links), Reinhard Lenius, Lisa Boulton und Hans Sutermeister. Bild: Gunter Faigle

Hans Sutermeister geht weit in die frühen 1960er-Jahre zurück. Er schildert zum einen, was zu tun war, um aus einem ehemaligen Glaslager im Untergeschoss der Webergasse 5 einen halbwegs ordentlichen Musik- und Kulturtreff zu machen. Ein Monstrum von Kanonenofen wollte beheizt werden, in der ganzen Stadt aufgetriebene Eierkartons wurden als Schallschutz an der Decke befestigt, in den Sommerferien galt es Toiletten zu erneuern. Zum anderen fanden sich Spitzenmusiker, die tagsüber bei MPS zugange waren, abends zu Jamsessions ein. „Richtig tolle Konzerte waren das“, sagt Sutermeister. Und die Gage? „Eine Flasche Whisky.“

Lisa Boulton, die Ehrenvorsitzende des Jazz-Clubs Villingen, sagt nicht zum ersten Mal: „Jazz ist mein Lebenselixier“ – gleichsam der Zaubertrank also, der einen jung und dynamisch hält. 1964 mit gut dreißig Jahren aus den USA zurückgekehrt, wo sie voller Begeisterung Größen des Jazz gehört hat, arbeitet sie ab 1967 bei Hans Georg Brunner-Schwer und MPS. Sie wird nach eigener Aussage schlecht bezahlt, aber persönlich durch häufige Kontak te mit Zugehörigen zur ersten Riege der zeitgenössischen Jazzszene entlohnt. Und sie sammelt reichlich Lebenserfahrung: „Mit einem Dunkelhäutigen als Geschiedene durch Villingen zum Doktor fahren, das war nicht ohne!“

Firemire & The Glissandos - Villingen, Jazzkeller, Sa, 20.1., 21 Uhr: Die Nachwuchsband besteht aus Namensgeberin und Sängerin Kiana ...
Firemire & The Glissandos - Villingen, Jazzkeller, Sa, 20.1., 21 Uhr: Die Nachwuchsband besteht aus Namensgeberin und Sängerin Kiana Meier, ihrem Bruder Colin Meier am Altsaxofon, Pianist Nahum Berhe, Marcel Vojvodic am Schlagzeug und dem Gitarrist Moritz Goschkowski. Komplettiert wird die Band durch Bassist Stefan Merkl. | Bild: Jazzclub Villingen

Reinhard Lenius beschreibt anschaulich und aus eigener jahrzehntelanger Erfahrung den Strukturwandel im Jazzkeller. „In den 1960ern hatten es die Musiker mit rauchenden und laut redenden Menschen im Raum zu tun. Heute erwarten die erstklassigen Jazzer hochkonzentrierte Zuhörer.“ Der demografische Wandel macht auch vor dem Jazzpublikum nicht halt. Stefan Merkl ist sich aber sicher, dass der Jazz eine Zukunft hat. Der Grund: „Im Jazz können sich Jugendliche selbst ausdrücken, und die Musik verjüngt sich dabei ständig.“ Wie sich das anhört, führt er mit vier Deutenberg-Gymnasiasten, Mitgliedern der Schulband „Firemire and the glissandos“, vor. Friedhelm Schulz und alle seine Mitstreiter bekommen verdienten Beifall.